Am 13. Juni 2024 ereignete sich in der Tiefgarage der Zentrumsüberbauung Markthof in Nussbaumen eine heftige Explosion. Feuerwerkskörper detonierten in einem geschlossenen Raum. Durch die Ausbreitung von Feuer und Rauch wurden 12 umliegende Gebäude beschädigt und 60 Wohnungen unbewohnbar. Ein 43-jähriger Italiener und ein 24-jähriger Schweizer kamen ums Leben, 11 Personen wurden verletzt.
Alarm nach dem Abendessen
In der Brandnacht war die Feuerwehr Obersiggenthal an vorderster Front im Einsatz. Ihr Vizekommandant Lorenz Füglister, Oberleutnant und seit 31 Jahren im Feuerwehrdienst, schilderte beim Vortrag in Brugg, was er als Einsatzleiter erlebt hat. Nach dem Abendessen habe seine Frau gefragt, ob er noch einen Kaffee wolle, als um 18.57 Uhr der Alarm eingegangen sei. Weil die Strassen im Zentrum voller Leute gewesen seien, habe er das Auto stehen lassen und sei zu Fuss weitergegangen. Dabei habe er gedacht, er sei im Krieg. «Ich habe die Leute im Markthof angeschrien, sie sollen weggehen.» Noch sei ja unklar gewesen, ob es sich um einen Sprengstoffanschlag handle und was weiter passiere. Zudem habe es Funkprobleme gegeben. Erst kurz zuvor habe die Feuerwehr Obersiggenthal ein neues digitales Funksystem eingeführt, das noch wenig erprobt gewesen sei, wie Füglister erklärte. Auch der stellvertretende Einsatzleiter Philipp Puliafito sagte, Nussbaumen sei ihm an diesem Abend zuerst «wie ein Kriegsgebiet» vorgekommen. Sogar in Brugg habe man die Explosion gehört, wie ihm ein Polizist erzählt habe.
«Wie ein Vulkan»
Der Kommandant der Feuerwehr Obersiggenthal war gerade selbst im Markthof, ging aber als Direktbetroffener nicht in den Einsatz. «Er ist der Partner der Wirtin der Pizzeria und hat dort ausgeholfen, als sich nebenan die Explosion ereignete», erklärte Füglister. In der Gartenwirtschaft hätten alle Gäste die Flucht ergriffen und die Getränke und die Pizzen auf den Tischen zurückgelassen. Dann beschrieb Füglister, was er bei der Einfahrt zur Tiefgarage an der Schulstrasse erblickte: «Es sah aus wie ein Vulkan, der von rechts nach links gespritzt hat.» Später stellte sich heraus, dass dort etwa 500 Kilogramm Feuerwerk explodiert waren. Die Wände des Raums seien sauber herausgesprengt und grosse Betonteile durch den Raum geschleudert worden, so Füglister.
Vor dem aufmerksamen Publikum im vollen Theoriesaal des Feuerwehrmagazins Stahlrain erzählten Füglister und Puliafito, wie nach und nach weitere Einsatzkräfte alarmiert wurden und schliesslich die Kantonspolizei die Gesamtleitung von der Feuerwehr übernahm. Am Schluss waren rund 300 Feuerwehrleute, Polizistinnen, Sanitäterinnen und Zivilschützer vor Ort, die mit 50 Fahrzeugen angerückt waren. Dazu standen drei Helikopter im Einsatz. Nach anfänglicher Ratlosigkeit, wie diese verwendet werden könnten, flogen sie Atemschutzleute auf das Dach der Hochhäuser Schulstrasse 7 und 9. Für den Fall, dass Bewohner wegen des Rauchs dorthin geflüchtet waren.
3000 Liter Wasser in der Minute gegen Feuerwerk
Etwa 150 Bewohner mussten ihre Häuser verlassen, manche wurden mit der Autodrehleiter der Feuerwehr sowie mithilfe von Atemschutzleuten evakuiert. Um sicher zu gehen, dass niemand hilflos und unerkannt in einer Wohnung vergessen wurde, schnitten die Feuerwehrleute mit Rettungssägen alle unverschlossenen Türen auf. Ein Wasserwerfer mit einer Leistung von bis zu 3000 Litern Wasser pro Minute wurde zusammen mit einer Wärmebildkamera eingesetzt, um das Hauptfeuer in der Tiefgarage zu löschen. Hinzu kamen viele Balkonbrände, die von herumfliegendem Feuerwerk verursacht wurden. Die beiden Todesopfer wurden von Fachleuten mit einem Roboter geborgen. Lang blieb ungewiss, ob in den total zerstörten Autos in der Tiefgarage noch weitere Opfer gefunden würden. Der Feuerwehreinsatz ging auch am Freitag noch weiter.
Das Debriefing mit allen beteiligten Feuerwehrleuten aus Obersiggenthal und Untersiggenthal am Sonntag sei sehr wichtig gewesen. Für Nachbesprechungen im Einsatz waren ausserdem ein Care-Team sowie speziell geschulte Peers (also andere Feuerwehrleute) der Feuerwehr Ehrendingen-Freienwil. Trotzdem sei die Belastung noch Wochen und Monate später zu spüren gewesen. Dankbar sind Puliafito und Füglister für die Wertschätzung, die sie von Bevölkerung, Gewerbe oder Arbeitgebern erhielten. «So ein Einsatz bleibt in Erinnerung und verändert einen», stellten die beiden fest. Man probe zwar Grossereignisse «auf dem Papier», ein Szenario wie im letzten Juni in Nussbaumen könne man aber nicht wirklich üben.