Samstag, 3. August: Beim Gasthof Zum Hirschen und bei der Kirche St. Peter und Paul – dem Zentrum des Obersiggenthaler Ortsteils Kirchdorf – sind Freiwillige jeglichen Semesters am Bauen der Festbeizen. Bis zum Start der Sichlete am 23. August werden über das ganze Dorf verteilt deren 20 entstehen (Details dazu und zum Unterhaltungsprogramm sind in der Festbeilage zu finden, die in der nächsten «Rundschau»-Ausgabe erscheint). Vor der Zehntschür, die während des Fests zu einem Beizli namens S Makrönli mutiert, steht Dan Meier. Er ist Präsident des Organisationskomitees (OK) und gern bereit, etwas über den Charme und die Geschichte der Sichlete und über seine persönliche Beziehung zum Anlass zu erzählen.
«Aufgewachsen bin ich in Nussbaumen», sagt Dan Meier. Als «Oberdörfler» (Standort von Frei- und Hallenbad) habe er Kindergarten und Primarschule in Kirchdorf besucht, wo er auch Mitglied der Pfadi gewesen sei. «Die Pfadi hat mich in Kirchdorf verwurzelt.» So entschlossen sich seine Familie und er 1999, nach Jahren in den USA, hier ein Haus zu bauen. Beruflich ist Meier als EDV-Netzwerkspezialist für eine Grossbank in Zürich tätig und dabei weltweit für Risikofragen und entsprechende Lösungen zuständig. Auch politisch ist er engagiert, und zwar als Einwohnerrat der Mitte-Partei.
Die Schifflischaukeln
Seine ersten Erinnerungen an eine Sichlete? Er war Dritt- oder Viertklässler, als die Schülerinnen und Schüler von Lehrerlegende Bugmann Sichlete-Zeichnungen für einen Wettbewerb gestalten mussten. Damals habe es auf dem Platz hinter dem «Hirschen», wo heute die grosse Festbühne platziert sei, Schifflischaukeln gegeben. Inzwischen übt Meier mit der Organisation der insgesamt 11. Sichlete das Amt des OK-Präsidenten bereits zum dritten Mal aus. Um die Funktion des OK verstehen zu können, zeigt er kurz auf, wer hinter der Kirchdorfer Sichlete steht. Während andere Volksfeste durch verschiedene Vereine getragen werden, gibt es – abgesehen von den Schützen und dem Weinbauverein – in Kirchdorf keine solchen. Der OK-Präsident wird von der Vereinigung Kirchdorf gewählt und erhält das Mandat, die nächste Sichlete zu organisieren.
Der gesamte Reingewinn fliesst in die Sichlete-Festkasse des OK, die im Gegenzug das gesamte Risiko trägt und für die zentrale Infrastruktur zuständig ist. Aus dem Gewinn wird ein Fest für alle Helfenden organisiert. Was dann noch übrig ist, wird fünf Jahre lang in die Planung und die Bezahlung von Anlässen für die Kirchdorfer Bevölkerung investiert – vom Räbeliechtli-Umzug bis zum Postenlauf sind das rund zehn Events pro Jahr. Als Dan Meier mit seinem OK das Fest 2010 übernahm, platzte der beliebte Anlass aus allen Nähten. «Eine Vergrösserung des Perimeters tat not.» Die Idee einer zweiten Bühne mit einem Programm für jüngere Leute auf dem Platz hinter dem «Hirschen» entstand. Finanziert werden sollte diese durch Sponsoren. Das begeisterte nicht alle – die Angst vor aufdringlicher Werbung war gross. Diese ist aber ausgeblieben, und heute unterstützt eine Reihe von Unternehmen die Sichlete finanziell, aber auch mit Sachleistungen, wie etwa der Installation von Strom und Wasser.
Olympiateilnehmer als Barkeeper
«Ein Highlight des Fests für mich», sagt Meier, «ist die gelebte Tradition.» In den einzelnen, seit vielen Sichleten bestehenden Beizenteams werde das Festvirus an die jüngere Generation weitergegeben und so der Bestand des Anlasses gesichert. In einer dieser Gruppen arbeitet die Turnerfamilie Giubellini mit. «Die Olympiateilnehmer Matteo und Luca Giubellini sind auf dem Dienstplan der Cüplibar zu finden», stellt Meier nicht ohne Stolz fest. Matteo Giubellini erturnte sich an den Olympischen Spielen in Paris gerade erst den hervorragenden 10. Platz im Mehrkampf, das beste Resultat eines Schweizer Kunstturners an Olympischen Spielen seit 1952.
Kurz noch zum Begriff Sichlete. Licht in deren Hintergrund bringt das mit dem Aufbau des traditionellen Wiibrunne beschäftigte Team – Männer, die in ihrer Kindheit wichtige Schritte der landwirtschaftlichen Mechanisierung selbst erlebt haben. Die Sichel diente schon damals nicht mehr für den Schnitt des Korns. Auf dem Feld wurde mit dem Bindemäher gearbeitet, und die Ähren vor den Scheunen der Bauern wurden mit einer elektrisch betriebenen Maschine gedroschen. Mähdrescher dürften in den 70er-Jahren erstmals in Kirchdorf aufgetaucht sein. Ursprünglich sei die Sichlete ein Erntedankfest gewesen, das sich auch auf Wein, Kartoffeln und Co. bezogen habe.