Pflanzenrettung in der Stadtvilla

Die Bewohnenden der Liegenschaft an der Stapferstrasse in Brugg betreiben seit letztem Jahr eine Pflanzenauffangstation. Diese wird rege genutzt.
Von links: Anna Luisa Ackermann, Lutz Lederle, Louisa Elhamalawi mit Baby Maxim und Fabienne Moerli. (Bild: isp)

«Gegen 40 Zimmerpflanzen leben mit uns zusammen in unserem Stadthaus», erzählt Louisa Elhamalawi, «aber lang nicht alle Pflanzen haben wir selbst gekauft oder angeschafft. 16 Zimmerpflanzen haben wir aufgenommen.» Aufgenommen? Sobald man die heimelige Wohngemeinschaft an der Stapferstrasse betritt, löst sich das Rätsel. Es ist offensichtlich. Hier wohnen Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft teilen: Pflanzen. Lutz Lederle (35) mag Kakteen aller Art, Louisa Elhamalawi (34) mit Baby Maxim schwärmt für Efeututen, Anna Luisa Ackermanns (33) Herz hüpft bei Strahlenaralien, und Fabienne Moerli (25) steht auf den Afrikanischen Milchbaum. Seit einem Weilchen leben die vier in ihrer Wohngemeinschaft, die sie liebevoll die Uhu-WG nennen. Übersetzt heisse das «ums Huus ume», klärt Louisa Elhamalawi später auf. Alle arbeiten tagsüber, teilen sich den Alltag, verbringen zeitweise die Freizeit zusammen und betreiben seit Anfang Mai des letzten Jahres eine private Pflanzenauffangstation.

16 Pflanzen haben Asyl ­gefunden
In der stattlichen Stadtvilla kann man sich kaum sattsehen an den vielen Zimmerpflanzen, die sich auf Fenstersimsen, Gestellen, Regalen, Tischen oder auf dem Boden befinden. So gibt es eine Monstera deliciosa neben einer Goldfruchtpalme, daneben reihen sich Chamaedorea, Dieffenbachie sowie eine Dracaena auf, und weiter drüben entdeckt man einen Philodendron. «Fabienne Moerli, unsere Mitbewohnerin, hatte die Idee der Auffangstation. Wir wollten damit Pflanzen retten, da wir wissen, wie oft diese achtlos einfach weggeworfen werden», sagt Elhamalawi. Am hölzernen Gartenzaun an der Stapferstrasse, der die Stadtvilla umgibt, hängt ein kaum übersehbares Bild mit der Aufschrift «Pflanzenauffangstation: Wir lieben Pflanzen und kümmern uns gern um sie. Wenn du eine Pflanze hast, die du nicht mehr möchtest, schmeiss sie nicht weg – sondern bring sie einfach zu uns». Neben dem Schild ist ein kleine Holzharasse am Zaun montiert, wo Pflanzen deponiert werden können. Die Auffangstation sei nicht nur als Ort der Pflege gedacht, sondern sei auch eine Möglichkeit, das Bewusstsein für verantwortungsvolle Pflanzenpflege und den Wert von Gemeinschaftsprojekten zu stärken. Da es Pflanzen zu niedrigen Preisen in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, wollten die jungen Leute mitunter aufzeigen, dass es durchaus lohnenswert ist, Pflanzen sogar mit optischen Mängeln weiterhin zu pflegen statt sie voreilig wegzuwerfen. Oft erholen sich diese nämlich, wenn man ihnen etwas Zeit und genügend Liebe schenkt. 

Hier können Pflanzen, die man nicht mehr möchte, deponiert werden. (Bild: isp)

Erwartungen wurden weit ­übertroffen
«Die Station wurde weit über unsere Erwartungen hinaus genutzt», berichtet Louisa Elhamalawi erfreut. «Wir stiessen auf grosse Begeisterung und überlegten kurzzeitig sogar, die Aufnahme zu stoppen, da wir so viele und vor allem sehr grosse Pflanzen bekamen. Im Winter wird die Station nach wie vor genutzt. Zwar nicht mehr ganz so rege, aber ab und zu steht etwas drin.» Ausserdem gebe es sehr schöne Begegnungen mit anderen Pflanzenliebhabern. So wie die Geschichte einer älteren Dame, die spontan an der Haustür klingelte und mit sehr netten Worten eine Hortensie vorbeibrachte, oder die Begegnung mit einer Fachperson eines Alterswohnheims, die vorbeischaute und sagte, dass es da diesen wuchtigen Oleander gebe. Dieser habe einer verstorbenen Klientin gehört und sei nun zu verschenken. Weil Pflanzen in Todesfällen meist entsorgt werden, bot man der Wohngemeinschaft an, diese aufzunehmen. So konnte ein Stück Lebensgeschichte dieser verstorbenen Person weitergeführt werden.

Oft werden Ableger gezogen
Personen, die Pflanzen vorbeigebracht oder in der Harasse deponiert haben, wollen diese nicht mehr zurück. Elhamalawi: «Die meisten Pflanzen bleiben bei uns. Viele Zimmerpflanzen werden teilweise in einem sehr schlechten Zustand zu uns gebracht. Wir versuchen, diese artgerecht zu pflegen.» Das nötige Wissen holt sich die Wohngemeinschaft aus der Fachlektüre oder dem Internet. Oft werden Ableger gezogen, die dann zum Teil verschenkt werden. Genauso wie viele doppelte Pflanzen, wie zum Beispiel Orchideen; diese werden gern an Freunde und Bekannte weitergegeben. «Der Umgang mit Pflanzen bedeutet für uns, Atmosphäre zu schaffen. Obwohl wir noch nicht perfekt darin sind und die eine oder ­andere Pflanze nicht retten konnten, können wir uns ständig weiterent­wickeln und dazulernen», sagt Elhama­lawi.