Eine lustvolle Ode an die klassische Musik

11 Veranstaltungen und rund 100 renommierte Musikschaffende: Das Brugg-Festival glänzt mit einem vielfältigen Programm.
Rahel Metzler und Sebastian Bohren organisieren gemeinsam das Brugg-Festival 2024. (Bild: zVg)

Sebastian Bohren ist in Brugg aufgewachsen und zählt zu den besten Violinisten der Schweiz. Die internationale Presse lobt sein präzises, gefühlvolles und virtuoses Spiel, gepaart mit einer ausdrucksstarken Bühnenpräsenz. Der 36-Jährige gibt Konzerte auf grossen internationalen Bühnen und konnte schon mit zahlreichen namhaften Orchestern und Dirigenten auftreten. Doch Bohren wollte nie einfach nur selbst im Mittelpunkt stehen. Ihm ist es seit jeher ganz wichtig, mit klassischer Musik nicht nur Menschen im fortgeschrittenen Alter zu erfreuen, sondern sie auch einem jungen Publikum zugänglich zu machen. Deshalb veranstaltete er vergangenes Jahr das erste Brugg-Festival, das nun vom 1. bis 7. September in die zweite Runde geht. Wichtiger Bestandteil ist neben einer Freilichtoper in der Hofstatt und grossartigen Konzerten in verschiedenen Kulturhäusern das Vermittlungsprogramm Echo mit rund zehn Schüleraufführungen, die für alle Brugger Schulkinder zugänglich sind. Die Jugendlichen, die sich im Vorfeld anmelden konnten, haben rund um die offiziellen Konzerte die Möglichkeit, speziell für sie organisierten Kurzaufführungen beizuwohnen, spannende Geschichten zu den gespielten Stücken zu erfahren und mit den auftretenden Musikerinnen und Musikern unkompliziert ins Gespräch zu kommen. «Wir möchten Berührungsängste abbauen und Begegnungen schaffen, die Lust auf Klassik machen», meint Bohren dazu.

Vergnügliche Oper zum Auftakt
Das diesjährige Brugg-Festival wartet mit einem noch reichhaltigeren Programm als im Vorjahr auf. Sebastian Bohren und Rahel Metzler sind schon seit Monaten an den Vorbereitungsarbeiten und müssen unter anderem rund 100 Auftretende an fünf verschiedenen Spielorten koordinieren. Der Auftakt wird am 1. und 2. September, jeweils um 19.30 Uhr, in der Hofstatt stattfinden, wo die Opera buffa «Lo Speziale» (Der Apotheker) von Joseph Haydn unter freiem Himmel zur Aufführung kommt. Für die tragisch-komische Geschichte um die schöne Grilletta, die nicht nur vom Apotheker Sempronio, sondern auch von zwei liebeshungrigen Jünglingen umworben wird, entsteht eine Tribüne für 300 Zuschauende. Das Bühnenbild dominiert ein Fiat aus den 60er-Jahren, der zu einer Apotheke umgebaut wird. «Viele Requisiten braucht es nicht, die Hofstatt selbst ist atmosphärisch genug», bekundet Metzler. Im unter­haltsamen 4-Personen-Stück mit ­Commedia-dell’Arte-Elementen treten Renate Arends, die mehrfach preisgekrönte Marina Zyatkova (beide Sopran) sowie der chilenische Tenor Àlvaro Zambrano und der polnische Bass Piotr Micinski auf. Es spielt das Stuttgarter Kammerorchester. Bei schlechtem Wetter finden die Aufführungen in der reformierten Stadtkirche Brugg statt.

Das Bühnenbild der Opera dominiert ein Fiat aus den 60er-Jahren. (Bild: zVg)

Hochkarätige Gäste
Grosse Namen stehen auf dem Programm. Beispielsweise die russische Violoncellistin Anastasia Kobekina, die von der französischen Zeitung «Le Figaro» als unvergleichliche Musikerin gelobt wird und weltweit Karriere macht. Sie tritt gleich dreimal auf: Am 3. und 4. September konzertiert sie mit Sebastian Bohren und anderen namhaften Solisten in der reformierten Stadtkirche und ist dort am 5. September zudem solo mit Werken von Johann Sebastian Bach zu erleben. Der Schweizer Reto Bieri, der in der Musikszene als Koryphäe und Klangmagier auf seinem Instrument bezeichnet wird, bestreitet am 3. September um 19.30 Uhr gemeinsam mit anderen namhaften Musikschaffenden einen kammermusikalischen Abend in der reformierten Stadtkirche. Das Abschlusskonzert, an dem auch Bohren auftritt, findet am 7. September im Campussaal der FHNW statt. Das Kammerorchester Basel spielt unter der Leitung der jungen ­litauischen Dirigentin Izabelė Jan­kauskaitė. Die 26-Jährige war von ­August 2022 bis Juni 2023 Assistant Conductor des Tonhalle-Orchesters Zürich. Angesagt sind für das Finale unter anderem Kompositionen von Max Reger und Franz Schubert.

Junge Talente fördern
Für den Geiger Silvan Dezini steht das Brugg-Festival unter einem ganz besonderen Stern. Der 23-Jährige, der bereits mehrere Auszeichnungen bei Jugendmusikwettbewerben gewann, tritt am 4. September von 12.15 bis 13.10 Uhr anlässlich der Lunchkonzertreihe «fifty five minutes» mit dem bekannten tschechischen Violinisten Josef Špaček auf. Zu verdanken hat er das Engagement Bohren, der ihn seit einigen Jahren auf seinem musikalischen Weg fördert. «Ich habe selbst erfahren, wie knallhart das Selektionsverfahren im kompetitiven Musikgeschäft ist», meint dieser und fügt hinzu, «meine erfolgreiche Musikerlaufbahn beruht nicht nur auf Talent, Disziplin und Hingabe, sondern auch auf dem Vertrauen, das in mich gesetzt wurde, und der Unterstützung, die ich erfahren durfte. Jetzt ist es Zeit, etwas davon an die nächste Generation weiterzugeben.»

Musikalische Perlen nach Brugg bringen
Das Brugg-Festival findet unter der Ägide des Vereins Stretta Concerts statt, der seit 2007 klassische Konzerte mit renommierten Ensembles, Orchestern und Solisten veranstaltet. Bohren engagiert sich für beide Formate als künstlerischer Leiter – seit einem Jahr steht ihm für die Organisation Rahel Metzler zur Seite, die Musiktheorie studiert. Auch sie hat einen besonderen Bezug zu Brugg. Die Orgel in der reformierten Stadtkirche wurde von ihrem Grossvater Hansueli Metzler gebaut.

Neue Wege beschreiten
Bohren wusste schon im zarten Alter von zehn Jahren, dass er Musiker werden wollte. Sein Musikstudium absolvierte er in Zürich, Luzern und München. Schier endlos ist die Liste der Orchester und Dirigenten, mit denen er bisher auftrat. Der Vater eines zweijährigen Sohnes übt immer noch vier bis fünf Stunden pro Tag. Angekommen fühlt er sich trotz seines ­Erfolgs nie. «Ich stelle mir immer die Frage, was noch möglich ist, und möchte neue unbekannte Wege beschreiten», sagt er. Das Brugg-Festival bezeichnet er als «Start-up-Unternehmen», das sich nachhaltig weiterentwickeln soll. Er ist bereit, das unternehmerische Risiko zu tragen. Dank den Ticketverkäufen sowie finanziellem Support von privaten Sponsoren und der öffentlichen Hand konnte die letztjährige Ausgabe mit einer schwarzen Null abgeschlossen werden. Er und Metzler wollen vor allem eins: ein Festival mit vielen magischen Konzertmomenten veranstalten, das Jung und Alt Freude bereitet.

Das Brugg-Festival geht vom 1. bis 7. September über die Bühne. Weitere Programmangaben, Kurzbiografien der mitwirkenden Künstler sowie Tickets gibt es auf bruggfestival.ch.