Schönes, Wüstes und Vergessenes

Der Sprachforscher Hans-Peter Schifferle gibt in Würenlingen einen Überblick über die Mundarten der Region und sprachliche Eigenheiten.
Im Jahr 2021 war Hans-Peter Schifferle schon einmal in der Dorfschüür Würenlingen zu Gast, damals erklärte er Würenlinger Zu- und Übernamen. (Bild: zVg)

Unter dem Titel «Wör(e)linger Tütsch» lädt der Kulturkreis Würenlingen am kommenden Donnerstag zum Vortrag des Dialektexperten Hans-Peter Schifferle ein. Die Bezirksgrenze zu Brugg, an der Würenlingen liegt, ist zugleich eine Dialektgrenze. «Dass die Berner 1415 einen Teil des heutigen Aargaus eroberten, ist bis heute in den Dialekten des Berner Aargaus hörbar», sagt Schifferle. Zwischen Murgenthal und Villigen sage man zum Beispiel «mir mache, ihr mached, sie mache». In Würenlingen wie im restlichen Bezirk Baden und im Zurzibiet hingegen enden alle drei Pluralformen auf «-ed». Also «mir mached, ihr mached, sie mached». Dieses Prinzip werde auch auf neue Wörter übertragen, erklärt Schifferle. Wenn Jugendliche also sagten, sie gingen jetzt chillen, heisse das in Würenlingen oder Baden «mir chilled», in Aarau oder Brugg aber «mir chille».

Aufzeichnungen von 1946
Grundlage für den Vortrag in der Dorfschüür ist – neben Schifferles eigenen Forschungen – auch der Sprachatlas der deutschen Schweiz, der ab 1962 in acht Bänden erschienen ist. «Er ist eine reichhaltige Quelle für meine Präsentation zum Würenlinger Deutsch», erklärt Schifferle, denn im Sprachatlas ist die Mundart von zwei Würenlinger Gewährspersonen festgehalten, einem Mann und einer Frau. Ein ausgebildeter Sprachwissenschaftler hat sie im Winter 1946 während einer ganzen Woche ausgiebig befragt und das Gehörte phonetisch genau aufgeschrieben. Über die Ergebnisse dieser Befragung wird Schifferle in der Dorfschüür detailliert berichten. «Ich werde das Würenlinger Deutsch aber nicht isoliert beschreiben, sondern eingebettet in die Mundart der näheren und weiteren Umgebung», sagt Schifferle. Der 70-jährige gebürtige Döttinger, dessen Mutter aus Lengnau stammt, hat sich sein ganzes Berufsleben lang und über die Pension hinaus mit der schweizerdeutschen Sprache befasst. Er war Chefredaktor des «Schweizerischen Idiotikons», des Wörterbuchs der schweizerdeutschen Sprache, und hat viele wissenschaft­liche Arbeiten zur Sprache seiner engeren Heimat verfasst. Seine Dissertation trägt den Titel «Dialektstrukturen in Grenzlandschaften. Untersuchungen zum Mundartwandel im nordöstlichen Aargau und im benachbarten südbadischen Raum Waldshut». Für diese Arbeit hat er Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre gut 140 junge und alte Personen aus Leibstadt, Koblenz, Döttingen, Tegerfelden, Endingen und Lengnau sowie aus Waldshut und Umgebung befragt.

«Wörlinger» oder «Wörelinger»
Beim Vortrag in Würenlingen geht es ausserdem darum, die Mundart des Dorfs mit der Sprache der Nachbarorte zu vergleichen. «Da gibt es einiges zu entdecken und zu erinnern, nicht nur für Einheimische», sagt Schifferle und verspricht Schönes und Wüstes, Lustiges und vor allem Vergessenes. Unter anderem geht es um Wörter, die so nur aus Würenlingen bekannt sind: wie zum Beispiel Tücheltätsch (Löwenzahn) oder Heulitünne (eine Quiche). Weiter wird sich Schifferle zur Frage äussern, ob es denn richtig «Wörlinger» oder «Wörelinger» heissen muss. Ein Thema, über das im Dorf ab und zu diskutiert wird. 

Das Publikum wird zudem Gelegenheit erhalten, Fragen zu stellen. Beim Apéro zum Abschluss wird dann übrigens zu einem Glas Würenlinger Wein auch Heulitünne aus der Dorfbäckerei gereicht.

Donnerstag, 21. November, 19.30 Uhr
Dorfschüür, Dorfstrasse 35, Würenlingen