Früher Sängerin – heute Tanzschulleiterin

Mariella Farré gewann ein Songfestival in Südkorea und betreibt seit 35 Jahren erfolgreich zwei Tanzschulen in Brugg und Wohlen.
Die Künstlerin vertrat zweimal die Schweiz am Eurovision Song Contest. (Bild: zVg)

Über 200 Mitwirkende standen am 16. und 17. November auf der grossen Bühne des Gemeindesaals Möriken und zeigten im fulminanten, revue­artigen Showspektakel «Dreamers», was sie in Mariella Farrés Danza­zentren in Brugg und Wohlen alles gelernt haben. Dem Publikum bot sich ein Feuerwerk aus Jazzdance, Contemporary, Hip-Hop, Streetdance, Ballett und Latin, dargeboten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die Unterricht bei Mariella Farré und ihrem Team nehmen. Eine besondere Augenweide waren die farbenprächtigen Kostüme. Und die Tanzschulleiterin trat sogar selbst als Sängerin und Tänzerin auf. Ein Highlight – auch wenn sie heute Auftritte lieber anderen überlässt. Über die vielen positiven Feedbacks nach der von ihr konzipierten Show freute sie sich enorm. Nur ein kleines Detail störte sie: «Wegen des fehlenden Gesangsmikrofons war die Akustik nicht optimal. Am 21. und 22. Februar 2025 machen wir das aber wieder gut und zeigen ­‹Dreamers› ohne Beteiligung der ganz kleinen Kinder nochmals im Campussaal Brugg-Windisch.»

First Class nach Seoul
Als Sängerin sieht man die 61-jährige Mariella Farré (bürgerlich Gabriella Ricamato) in letzter Zeit nur noch selten. Das war früher anders: Schon im Teenageralter gewann sie dank ihrer guten Stimme und Bühnenpräsenz zahlreiche Pokale an kleineren Gesangsfestivals. Mit 15 Jahren trat sie in einer Fernsehshow des bekannten Jazzmusikers Bill Ramsey auf, die junge Talente förderte. Den Sieg holte sich ein gewisser, damals noch wenig bekannter Thomas Gottschalk. 1981 gewann Mariella Farré mit dem von Nella Martinetti für sie komponierten Lied «Io così non ci sto» das Seoul Song Festival in Südkorea, an dem sich 27 Nationen beteiligten. «Ich war 18 Jahre alt, durfte First Class fliegen und wohnte in einem Hotel so gross wie eine halbe Stadt. Es war für mich ein unglaubliches Abenteuer», erinnert sich die gebürtige Thurgauerin mit italienischem Vater und Schweizer Mutter. 1983 vertrat sie – ebenfalls mit «Io così non ci sto» –  die Schweiz am Eurovision Song Contest und erreichte den 15. Platz. Zwei Jahre später trat sie mit Pino Gasparini und «Piano piano» nochmals am grössten Musikwettbewerb Europas an und schaffte es auf Rang 12. In dieser Zeit war der Name Mariella Farré in aller Munde. Die attraktive Sängerin erhielt viel Fanpost, darunter zahlreiche Liebesbriefe, Heiratsanträge, aber auch Geldforderungen. «Einige meinten wohl, ich sei durch das Showbiz reich geworden. Aber das war überhaupt nicht der Fall», sagt sie und lacht. 

Jung gefreit – nie gereut
Mit 18 Jahren lernte Mariella Farré ihren Mann, den Musiker Pasquale ­Ricamato, kennen, mit dem sie heute in Hausen lebt. 1990 kam Sohn Remo auf die Welt. Drei Monate trat die multitalentierte Bühnenfrau im Musical «Westside Story» im Zürcher Kongresshaus auf. Es folgte «Keep Cool» mit Marco Rima in Winterthur und Köln. Insgesamt sechs Singles brachte sie in ihrer Sängerinnenkarriere heraus. Doch der ganz grosse Erfolg stellte sich nie ein. Zudem gefielen Mariella Farré das ständige Unterwegssein und das Leben aus dem Koffer zunehmend weniger. «Ich bin ein Familienmensch und sehr gerne zu Hause», bekundet sie. Mariella Farré wollte sesshaft werden. Und sie hatte bei ihren Jazzdance-Kursen, die sie nach einer Tanzausbildung in der Colombo Dance Factory für die Klubschule Migros Baden gab, eine neue Leidenschaft entdeckt: «Ich unterrichte wahnsinnig gern und kann Menschen gut motivieren, zu toller Musik und mit viel Spass ihre Beweglichkeit und Fitness zu steigern.»

Neustart im Effingerhof
Mariella Farré machte ihre Sache richtig gut. Deshalb wollten immer mehr Schülerinnen und Schüler explizit in ihre Klassen. 1989 eröffnete sie deshalb ihre erste eigene Tanzschule an der Schulthess-Allee in Brugg, die sie später Danzazentrum nannte. Gleichzeitig führte sie in der Altstadt einen Laden für Tanz- und Sportbekleidung, den sie nach 18 Jahren wieder aufgab. Denn 2000 kam ein weiteres Danzazentrum in Wohlen dazu. Beide Tanzschulen laufen heute erfolgreicher denn je. «Vor der Jubiläumsshow schrieben sich 34 neue Leute ein, und es kommen laufend Anmeldungen hinzu», sagt sie erfreut. Weil die Immobilie an der Schulthess-Allee abgebrochen werden sollte, zog die Tanzschulleiterin vor knapp fünf Jahren in den Effingerhof und fühlt sich in den frisch umgebauten Räumen wohl. «Das Haus hat eine gute Energie», findet sie. 

So lange es geht
Mariella Farré führte als Erste im Kanton Aargau auch Tanzstunden für Menschen mit Parkinson und anderen Beeinträchtigungen ein. Dafür machte sie eine Ausbildung in Kopenhagen. Zudem gibt sie Workshops bei Jugend + Sport, einem Programm, das junge Menschen durch Sport fördert. Wenn sie darüber erzählt, leuchten ihre stahlblauen Augen. Sie brennt für ihren Beruf: «Das ist mein Leben, und meine Schülerinnen und Schüler sind für mich wie eine Familie», sagt sie. Zukunftswünsche hat sie nur zwei: «Ich hoffe, dass ich lang gesund bleibe und meine Tanzschulen weiterführen kann.» Denn eines weiss sie mit Sicherheit: «Mit 65 Jahren pensionieren lassen werde ich mich bestimmt nicht. Ich mache weiter, solange es geht.»