Der Tod als Teil des Lebens

Das Café Goodbye ist gedacht für den Austausch über den Tod, das Sterben und alles, was dazugehört. Erstmals ­findet es in Brugg statt.
Andreas und Jutta Zimmermann: «Man redet nicht gern darüber». (Bild: isp)

Andreas Zimmermann (68) arbeitete sieben Jahre als Seelsorger im Pflegeheim/Spital Muri und nun seit drei Jahren im Spital und Pflegeheim Leuggern sowie im Hospiz in Brugg. Seine Frau Jutta Zimmermann (59) ist eine erfahrene diplomierte Pflegefachfrau (ehemals: Krankenschwester) und Erwachsenenbildnerin. Die beiden sind ein gutes Team und tauschen sich regelmässig aus. «Viele Leute haben gemäss unserer Erfahrung viele Fragen zum Tod und rund um das Sterben», erzählt der Seelsorger. «So kam uns die Idee mit dem Café Goodbye. Wir wollen einen offenen Gesprächsraum anbieten, in dem man sich frei über ein vorgegebenes Thema unterhalten kann. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass es ein Bedürfnis vieler Menschen ist, über dieses teilweise tabuisierte Thema zu reden.»

Wie gestaltet sich das Café Goodbye?
Das Café Goodbye, das es auch in anderen Orten in der Schweiz gibt, findet am ersten Sonntag im Monat statt. Im Vordergrund steht der gemeinsame Austausch. Das Café Goodbye ist interaktiv und unkompliziert. Es ist kein Trauercafé und kein Trauertreff und soll kein «Einbahnstrassen-Vortrag-Referat»-Anlass sein.

Es gibt den Teilnehmenden neue Anregungen zu sensiblen Fragen. Begonnen wird meist mit einem Text. Darauf folgt die Vorstellung des Gastes, der ein Impulsreferat hält. Dieser steht danach etwa eineinhalb Stunden zu seinem Fachgebiet im Austausch mit den Teilnehmenden. Im Anschluss an den Event können die Anwesenden noch eine halbe Stunde dableiben, um im lockeren Rahmen in Zweier- oder Kleingruppengesprächen nach eigenem Bedürfnis das Thema weiter zu besprechen. Das Café Goodbye ist unentgeltlich für die Teilnehmenden. Für die Unkosten gibt es am Ende der Veranstaltung eine Kollekte.

Nie ist jemand zurück­gekehrt und hat erzählt, wie es war
Weshalb ist es so anspruchsvoll, über den Tod zu sprechen? «Ich glaube, dass die Themen Tod und Sterben mit Verlust und Veränderung zu tun haben, wie zum Beispiel das Loslassen vom Leben sowie von den Beziehungen zu den Nächsten. Das macht vielfach Angst. Deshalb redet man nicht gern darüber», begründet Jutta Zimmermann.

«Ich denke, es ist so schwierig, weil man es wohl meist nicht wahrhaben will, dass das eines Tages einen selbst betrifft. Ein weiterer Punkt dürfte sein, dass ja niemand weiss, was danach kommt, denn schliesslich ist noch nie jemand zurückgekehrt, und das macht natürlich Angst. Die Botschaften mancher Religionen haben ebenfalls nicht zur Entspannung bei diesem Thema beigetragen. Zu denken sind hier an die Stichworte Fegefeuer und Hölle, selbst wenn diesen der Himmel beziehungsweise die Auferstehung entgegenstehen. Ein weiterer Aspekt könnte sein, dass wir uns mit dem Tod von all dem verabschieden müssen, was uns im Leben lieb ist, sowohl vom Besitz jeglicher Art als auch von den uns lieb gewordenen Angehörigen. Und dieses im Tod nötige Loslassen von allem wird vielleicht lieber verdrängt», ergänzt An­dreas Zimmermann.

Authentisch und ehrlich bleiben und die Stille aushalten können
Unterschiedlichste Aussagen hat ­Andreas Zimmermann in Gesprächen mit Menschen in den letzten Monaten ihres Lebens gehört, zum Beispiel: «Hätte ich doch im Leben weniger gespart und mehr gelebt.» Oder dass Personen von Schuldgefühlen geplagt sind, weil sie den Eindruck haben, anderen Menschen gegenüber versagt zu haben oder ihnen nicht gerecht geworden zu sein. Aber es gibt auch Menschen, die mit sich und allem im Reinen sind und gern in eine «göttliche Wirklichkeit» hinübergehen.

Doch Menschen, die mitten im Leben stehen und plötzlich mit einer Diagnose konfrontiert sind und wissen, dass sie innert kurzer Frist sterben, werden deswegen nicht plötzlich «religiöser». Andreas Zimmermann fällt auf, dass Menschen, die mit ihm im häufigen Austausch stehen, auf einmal andere Fragen stellen: «Was denken Sie, was kommt nach dem Tod? Was ist eigentlich eine Seele?» Und: «Wie geht Sterben überhaupt?» Viele sehr betagte Menschen im Pflegeheim fragen ­Andreas Zimmermann oft: «Warum muss man so alt werden? Hat Gott mich vergessen? Gibt es überhaupt einen Gott, und wie ist er so?» – «Bei derart schwierigen Fragen ist es mir sehr wichtig, dass ich authentisch und ehrlich bleibe. Auch dort, wo ich keine Antwort weiss.»

Bei schwierigen Themen eine positive Haltung bewahren
Jutta und Andreas Zimmermann beschäftigen sich in ihrer täglichen Arbeit mit eher anspruchsvollen Themen. Wie schafft man es, dass einen so schwierige Themen nicht allzu sehr beanspruchen und eine positive Haltung zu bewahren?

Andreas Zimmermann hilft in solchen Momenten seine starke Überzeugung, dass die Seele eines jeden Seelenwesens ewig ist, also nach dem Tod weiterlebt, ebenso geben ihm die regelmässigen Supervisionen Halt. Jutta Zimmermann bringt es auf den Punkt: «Für mich gehören Leben und Sterben zusammen. Sie stellen einen Kreislauf dar, wie wir es in der Natur erleben. So ist der Kreislauf des Lebens Normalität. Das hilft mir, mit schweren und traurigen ­Situationen besser umzugehen.»