Die tatsächlichen Lebensjahre erweisen sich heutzutage als kein Kriterium mehr für das «wahre» Alter. Die meisten Menschen sind bis ins hohe Alter engagiert, integriert und aktiv. Ab wann darf man jemanden als Seniorin oder Senior bezeichnen? Und warum wird dieser Begriff oft als negativ angesehen, wo er doch einfach nur «der Ältere» bedeutet und diejenigen auszeichnet, die mehr Erfahrung mitbringen. Am Ende spielt es keine Rolle, ob ältere Menschen sich als Senior, Best Ager oder Golden Ager bezeichnen, das Entscheidende ist, dass sie nach ihren Möglichkeiten aktiv bleiben und gut für sich sorgen.
Yogaausbildung im zweiten Anlauf
Seinen Körper in Bewegung zu halten, ist elementar für das Wohlbefinden. Yoga besteht aus einer Fülle von Übungen, um körperlich und geistig mobil und gesund zu bleiben. Ivana Egloff ist diplomierte Yogalehrerin und -therapeutin und bietet in Baden spezielle Senioren-Yogalektionen an, in denen die Übungen individuell der jeweiligen Konstitution angepasst werden. «Viele meiner Kursbesucherinnen haben mit 70 oder 80 damit angefangen. Sie fühlen sich ruhiger, geschmeidiger und mit der Zeit wieder viel beweglicher als vorher», sagt die 45-Jährige. Es spielt keine Rolle, ob jemand noch auf den Boden sitzen kann oder lieber auf einem Stuhl oder im Stehen an der Wand arbeitet; Ivana Egloff hat für jede Übung Alternativen. Die Berufsfrau mit abgeschlossenem Wirtschaftsstudium stiess selbst nach einer schweren Depression auf die Yogapraxis und konnte auch nach einem Bandscheibenvorfall damit weiterfahren. Ihre Fortschritte machten ihr so viel Freude, dass sie schliesslich eine Ausbildung am Institut für Komplementärtherapie absolvierte. «Das BWL-Studium war ein Kopfentscheid, die Ausbildung zur Yoga- und Komplementärtherapeutin ist eine Herzenssache», sagt sie heute und ist sich sicher, dass sie ihren Beruf noch weit über das Pensionsalter hinaus ausüben will und kann.
Yoga ist ein jahrtausendealtes Übungssystem, das sich ganzheitlich mit dem Menschen beschäftigt. Auf der körperlichen Ebene sind die Übungen kräftigend und bewirken ein positives Lebensgefühl. Auf der psychischen Ebene fördert Yoga die Konzentrationsfähigkeit und wirkt seelisch ausgleichend. «Yogaübungen bringen Ruhe und Klarheit in den Geist. Mit der Zeit kann man sich wieder auf das Wesentliche fokussieren, trotz der vielen Einflüsse, Zwänge und Ablenkungen von aussen», bekundet Ivana Egloff. Wichtiges Element bei den Übungen, die sie in ihren Stunden anleitet, ist die Atmung, denn sie spielt eine entscheidende Rolle im Gesamtsystem des Menschen. Mit jedem Atemzug wird eine bestimmte Bewegung ausgeführt. «Wer das 60 Minuten macht, hat nicht nur den Körper, sondern auch seinen Geist gut vorbereitet auf alles, was auf ihn oder sie zukommt», ist sich die Yogatherapeutin gewiss.
Das Mindset, die Agilität und die Fähigkeit, sich am Leben zu freuen, sind entscheidende Faktoren für Lebendigkeit und Gesundheit. «Viele meiner Kursbesucherinnen stammen aus einer Generation, in der gesellschaftliche Normen grossgeschrieben wurden. Über Gefühle oder Sorgen sprach man nicht, sondern biss auf die Zähne», sagt Ivana Egloff. Bei ihr können die Kursbesucherinnen lernen, alte Muster loszulassen, ganz bewusst auf ihre innere Stimme zu hören und das zu machen, was ihrem Körper und Geist guttut. «Die Sequenzen, die wir üben, müssen auf den eigenen Körper übersetzt und aneinandergereiht werden. Das ist zudem ein ungemein gutes Gedächtnistraining und fördert die kognitiven Funktionen», weiss Ivana Egloff. Sie fände es deshalb sinnvoll, wenn gewisse Yogapraktiken vermehrt in Alters- und Pflegeheimen angeboten würden.
Liebevoll und ohne Druck
Weil der Körper im Alter nicht mehr so schnell regeneriert, wird beim Seniorenyoga wie bei anderen Bewegungsformen besonderes Augenmerk auf die Sturzprävention gelegt. Gleichgewichtsübungen wie beispielsweise der Wechsel vom Fersen- in den Zehenstand sind wesentliche Elemente in den Lektionen von Ivana Egloff. Enorm wichtig ist für sie ausserdem das Beckenbodentraining. «Ein stabiler Beckenboden hilft bei Rückenbeschwerden und Inkontinenzproblemen, die oft mit dem zunehmenden Alter einhergehen.» Ein weiterer positiver Aspekt ihrer Yogaklasse sei die Gemeinschaft in der Gruppe. «Alle können auf ihre eigene Weise und ohne Druck ihren Körper neu entdecken», zeigt sich Ivana Egloff zum Schluss überzeugt.