Manchmal benötigt es neue, frische Herangehensweisen oder eine ungewöhnliche Idee, um das letzte Quäntchen herauszukitzeln, das es für den Erfolg im Spitzensport braucht. Genau darum – um diese Kreativität, die im Spitzensport nicht offensichtlich präsent ist, um den Mut, Dinge anders anzugehen als alle anderen vorher – ging es bei der diesjährigen Ausgabe des Sportforums Aargau, zu der die IG Sport Aargau ins Wettinger Tägi eingeladen hatte. Deren Präsident Jörg Sennrich zeigte sich in der Begrüssung erfreut darüber, dass es den Veranstaltenden gelungen war, vier Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen für die Impulsreferate zu gewinnen. Eröffnet wurde der Reigen vom Aargauer Weltklasse-Orientierungsläufer Matthias Kyburz. Der Rheinfelder Orientierungsläufer hat in dieser Sportart praktisch alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
Die Herausforderung gemeistert
Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung entschied er, die Sportart temporär zu wechseln und sich im Marathon zu versuchen. Nach 15 Jahren Orientierungslauf und acht Weltmeistertiteln beschloss er, diesen Abstecher zu machen und für ein wenig Abwechslung als Spitzenathlet zu sorgen. Ausführlich beschrieb Matthias Kyburz in seinem Referat die Trainingseinheiten, vorab an seinem aktuellen Wohnort, auf dem Flugplatz Belp, wo er während der viermonatigen Vorbereitungszeit bis zum Marathon an den Olympischen Spielen in Paris anzutreffen war. Dort zeigte Matthias Kyburz ein starkes Rennen. Mit einer Zeit von 2 Stunden, 11 Minuten und 32 Sekunden beendete er den Olympia-Marathon auf dem 30. Rang. Auf den Sieger Tamirat Tola aus Äthiopien büsste er lediglich 5 Minuten und 6 Sekunden ein. Die Frage der Moderatorin Karin Zimmermann, ob er künftig zweigleisig unterwegs sein werde, bejahte Kyburz prompt.
Isabelle Pulver – die Weltmeisterin
Ultracycling bedeutet, sehr lange Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen. Das ist die Stärke und die Leidenschaft der Wetzikerin Isabelle Pulver, die im November ihren 54. Geburtstag feiert. Letztes Jahr bestritt Isabelle Pulver zum dritten Mal das Race Across America. Diese Wettfahrt führt durch 14 US-Bundesstaaten und vier Zeitzonen vom Pazifik an den Atlantik. Auf der rund 5000 Kilometer langen Strecke durch die Wüsten von Arizona, über die Pässe der Rocky Mountains und der Appalachen bis zu den Weiten von Kansas wird möglichst wenig geschlafen und mehr oder weniger rund um die Uhr gefahren. Dabei müssen insgesamt etwa 52 000 Höhenmeter bewältigt werden.
Eindrücklich erläuterte Isabelle Pulver ihre Strategie gegen die Müdigkeit, hat sie doch während der Querung des nordamerikanischen Kontinents nur gerade fünf Schlafpausen zwischen 90 und 120 Minuten eingelegt, auf dem Fahrrad die Zähne geputzt und den stündlichen Bedarf von 400 bis 500 Kalorien in flüssiger Form zu sich genommen. Nach 9 Tagen, 11 Stunden und 6 Minuten überschritt sie am 23. Juni 2023 in City Dock, Annapolis, im Bundesstaat Maryland die Ziellinie. Dabei liess sie alle hinter sich und konnte zum zweiten Mal, auch dank der hervorragenden Unterstützung durch ihr Team, das härteste Velorennen der Welt für sich entscheiden.
Den Abschluss des ersten Teils bestritt der aus Deutschland stammende, preisgekrönte Mentalmagier Christoph Kuch. Es gelang ihm, das Publikum mit einer Mischung aus Illusion, Gedankenlesen und magischer Unterhaltung zu verzaubern.
Olympia-Talk mit einem starken Trio
Die Verpflegungspause wurde genutzt, um sich auszutauschen und über das Gehörte zu diskutieren. Dann war es so weit: Mit Chiara Leone, Profischützin aus Frick, die an ihren ersten Olympischen Spielen mit Gold brillierte, Aline Seitz, Bahnradfahrerin aus Buchs, die in Paris zum ersten Mal auf der ganz grossen Bühne stand, und der in Hottwil wohnenden Ilaria Olgiati-Renggli, die sich bei den Paralympics im Rollstuhlbadminton die Bronzemedaille erkämpfte, interviewte Karin Zimmermann drei äusserst erfolgreiche Sportlerinnen. Dabei war viel Wissenswertes über ihre Erfahrungen, die Erfolge und ihre Zukunftspläne zu erfahren. «Es war überraschend, dass es mir gelungen war, mich durchzusetzen und starke Gegnerinnen zu bezwingen. In der Hoffnung, dass ich gesund bleibe, bereite ich mich nun auf die Europameisterschaft vor», so Ilaria Olgiati-Renggli.
Chiara Leone hat sich zum Ziel gesetzt, an den kommenden Wettkämpfen teilzunehmen und sich nach dem Erfolg in Paris in der Weltrangliste zu etablieren. Aline Seitz, die ihre Freude am Radfahren schon früh entdeckt hat, reist heute an Bahnrennen auf der ganzen Welt. «Ich gebe jeden Tag mein Bestes, um meine Ziele und Träume zu erreichen», erklärte die erfolgreiche Sportlerin.
Unsere Gene – unsere Talente
Den informativen Anlass rund um den Sport beschloss Markus Hengstschläger, Professor für Genetik an der Medizinischen Universität Wien. In seinen bisweilen mit treffenden Pointen gespickten Aussagen betonte er die Bedeutung der Lösungsbegabung. Diese beinhaltet die Fähigkeit, für Herausforderungen Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Er veranschaulichte den für die Gesellschaft schädlichen Mangel derselben mit einem Beispiel aus der Erziehung. Den Satz «Talente hat man oder eben nicht» bezeichnete Hengstschläger als genetische Ausrede, mit der Verantwortung auf andere übertragen werde. Weil man sich einrede, in einem Gebiet über kein Talent zu verfügen, fühle man sich auch für die Lösung jedweder Probleme in diesem Bereich nicht zuständig. Seine Ausführungen wurden mit lang anhaltendem Applaus bedacht.