Wettingen hat ein Problem. Als Wohngemeinde, die weiterhin attraktiv bleiben will, muss die Gartenstadt an der Limmat in den nächsten Jahren grosse Investitionen – insbesondere in Schulbauten – stemmen. Was dazu weitgehend fehlt, ist Eigenkapital. Dieses lässt sich auch mit grosser Budgetdisziplin kaum ansparen – höhere Steuereinnahmen tun not. Den Steuerfuss anheben: Damit sind Gemeinde- und Einwohnerrat in den letzten fünf Jahren jedoch zwei Mal in Volksabstimmungen gescheitert.
Für einen neuen Anlauf im Rahmen des Budgets 2025 beschreitet der Gemeinderat einen neuen Weg. Zusätzliche 3 Steuerprozentpunkte sollen während sieben Jahren ausschliesslich für eine Vorfinanzierung des geplanten Oberstufenzentrums erhoben werden. Vizeammann Markus Maibach zeigte sich in der Einwohnerratssitzung als Finanzvorstand der Gemeinde überzeugt, mit diesem Vorgehen gute Argumente für die obligatorische Volksabstimmung zu haben: «Der Steuerfusserhöhung steht nicht ein Schuldenabbau, sondern eine Investition gegenüber, die für die Bevölkerung einen Mehrwert darstellt.» Generell gegen höhere Steuern sprach sich die SVP aus. Ihrem Sprecher Peter Lütolf fehlt es an einer Garantie, dass die zusätzlichen Einnahmen ausschliesslich dem Schulhausbau zufliessen. «Ich will ein definitives Preisschild für das Oberstufenzentrum und keine Vorfinanzierung», so sein Votum. Seine Partei weise deshalb das Budget zurück.
«Finanzielles Kartenhaus»
Begeisterung über Budget und Finanzplan zeigte im Ratssaal niemand – besonders Markus Zoller namens der Fraktion Mitte/EVP nicht. Im Finanzplan, der Ausgaben, Einnahmen und Schuldenentwicklung der nächsten Jahre prognostiziert, sah er angesichts der vielen Unsicherheiten ein «finanzielles Kartenhaus». Auch mit dem Steuerzuschlag steige die Pro-Kopf-Verschuldung Wettingens bis 2031 von 6000 auf 9500 Franken. Zollers Hauptkritikpunkt: «Nur wenn die Rechnung 2025 ohne Minus schliesst, können die 1,65 Millionen Franken Mehreinnahmen der Vorfinanzierung des Oberstufenzentrums zugeführt werden.»
Diese Gefahr sah ebenfalls Judith Gähler von der FDP. Aber genau diese Vorschrift mache das Konstrukt der Vorfinanzierung zu einer Schuldenbremse – zwinge die Gemeinde zu Ausgabendisziplin. «Niemand zahlt gern mehr Steuern», stellte Orun Palit (GLP) fest. Begründe man die Erhöhung aber mit einem konkreten Projekt, habe sie in der Volksabstimmung eine gute Chance. «Eine gute Infrastruktur kostet. Wir können die nötigen Investitionen nicht stemmen, ohne Einnahmen zu generieren», sagte Julien Grundisch (SP/Wettigrüen). Eine Steuererhöhung sei zwingend
Wie beurteilt die Finanzkommission (Fiko) die Lage? Deren Präsident Adrian Knaup (SP): «Über die gesamte Finanzplanperiode wird ein durchschnittlicher Selbstfinanzierungsgrad von 56 Prozent ausgewiesen. Das ist klar ungenügend. Um eine höhere Selbstfinanzierung zu erreichen, braucht es weitere Anpassungen
beim Steuerfuss.» Die Fiko sehe jedoch davon ab, die Einnahmenseite zusätzlich zu stärken, sei es mit einer regulären Steuerfusserhöhung oder einer höheren Vorfinanzierung.
1 Prozent mehr Lohn
In der Detailberatung des Budgets stellte die Fraktion SP/Wettigrüen den Antrag, die Lohnsumme für 2025 nicht – wie im Voranschlag vorgesehen – um 1, sondern um 2 Prozent anzuheben. Das lehnte der Rat mit 13 gegen 32 Stimmen ab. In den Schlussabstimmungen befürworteten 39 Einwohnerrätinnen und -räte eine Vorfinanzierung des Oberstufenzentrums, 6 sagten dazu Nein. Für das Budget 2025 mit einer Steuerfusserhöhung von 95 auf 98 Prozent, wovon 3 Prozent für die Vorfinanzierung reserviert sind, gab es 38 Ja- und 7 Nein-Stimmen. Das letzte Wort haben am 24. November die Stimmberechtigten.