Fulminanter Abschluss eines Kapitels

Die Jubiläumskonzerte am 23. und 24. November gehören zu den grössten Konzerten in der Geschichte des Singkreises und sind ein Wendepunkt.
Seit 50 Jahren verbindet der Wettinger Singkreis Menschen durch gemeinsames Musizieren. (Bilder: zVg)

Der Singkreis Wettingen feiert 2024 sein 50-jähriges Bestehen. Gegründet wurde er 1974 von Ruth Fischer und ehemaligen Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Wettingen, wo der Chor heute noch wöchentlich probt. In Zeiten des Chorsterbens – vor allem nach Corona – erfreut sich der gemischte Wettinger Chor konstanter Beliebtheit. Das liegt auch am Dirigenten Jonas Ehrler, der in Wettingen geboren ist und den Chor mit einem Unterbruch seit 2013 leitet. «Es ist mir ein grosses Anliegen, dass der Wettinger Singkreis ein lebendiger Chor bleibt», bekräftigt Ehrler. «Gerade während der Pandemie haben wir alles Erdenkliche getan, um trotz allen Einschränkungen zu proben, ob mit Sicherheitsabstand oder später online.» Diesen Bemühungen schreibt es Ehrler zu, dass der Singkreis Wettingen nach der Pandemie wieder durchstarten konnte und keine Mitglieder verlor. «Im Gegenteil: Weil einige Chöre in der Region eingingen, hatten wir sogar Zulauf», erklärt Ehrler. Gegenwärtig zählt der Chor rund 60 Sängerinnen und Sänger.

Doppeltes Jubiläum
Zum 50-Jahr-Jubiläum haben sich Ehrler und die Mitglieder des Singkreises eine besondere Produktion vorgenommen. Der Chor wird das Oratorium «Le Laudi di San Francesco d’Assisi» des Schweizer Komponisten Hermann Suter aufführen. Das Werk wurde 1924 uraufgeführt – also genau vor 100 Jahren. «Es ist die grösste Produktion, die sich der Wettinger Singkreis je vorgenommen hat», so Ehrler. Um Suters Werk auf die Bühne zu bringen, hat sich der Singkreis die Unterstützung von zwei weiteren Chören und etwa 60 professionellen Musikerinnen und Musikern gesichert. «Insgesamt werden beinahe 200 Menschen auf der Bühne stehen.»

«Le Laudi», basierend auf dem «Sonnengesang» von Franz von Assisi, reflektiert Suters spätromantischen Stil und bringt seine Nähe zu Johannes Brahms zum Ausdruck. Zweimal bringt der Singkreis das Programm in der Kirche St. Anton in Wettingen zur Aufführung. Hermann Suter (1870 bis 1926) war neben Friedrich Hegar und Hans Huber einer der bedeutendsten Vertreter der Schweizer Musik an der Wende zum 20. Jahrhundert und hauptsächlich in seiner Wahlheimat Basel sehr aktiv. Er war Leiter des Basler Gesangvereins und der Liedertafel sowie verantwortlich für die Basler Sinfoniekonzerte und drei Jahre lang Direktor des Konservatoriums in Basel. Inspiriert von Brahms und romantischen Idealen, erschuf Suter zahlreiche Werke, die auch ein internationales Publikum erreichten und erreichen.

Der Jubiläumsauftritt des Wettinger Singkreises verspricht, ein aussergewöhnliches musikalisches Erlebnis zu werden. «Und natürlich hoffen wir, dass die Kirche zweimal voll besetzt ist», ergänzt Ehrler. Weil dieses umfassende Programm hohe Kosten verursacht, hat der Singkreis eine Crowd­funding-Aktion gestartet. Wer den Chor bei seinem Jubiläumsprojekt unterstützen möchte, kann das noch bis zum 11. November auf der Website des Vereins tun.

Vorbereitung auf den Abschied
Nach den Jubiläumskonzerten kann sich der Wettinger Singkreis aber nicht lang ausruhen, denn vor zwei beziehungsweise einem Monat hat Ehrler erst dem Vorstand und dann den Mitgliedern eröffnet, seine Stelle als Dirigent nächstes Jahr niederlegen zu wollen. Die Entscheidung, den Wettinger Singkreis zu verlassen, sei ihm nicht leicht gefallen. Über ein Jahrzehnt hinweg baute der freischaffende Dirigent eine besondere Beziehung zu dem Chor auf, auch weil die Arbeit mit den engagierten Laien einen willkommenen Kontrast und einen Ausgleich zu seiner üblichen Arbeit in der Welt der Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker darstellt. Ausdruck dieser besonderen Nähe ist zudem, dass Ehrler, der inzwischen in Lausanne wohnt, für die Chorproben und Aufführungen extra anreist. «Der Chor hat mir 2013 als blutjungen Dirigenten eine Chance gegeben. Das war nicht selbstverständlich», betont er. Trotzdem sei die Zeit für einen Wechsel, ein neues Kapitel gekommen. «Für viele, die schon länger im Chor sind, kam meine Ankündigung wahrscheinlich nicht gänzlich überraschend. Mir war es wichtig, von Anfang an alle Beteiligten einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass die Nachfolgeregelung möglichst gut gelingen kann.»

Dirigent Jonas Ehrler. (Bild: zVg)

So bleibt Ehrler dem Wettinger Singkreis nach den Jubiläumsaufführungen noch eine Weile erhalten. Seine letzten Konzerte mit dem Chor wird Ehrler im September 2025 dirigieren. Inzwischen hat der Vorstand des Vereins Singkreis Wettingen begonnen, die Nachfolge des langjährigen Dirigenten zu planen, um nächstes Jahr eine reibungslose Übergabe zu gewährleisten. Wer Jonas Ehrler und den Wettinger Singkreis auf dem Höhepunkt ihres gemeinsamen Schaffens erleben will, hat anlässlich der Jubiläumskonzerte in zwei Wochen Gelegenheit dazu.

Samstag, 23. November, 19.30 Uhr
Sonntag, 24. November, 17 Uhr
Kirche St. Anton, Wettingen
wettinger-singkreis.ch