Jahrhunderte der Dorfgeschichte

Bevor ein seit Jahrzehnten unbewohntes Haus in Würenlingen saniert wird, nahm es die Kantonsarchäologie genau unter die Lupe.
Reto Bucher von der Kantonsarchäologie mit Bauherrin Alexandra Straub vor dem «Rächemacher»-Haus. (Bild: chr)

Es war zu einer Zeit, als die meisten Häuser im Aargau noch mit Stroh gedeckt waren. Bei einer verheerenden Brandkatastrophe – wegen Brandstiftung – ging im Jahr 1790 praktisch das ganze Würenlinger Oberdorf in Flammen auf. In den Jahren danach wurden viele Häuser wieder aufgebaut oder neu erstellt. Dazu gehörte das Haus der Familie Bächli, die im Dorf auch «Rächemacher» genannt wurde, weil sie in ihrer Werkstatt Rechen herstellte. Der Kern dieses Hauses am Baderweg 2 stamme aus dem Jahr 1791, wie Reto Bucher, Mitarbeiter der Kantonsarchäologie, erklärt. Dendrochronologische Untersuchungen zeigen, dass die Bäume für die ältesten Balken des Riegelbaus in diesem Jahr geschlagen wurden.

Historische Ofenkachel
«Von aussen hat das Haus eine einheitliche Fassade», sagt Bucher. Diese sei typisch für das frühe 20. Jahrhundert. In der Substanz sei aber gut erkennbar, dass das Haus in Etappen erstellt und immer wieder umgebaut worden sei. Der Kernbau aus dem Jahr 1791 mit einem Korridor in der Mitte, der über eine Aussentreppe zugänglich sei, sei bereits 1795 mit einem Anbau, einem eigentlichen Bauernhaus, erweitert worden. Da und dort kamen noch ältere Teile zum Vorschein. «Im Ofen war eine Kachel aus dem 15./16. Jahrhundert verbaut», sagt Bucher, das sei ein interessanter Bezug zu den mittelalterlichen Töpferöfen, die ganz in der Nähe gefunden worden seien. Auch an anderen Orten wurden alte Bauteile wiederverwendet, wie zum Beispiel in die Riegelwände eingebaute Dachziegel.

Als letzter Vertreter der «Rächemacher» wohnte in den 1990er-Jahren Gottlieb Bächli hier. Danach waren Teile des Hauses noch vermietet. Nachdem es vorübergehend im Eigentum des benachbarten Altersheims Wirnavita gewesen war, kaufte Ale­xandra Straub im Jahr 2020 die Liegenschaft. Zusammen mit ihrem Mann Frank Straub, der Bauingenieur ist, sowie einem Architekten hat Ale­xandra Straub ein Projekt entwickelt, damit das Haus aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Zuerst musste muldenweise altes Material abgeführt werden, das sich über Jahrzehnte angesammelt hatte. In den Decken wurden sogar mumifizierte Marder und Katzen gefunden.

Vier Wohnungen, ein Gast­lokal
Wegen verschiedener Vorgaben des Kantons und einiger Einsprachen verzögerte sich der Umbau. «Hier direkt am Waldrand und neben dem Dorfbach zu bauen, der in einer Röhre unter dem Baderweg vorbeifliesst, ist nicht einfach», sagt Frank Straub. Seit diesem Sommer liegt nun die Baubewilligung für ein reduziertes Projekt vor: Im Haupthaus sind eine 4½-Zimmer-Maisonettewohnung, eine 4½-Zimmer-Dachwohnung sowie zwei 2½-Zimmer-Wohnungen geplant. Im Aussenraum sind Sitzplätze vorgesehen, teilweise separat für einzelne Wohnungen, teilweise zur Nutzung für alle Hausbewohner. 

In der Scheune wurden in den letzten Wochen zwei Erdsonden über 200 Meter in den Grund getrieben, für die künftige Heizung mit Wärmepumpe. Die Bauarbeiten im Haupthaus sollen Anfang 2025 starten. «Wir rechnen mit einer Bauzeit von etwa 15 Monaten», sagt Alexandra Straub, «und es haben sich schon erste Interessenten gemeldet, die hier gern eine Wohnung mieten würden.» 

«Für uns ist ein solches Projekt ein Glücksfall», sagt Archäologe Reto Bucher. Einerseits, weil für die Untersuchungen ausreichend Zeit zur Verfügung steht, andererseits, weil die Bauherrschaft daran interessiert ist, schonend mit dem Altbau umzugehen und Teile davon zu erhalten.