Dem Jubiläum fehlt die Jubilarin

Vor 175 Jahren wurde die Sparkassagesellschaft Brugg gegründet. Das Jubiläum dürfte ihre sechste Nachfolgerin aber kaum interessieren.
Das 1910 zwischen dem Stadthaus und der katholischen Kirche errichtete Verwaltungsgebäude der Aargauischen Hypothekenbank war bis in die 1960er-Jahre der Hauptsitz der Bank. (Bild: Stadtarchiv Brugg)

schaft Brugg und Umgebung am 1. Februar 1850 erwies sich als nachhaltig und erstaunliche Erfolgsgeschichte. Denn aus dem bescheidenen ersten lokalen Geldinstitut entwickelte sich 1873 die Spar- und Leihkasse Brugg, 1910 in die Aargauische Hypothekenbank umbenannt, später die Hypotheken- und Handelsbank und 1989, durch den Zusammenschluss mit der Allgemeinen Aargauischen Erspar­niskasse, die Neue Aargauer Bank (NAB) – die grösste Regionalbank der Schweiz.
Diese bedeutende Position bewahrte die NAB allerdings 1995 nicht vor der Teil- und 2010 nicht vor der vollen Übernahme durch die Credit Suisse (CS), weil sie wegen eines Wertberichtigungsbedarfs von 200 Millionen Franken den nach den neuen Anforderungen der Rechnungslegung verlangten Ausweis an Eigenmitteln nicht erbringen konnte. Zwar blieb die NAB vorerst rechtlich und operativ selbstständig, aber 2020 wurde sie in den CS-Konzern inte­griert und aufgelöst. Vier Jahre später, 2024, passierte der CS dasselbe: Sie wurde von der UBS übernommen. Vor einem Monat zog die UBS in das frühere NAB- und CS-Bankgebäude in Brugg ein – sozusagen als sechste Nachfolgerin der einstigen Sparkassagesellschaft auf dem Platz.

Pfarrer waren die Initianten
Die Errichtung der Sparkassagesellschaft Brugg wurde von der Kulturgesellschaft des Bezirks Brugg auf ­Initiative von Pfarrhelfer Fisch und Pfarrer Märki angestossen. Brugg war spät dran. In jedem anderen Bezirkshauptort existierte bereits eine Sparkasse, ausser in Brugg und Zurzach. Die Stadt konnte den neuen Input brauchen. Sie musste ihren einträglichen Brückenzoll für immer ­aufheben; zudem hatte sich die Bevölkerung an die neue Münzeinheit des Frankens zu gewöhnen, die im Nachgang zur Gründung des schweizerischen Bundesstaats von 1848 eingeführt wurde.
Die Sparkassagesellschaft wollte «Fleiss, Sparsamkeit und Wohlstand fördern». Jeder Spareinleger war Mitglied der Gesellschaft und zu wöchentlichen Einlagen von mindestens 25 Centimes alter Währung verpflichtet. Die Kasse legte die ihr anvertrauten Gelder in Wertpapieren und Schuldtiteln an. Sie liess die Gewinne dem Reservefonds und den Einlegern als Dividende zukommen. Diese Ausschüttung wirkte derart stimulierend, dass die Spareinlagen in den ersten beiden Geschäftsjahren die Anlagemöglichkeiten der Kasse zu übersteigen drohten und deswegen auf 50 beziehungsweise 100 Franken beschränkt wurden.
Gesteuert wurde die neue Bank von einer fünfköpfigen «Direction» mit dem Arzt Dr. Rudolf Urech als Präsidenten, dem Baumeister Jäger als Sekretär sowie dem Gerichtspräsidenten Keller, dem Oberrichter Fröhlich und dem Stadtammann Jäger als weiteren Mitgliedern. Erster Kassier war Stadtschreiber Gottlieb Belart und erster Zinsrodelverwalter Abraham Siegrist, Verwalter von Königsfelden. Bis 1866 hatte die Kasse weder hauptamtliche Angestellte noch eigene Büroräume.

Schulthess gab Gas
1873 wechselte die Bank die Rechtsform von einer Personengesellschaft, in der jedes Mitglied subsidiär mit seinem Vermögen haftete, in eine juristische Person ohne persönliche Haftbarkeit und änderte den Namen in Spar- und Leihkasse Brugg. Neben dem Gewerbe kamen die ersten Industrie- und Handelsbetriebe auf. Die Spar- und Leihkasse weitete ihr Tätigkeitsfeld auf das Kontokorrentgeschäft und die Ausgabe von Kassenobligationen aus. Sie erlitt aber durch den Nationalbahn-Konkurs 1878 schwere Kursverluste auf ihren Eisenbahnpapieren und musste die Reserven angreifen. Mit dem Inkrafttreten des Schweizerischen Obligationenrechts trug sie sich 1883 als Genossenschaft in das Handelsregister ein und bezog 1895 ihr erstes eigenes, neu erbautes Bankgebäude, die heutige Alte Post an der Hauptstrasse.
Gleichzeitig trat Fürsprech Edmund Schulthess, der spätere Ständerat und Bundesrat, an die Spitze der Spar- und Leihkasse und reorganisierte sie. Sie bekam einen elfköpfigen Verwaltungsrat sowie ein Stammkapital von 1 Million, bald von 1,5 Millionen und von 2,5 Millionen Franken, eingeteilt in Anteilscheine von 200 Franken, was es auch Leuten mit kleinen Einkommen ermöglichte, sich am florierenden Unternehmen bei einer Dividende von 5 Prozent zu beteiligen.
In einem entscheidenden nächsten Schritt wurde die Spar- und Leihkassen-Genossenschaft 1909 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Sie unterstützte zwei wichtige Brugger Bauvorhaben: das neue Bezirksspital und das Vindonissa-Museum. Selbst benötigte sie wieder mehr Platz, den sie sich mit einem neuen Verwaltungsgebäude im Geigergut, ihrem Stammplatz bis in die Gegenwart zwischen Stadthaus und katholischer Kirche, beschaffte. Anstelle von Bundesrat Schulthess übernahm Fürsprecher ­Alfred Keller für Jahrzehnte den Vorsitz der Bank.

Unternehmer und Büezer
Mit der Übernahme der Ersparniskasse Rheinfelden, der Spar- und Leihkasse Möhlin, der Ersparniskasse Baden und der Freiämter Bank sowie dem Ausbau des Filialnetzes im Zeitabschnitt zwischen Erstem Weltkrieg, Wirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg wurde die einstige «Brugger Bank» ihrer Reputation als aargauische Bank gerecht. Sie feierte mit Zuversicht an der Generalversammlung vom 18. Februar 1950 das 100-jährige Bestehen. Um ihrer umfassenden Tätigkeit Ausdruck zu geben, erweiterte sie 1962 den Namen in Aargauische Hypotheken- und ­Handelsbank.
Die Bankgeneralversammlungen im «Roten Haus», später in der Freudensteinturnhalle und schliesslich im BBC-Gemeinschaftshaus Martinsberg in Baden sowie im Tägerhard Wettingen mit Aktionärinnen und Aktionären aus allen Kantonsteilen und Gesellschaftsschichten waren legendär: Hier sassen Büezer neben Unternehmern – sozusagen Kapitalismus und Proletariat auf gleicher Seite. Die 1970er- und 1980er-Jahre standen im Zeichen des Ausbaus des Filialnetzes, im Jahrzehnt darauf folgten die Fu­sionen.
Im Herbst 1989 fusionierten die Allgemeine Aargauische Ersparniskasse in Aarau und die Aargauische Hypotheken- und Handelsbank Brugg mit zwei starken Charakteren an ihrer Spitze, Hanswerner Hüssy und Rudolf Summermatter, beide Obersten im Militär, zur Neuen Aargauer Bank (NAB). Bereits 1995 übernahm die CS die Aktienmehrheit der NAB, beliess sie jedoch in ihrer operativen Eigenständigkeit und stärkte sie sogar, indem sie ihr die Gewerbebank Baden sowie drei Aargauer Filialen der Schweizerischen Volksbank zuführte. Aber im August 2020 wurde die NAB vom Mutterkonzern CS ­«liquidiert», um Kosten zu sparen, wie es damals hiess. Doch das rettete die CS selbst nicht. Sie wurde 2024, in prekärer Lage, von der UBS übernommen.

Brugg als Bankenplatz
Brugg wurde erst spät zu einem Bankenplatz, aber in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein bedeutender Standort mit zeitweise mehr als einem halben Dutzend Banken. Dazu gehörten die Niederlassungen von Banken mit nationaler Bedeutung: der Schweizerischen Volksbank, der Schweizerischen Bankgesellschaft und vom Schweizerischen Bankverein. Hinzu kamen die Hauptsitze des Kleinkreditinstituts Bank Aufina und der Genossenschaftlichen Zentralbank.
Fünf Banken bestehen nach wie vor auf dem Platz Brugg: die Aargauische Kantonalbank, die UBS, die Raiffeisenbank Wasserschloss, die Valiant-Bank und die Migros-Bank. Aber wie hier vor 175 Jahren alles anfing, geht sie direkt nichts mehr an – dem Jubiläum fehlt die Jubilarin.