Zentrale in Zug wird gestärkt

Die aus der 1912 in Holderbank gegründete Portland­cement-Fabrik hervorgegangene Holcim verlegt die Arbeitsplätze nach Zug.
Holcim verlässt bis Frühjahr 2026 Holderbank. (Bild: pg)

Wer in den vergangenen 112 Jahren über Zement und Zementfabrik sprach, dachte unweigerlich an die aargauische Gemeinde Holderbank. Hier begann die Geschichte des Zementkonzerns, der am 15. Februar 1912 durch Adolf Gygi gegründet wurde. Bereits zwei Jahre später kam es zur ersten Fusion, schloss sich doch 1914 die junge Zementfabrik Holderbank mit der Rheintalischen Cementfabrik Rüti zusammen. Schon bald übernahm der Industrielle Ernst Schmidheiny das Zepter. Die Familie hat das Schweizer Zementgeschäft über Generationen geprägt. Boomphasen und Rückschläge wechselten sich über die Jahrzehnte immer wieder ab. Kalkstein und Mergel, das Grundmaterial für die Herstellung von Zement, wurden im Aargauer Jura praktisch vor den Firmentoren abgebaut. Im Ersten Weltkrieg brach die Nachfrage ein. Viele Mitarbeiter waren im Militärdienst, und so wurde die Produktion eingestellt.

Weltweit grösster Zement­konzern
Nach dem Krieg brachten Exporte nach Frankreich und Italien den Aufschwung, und 1930 wurde das Zementgeschäft mit der Gründung der Holding Holderbank reorganisiert. Nachdem die Söhne Ernst und Max Schmidheiny übernommen hatten, fiel 1950 der Entscheid, den Schritt nach Nordamerika zu wagen und in den 1960er-Jahren auch in Lateinamerika Fuss zu fassen. Den Erdölpreisschock von 1973 und die folgende Rezession überstand Holderbank dank des guten Geschäfts in Libanon und Südafrika ohne grössere Einbussen. Ab 1976 ging es wieder aufwärts. Als in den 1980er-Jahren das Geschäft in Lateinamerika in die Krise geriet, trug der Einstieg in Spanien dazu bei, dass Holderbank 1986 zum grössten Zementkonzern der Welt aufstieg.

Holderbank ist keine Bank
Im Jahr 2001 änderte der Konzern seinen Namen. Aus dem Ortsnamen Holderbank und dem französischen «Ciment» (Zement) ging der neue Name «Holcim» hervor. Unter der Führung des Konzernchefs Markus Akermann hat sich der Umsatz bis 2007 auf den aktuell gültigen Rekord von 27 Milliarden Franken verdoppelt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise führten dazu, dass der Konzernumsatz 2013 unter 20 Milliarden Franken lag. Als sich Markus Akermann 2012 aus der Konzernspitze verabschiedete, wurde Bernard Fontana sein Nachfolger als CEO. 2017 übernahm dann Jan Jenisch als CEO, der das Unternehmen bis im Mai dieses Jahres operativ führte und sich nun auf das Amt des Verwaltungsratspräsidenten konzentriert. Neuer CEO ist Miljan Gutovic. Im Jahr 2023 lag der Gesamtumsatz von Holcim weltweit bei 27 Milliarden Schweizer Franken. Der Anteil von nachhaltigem, CO2-armem Zement am konzernweiten Umsatz liegt bereits bei rund 20 Prozent, Tendenz steigend. Und ab 2050 will das Unternehmen nur noch klimaneutrale und vollständig rezyklierbare Baustoffe herstellen. Holcim Schweiz ist eine Tochtergesellschaft des weltweit tätigen Baustoffkonzerns Holcim Ltd. mit Sitz in Zug. Die Holcim-Gruppe ist in rund 60 Märkten vertreten und beschäftigt rund 63 000 Mitarbeitende. In der Schweiz beschäftigt der Konzern rund 1500 Mitarbeitende in drei Zementwerken, 16 Kieswerken, 36 Betonwerken und mehreren Recyclingzentren an den Standorten Holderbank und Zug. Mit der Strategie 2025 «Accelerating Green Growth» verfolgt der Konzern die Vision, Weltmarktführer für innovative und nachhaltige Baulösungen zu werden und bis 2050 Netto-Null zu erreichen.

Bekenntnis zum Standort Schweiz
Vor Kurzem wurde bekannt, dass Holcim die Gemeinde Holderbank verlässt, um die Zentrale in Zug zu stärken. Vom Umzug, der 2026 umgesetzt werden soll, sind rund 200 Arbeitsplätze betroffen. Künftig sollen in Zug insgesamt mehr als 400 Personen beschäftigt werden. Damit soll die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden und der Bereiche gefördert werden. Ein Stellenabbau ist nicht geplant, und die Mitarbeitenden sollen beim Wechsel nach Zug, etwa durch finanzielle Hilfe für den Arbeitsweg oder bei einem Wohnortswechsel, unterstützt werden. Das ist denn auch ein klares Bekenntnis zum Standort Schweiz. Wie Urs Pfründer, Gemeindeammann von Holderbank bestätigt, sind sowohl der Kanton als auch die Gemeinde frühzeitig über den Wegzug von Holcim informiert worden. «Obwohl ein Grossteil der durch die Schliessung des Standorts betroffenen Arbeitnehmenden von auswärts kommt und in Holderbank auch kein Zement mehr produziert wird, bedauert man selbstverständlich den Verlust der Arbeitsplätze. Nicht zuletzt verliert die Gemeinde, deren Namen in die Welt hinausgetragen wurde, durch den gänzlichen Wegzug auch das identitätsschaffende Unternehmen», so Urs Pfründer. «Wir hoffen, dass das 80 000 Quadratmeter grosse Areal nicht zur Industriebrache verkommt und dass es gelingt, mit der Ansiedlung neuer, innovativer Unternehmen wieder Arbeitsplätze zu schaffen», so Urs Pfründer weiter. Nebst der Produktion in der Nachbargemeinde Wildegg (Jura-Cement) wird auch im traditionsreichen Zementwerk Siggenthal, welches im vergangenen Jahr den 110. Geburtstag feiern konnte, Zement produziert. Dort war anlässlich eines Tages der offenen Tür zu erfahren, wie Holcim Rückbaumaterialien wiederverwendet und ressourcenschonende Baustoffe für eine nachhaltig gebaute Zukunft herstellt.