Wie sicher können wir uns fühlen?

Veranstaltung im Salzhaus Brugg zu einem Thema, das stark an Aktualität gewinnt: Die Drogenszene in unserer Region und täglich dominierende Nachrichten über Krieg und Krisen stimmen einen nicht sehr zuversichtlich.
«Gegenwärtig kann die Armee unser Land nicht nachhaltig verteidigen», befürchtet Divisionär a.D. Andreas Bölsterli. (Bild: hpw)

Die Welt ist unsicherer denn je. Kriege, Krisen und Naturkatastrophen erschüttern sie. Migrantenströme überfluten Länder. Gestörte Lieferketten beeinträchtigen die Weltwirtschaft. Die Energieversorgung ist fragil. Neue kriminelle Tatbestände breiten sich aus. Auch im Aargau steigt die Kriminalitätsrate. Die Frage, wie sicher wir uns fühlen können, wird durch die ernüchternde Erkenntnis verschärft, dass unsere kontinuierlich geschwächte Armee nicht mehr in der Lage ist, die Schweiz nachhaltig zu verteidigen. Sicherheit ist plötzlich wieder sehr aktuell.

Darum hat die FDP Bezirkspartei Brugg dieses vielschichtige Thema zu einem ihrer Kernanliegen im gegenwärtigen Grossratswahlkampf gemacht und dazu eine Veranstaltung im Brugger Salzhaus organisiert. Dabei kamen drei kompetente Sicherheitsfachleute zu Wort – notabene einheimische Kenner der Materie und, um genau zu sein, alle aus Schinznach: Andreas Bölsterli, früherer Divisionär, Chef des Planungsstabs der Armee und Kommandant der Territorialregion 2, der IT-Spezialist und Security-Botschafter Maurizio Galati sowie der pensionierte Kantonspolizist und ehemalige Schinznacher Gemeindeammann Urs Leuthard.

«Wir tun nichts»
Divisionär a.D. Bölsterli beleuchtete die Sicherheitslage in der Schweiz. Wie gut ist unser Land auf Extremismus, Terrorismus, Migration, Krieg vorbereitet? In der jüngsten der seit 26 Jahren veröffentlichten Sicherheitsstudie der ETH und Militärakademie beurteilen 87 Prozent der Befragten (7 Prozent mehr als 2023) die weltpolitische Lage so pessimistisch wie noch nie seit Messbeginn. Noch sind aber 79 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer optimistisch in Bezug auf die Zukunft der Schweiz. 82 Prozent (plus 4 Prozent) halten die Armee für notwendig und zählen die Katastrophenhilfe, die Verteidigung im Angriffsfall und die Verhinderung von Terrorismus zu ihren wichtigsten Aufgaben.

Viele wissen nicht oder wollen nicht wahrhaben – so Andreas Bölsterli –, dass gegen unser Land und sensible Infrastrukturen und Institutionen schon lange Spionageaktionen und ein Informationskrieg im Gang sind. Aber der Schweiz fehlen die Mittel, um die systematische Beeinflussung im Informationsraum zu erkennen, ihre Urheberschaft zu ermitteln und darauf zu reagieren. Während auf Stufe Gemeinden-Kantone ein funktionierendes Sicherheitsverbundnetz besteht, ist die Führung auf Stufe Bund – vom Nachrichtendienst abgesehen – nicht bereit. Zum Beispiel ist der automatische Datenaustausch der kantonalen Polizeikorps wegen verschiedener Systeme unmöglich.

Die bei der Armee in den letzten 30 Jahren eingesparten 50 Milliarden Franken haben laut Ex-Divisionär Bölsterli zu gravierenden Ausrüstungslücken geführt. Wichtige Kampftruppen verfügen nicht mehr oder nur noch teilweise über die erforderlichen Hauptwaffensysteme. Während andere Länder angesichts der verschärften Bedrohung ihre Armeeausgaben bis auf zu vier Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) erhöhten, streitet die Schweiz darüber, ob sie sich ein BIP-Prozent 2030 oder erst 2035 leisten will. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs vor rund 950 Tagen habe unser Land konkret nichts zur Verstärkung der Verteidigungsfähigkeit getan, stellte Andreas Bölsterli fest.

Risikofaktor Mensch
Der zunehmende Digitalisierungsgrad bietet immer grössere Angriffsflächen für Cyberkriminalität. Die Möglichkeiten für Cyberangriffe auf Privatpersonen und Unternehmen sind vielzählig, wie der IT-Spezialist und Inhaber einer Security-Firma, Maurizio Galati, aufzeigte. Er legte dar, welche Gruppen hinter solchen Attacken stecken – von gelangweilten Einzeltätern bis zu organisierten Verbrecherbanden und staatlich gelenkten Spezialdiensten –, über was für Ressourcen sie verfügen, mit welcher Raffinesse sie vorgehen und was für immense volkswirtschaftliche Schäden sie anrichten. Eindrücklich war ein Livebild über aktuell im Gang befindliche Cyberattacken rund um den Erdball, das der Referent auf die Leinwand projizierte. 76 Prozent der Cyberkriminellen haben Erfolg.

Maurizio Galati schilderte, wie sich Risiken vermindern lassen – beispielsweise sorgfältig mit Passwörtern umgehen, regelmässig Updates erstellen, gegenüber unbekannten Usern grundsätzlich vorsichtig sein, bei Phishing-Attacken nie Links direkt anklicken. Vor allem KMU, riet er, sollten die Mitarbeitenden immer wieder für Cybergefahren sensibilisieren – denn der grösste Risikofaktor sei der Mensch – sowie vorsorgliche Schadensstrategien entwickeln und im Schadensfall mit professioneller Unterstützung nach der Verursacherquelle suchen.

Kriminelle Maschen
Einen Kratten voll Tipps, wie man sich im privaten und öffentlichen Bereich gegen Straftaten wappnen kann, schüttete Urs Leuthard aus seiner ­reichen polizeilichen Erfahrung aus. Dazu verwies er auf die gegenüber früher umfangreicheren kriminellen Maschen. Im Aargau wurden letztes Jahr 33 647 vom Gesetz erfasste ­Straftaten verübt. Während die Einbruchdiebstähle im Wohn- und Geschäftsbereich sanken, nahmen die Einschleichdiebstähle in Garagen, Kellerabteile sowie die Diebstähle aus Fahrzeugen massiv zu – häufig durch eine Täterschaft mit Migrationshintergrund aus Maghreb-Staaten. Zu oft wurde ihnen die Tat durch nicht abgeschlossene Fahrzeuge und Räume erleichtert.

Urs Leuthard riet, wachsam zu sein bei grösseren Menschenansammlungen, kritisch zu sein gegenüber fremden Leuten, sich besonders mit Personen unter Alkohol- und Drogeneinfluss nicht in Diskussionen einlassen, nachts dunkle Stellen meiden. Und bei Attacken im öffentlichen Raum ruhig bleiben, aufrechte Körperhaltung einnehmen, Blickkontakt halten, das Gegenüber laut ansprechen, aber nicht den Helden spielen. Das aktuelle Thema Sicherheit sei an diesem Abend zielführend erörtert worden, bilanzierte Co-Bezirksparteipräsidentin Martina Sigg – natürlich auch aus Schinznach. Sie bat gleichzeitig um Unterstützung der FDP-Petition für Massnahmen gegen die Drogenszene in Brugg-Windisch.