Werner Hartmanns Lebenslicht erlosch leise im Sanavita-Pflegezentrum Lindenpark in Windisch. Eine Alzheimer-Demenz entrückte ihn allmählich der Gegenwart. Sein Hinschied wurde von der Öffentlichkeit und den Institutionen, denen er lang gedient hatte, kaum mehr wahrgenommen. Das mochte an der introvertierten, bescheiden-nüchternen Art des Verstorbenen liegen – die allerdings seinen trockenen Humor verdeckte –, aber auch daran, dass die Pensionierung schon 30 Jahre zurücklag. Er war nie ein Mann vieler Worte, sondern versuchte ohne Umschweife zum Wesentlichen zu gelangen.
Von 1963 bis 1969 war Werner Hartmann Brugger Stadtschreiber und von 1969 bis 1992 Präsident des Bezirksgerichts. Mit seinem Dienst für die Öffentlichkeit setzte er eine Familientradition fort. Der Vater war Chefbeamter in der Stadt Lenzburg und der Grossvater – schon vor dem Mündigkeitsalter von 20 Jahren – Gemeindeschreiber in Villnachern. Die Hartmanns stammten aus dem Restaurant Kastanienbaum in Villnachern.
Im Dienst der Öffentlichkeit
Werner Hartmann wurde 1927 in Lenzburg geboren. Bis etwa zum 14. Altersjahr sei er ein fröhliches und sehr initiatives Kind gewesen, notierte er in seinen Lebenserinnerungen. Dann habe er viel zu lesen begonnen und sei, aus welchen Gründen wisse er nicht mehr, ernster und skeptischer geworden. Nach der Bezirksschule belegte er das Gymnasium mit Latein Typus B der Kantonsschule Aarau. Er leistete als Schüler während des Zweiten Weltkriegs in den Ferien Fliegerbeobachtungs- und Meldedienst. Die Entbehrungen der Kriegsjahre blieben ihm zeitlebens bewusst. Deshalb ärgerte er sich über späteres Gemecker an der Aktivdienstgeneration.
Nach der Matura studierte Werner Hartmann an der Universität Zürich Jurisprudenz. Während zweier Trimester immatrikulierte er sich an der Universität London und an der Anwaltsschule Inns of Court. Dort schrieb er seine Dissertation «Der Trust im englischen Recht» für die Promotion zum Dr. iur. Durch Praktika am Bezirksgericht Lenzburg und beim umtriebigen Wohler Anwalt Karl Albert Kuhn (KAK) erlangte er das Fürsprecherpatent. Danach trat er in den Rechtsdienst der Bundesanwaltschaft ein. In Bern lernte er seine Gattin, die Lehrerin Marianne Moser, kennen. Das Paar bekam drei Kinder. Anfang 1963 übernahm er das Amt des Brugger Stadtschreibers.
In grosse Fussstapfen getreten
Werner Hartmann wurde Nachfolger des langjährigen Stadtschreibers Hans Riniker, einer Legende im Stadthaus und im öffentlichen Leben Bruggs. Und mit der Wahl zum Bezirksgerichtspräsidenten trat er in die Fussstapfen des zum Oberrichter gewählten, hoch angesehenen Juristen Albert Killer. Er wurde den hohen Ansprüchen in beiden Ämtern gerecht. Als Stadtschreiber erlebte er zwei wegweisende Beschlüsse: die Zustimmung zur Einführung des Einwohnerrats am 6. April 1964 sowie zur Fusion von Brugg und Lauffohr im April 1969. Hinzu kamen Nebenaufgaben wie das Aktuariat des Gemeindeverbands während des Baus der Regionalkläranlage und des Sammelkanals Brugg-Windisch-Birrfeld.
Am 1. Juni 1969 wurde Werner Hartmann zum Gerichtspräsidenten gewählt. Ein Fachkräftemangel beim Personal erschwerte seine Anfangszeit. Auch Gerichtsschreiber waren zeitweise Mangelware. Trotz der hohen Arbeitsbelastung bemühte sich der Präsident, die belastende Zeit für Klienten bis zum Erhalt beispielsweise eines Kinderzuteilungs- oder Strafentscheids möglichst kurz zu halten. Auch Anwälte von Beklagten würdigten seine zügige Arbeitsweise und die gelassene Atmosphäre in Gerichtsverhandlungen.
Bilanz eines reichen Lebens
Werner Hartmann amtete ab Herbst 1971 ebenfalls als Obmann des Brugger Arbeitsgerichts und während einiger Jahre als Ersatzrichter am kantonalen Handelsgericht. Daneben versah er eine Reihe weiterer Ämter, zum Beispiel das Präsidium des Schulrats und der Kulturgesellschaft des Bezirks Brugg – dieser einst honorablen Institution, die nach 205 Jahren 2020 aufgelöst wurde. Zudem wirkte er im Vorstand der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Aargau und des Aargauischen Juristenvereins sowie als Vizepräsident im Stiftungsrat der Aargauischen Sprachheilschule mit.
Nach der Pensionierung widmete sich Werner Hartmann sportlichen Betätigungen, dem Wandern, Bergtouren, dem Langlaufen sowie der Literatur und der Familie mit sechs Grosskindern. Den Lebensabriss für seine Liebsten beendete er mit den Worten: «Ich glaube, ich darf sagen: Ich habe gelebt.»