Die Brugger Altstadt beleben – aber wie?

Zu dem im November 2024 lancierten Projekt «Belebte Wohn-Altstadt 2.0» liefern eine Umfrage, Workshops und eine Ausstellung erste Ideen.
Wie weiter mit der Brugger Altstadt? (Bild: leh)

Seit Jahren wird über die Prosperitätsförderung der Brugger Altstadt diskutiert. Der historische Stadtkern mit seinem besonderen Flair böte als Wohnquartier, Geschäftsviertel und Begegnungsort eigentlich gute Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung. Doch die Entfaltung lässt bei Gewerbetreibenden, Bewohnerinnen und Bewohnern, Besucherinnen und Besuchern mancherlei Wünsche offen. Die Ansprüche widersprechen sich ausserdem zum Teil.

Aufatmen, aber kein Aufblühen
Vor der Eröffnung der Mittleren Umfahrung, 1980, drohte die Altstadt in einer Verkehrslawine zu ersticken. Täglich wälzte sich der Transitverkehr Zürich–Basel auf der Hauptstrasse stadtauf- und stadtabwärts. Erst mit der Schliessung der A3-Autobahnlücke Birrfeld–Fricktal, 1996, konnte der Ost-West-Verkehr endgültig um Brugg gelenkt werden. Die (fast) verkehrsfreie Altstadt atmete auf – aber sie blühte nicht auf.
Mit der Ruhe machte sich Schläfrigkeit breit. Die Geschäfte und die Stadt waren zu wenig auf die neue Situation vorbereitet. Ihre Hoffnung, die verkehrsfreie Altstadt würde ohne weiteres Zutun attraktiver, war trügerisch. Lange behielt die Hauptstrasse ihre mit Randsteinen bewehrten Trottoirs. Das dämpfte das Empfinden, dass die ganze Verkehrsfläche jetzt den Fussgängern gehörte. Läden und Gaststätten getrauten sich kaum, die Vorplätze zu nutzen. Altbekannte Fachgeschäfte gingen ein – allen voran das Kaufhaus Rössli. Der Geschäftsschwerpunkt verlagerte sich in das Einkaufszentrum Neumarkt. Die Altstadt wirkt manchmal wie ausgestorben.

Ein erneuter Input
Gewiss, private und öffentliche Initiativen führten mit der Zeit vor allem zu optischen Veränderungen: Häuser wurden restauriert, Strassenräume umgestaltet, Plätze aufgewertet und Möglichkeiten für das zeitlich begrenzte Parkieren vor den Geschäften zugelassen. Aber im Vergleich zum Beispiel zu den belebten historischen Stadtkernen von Aarau, Baden, Lenzburg blieb die Brugger Altstadt eher ein uninspiriertes Pflaster. Deswegen flaute die Diskussion um Aufwertungsaktionen nie ab. Jetzt wird sie mit einem neuen Input fortgeführt.
Im letzten November wurde das Projekt «Belebte Wohn-Altstadt 2.0» lanciert. Aufgrund einer von der städtischen Abteilung Planung und Bau bei Anwohnerinnen und Anwohnern, Gewerbetreibenden und Passanten durchgeführten Umfrage sowie im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses mit Workshops werden neue Ideen und Angebote zur weiteren Belebung der Altstadt entwickelt. Bis zum 23. Februar präsentierte eine Ausstellung im ehemaligen Feuerwehrmagazin des Storchenturms eine Reihe von Vorschlägen.

Lieblingsorte aufwerten
Bei der Frage, welchen Ort man jemandem in der Altstadt am liebsten zeigen würde, steht Bruggs schönster Platz, die Hofstatt, im Vordergrund. Zu den beliebten Blickwinkeln gehören zudem das Ensemble Rathausplatz/Schwarzer Turm/Aarebrücke sowie der Platz zwischen Stadtkirche und Lateinschulhaus und die Schult­hess-Allee samt Salzhaus. Mit den Intimitäten der Stadt Vertraute empfinden die versteckte Krinne an der ­Aareschlucht und die zwei schmalsten Passagen in der Altstadt, das Güggelgässli und den namenlosen Fussgängerdurchgang von der Hofstatt zur ­Albulagasse, als besonders reizvoll. Wohl am exklusivsten ist aber der Hexenplatz auf dem Bruggerberg mit seiner Vogelschauperspektive auf die Altstadt.
Aber in der Umfrage und den bisherigen Workshop-Gesprächen kam auch die Meinung zum Ausdruck, dass bei den meisten «Lieblingsorten» noch Aufwertungspotenzial bestünde. So werden zusätzliche Möglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung auf dem Eisi, beim Fischerkopf an der Aare, ja sogar entlang der Aareschlucht mit einem linksufrigen Steg unter der Stadtbrücke hindurch, sowie an der Hauptstrasse vom «Roten Haus» bis zum Schwarzen Turm und im Garten hinter dem Zimmermannhaus in der Vorstadt gesehen.

Die Baumreihe von der Schulthess-Allee (im Hintergrund) zum «Roten Haus» und bis in die Museumsstrasse weiterzuziehen ist ein Vorschlag, um die Altstadt mehr zu begrünen. (Bild: hpw)



Begrünen und Begegnen
Eine Bereicherung für die Wohn-Altstadt wird in einer verstärkten Begrünung erkannt. Dazu stechen drei Ideenskizzen hervor. Erstens wird die Fortsetzung der Schulthess-Allee-Baumreihen bis zum «Roten Haus» und über das Eisi hinaus bis in die Museumsstrasse angeregt. Damit würde quasi ein Grüngürtel um die halbe Altstadt gelegt. Zweitens sollte die Hauptstrasse stärker begrünt werden, vom Lindenplatz bis zum Eisi mit einer zweiten Baumreihe stadthausseits und allenfalls einer Weiterführung Richtung Bahnhof, dann weiter stadtabwärts, vom «Roten Haus» bis zum Schwarzen Turm, mit Pflanztöpfen am Boden und Blumenkisten auf den Fensterbänken der Häuser. Für die Vorstadt (Zollplätzli) wird eine Ausgestaltung zur Piazza empfohlen.
Drittens wird dem Eisi die Bedeutung einer «grünen Mitte» zugemessen, die sich als wichtiger Treffpunkt im Stadtgefüge etabliert. Angeregt werden eine durchgehende Parkanlage unter Einbezug des jetzigen oberirdischen Eisi-Parkplatzes, ein Wasserspiel à la Bundesplatz in Bern sowie eine Berankung der Eisi-Halle – wie überhaupt zu mehr Fassadenbegrünungen in der Altstadt ermuntert wird. Auch generell mehr Bäume, Grünflächen, Bänke und Aussenbestuhlungen stehen auf den Wunschzetteln. Die Schulthess-Allee sollte den Charakter einer Piazza bekommen, mit Kinderspielplatz und Pétanque-Anlage samt Kiosk oder Café.

Dauerbrenner Verkehr
So richtig in Schwung kommt das Ideenkarussell beim Thema Verkehr. Hier zeichnen sich bereits zwei Stossrichtungen ab – einerseits mit pragmatischen, andererseits mit weltanschaulichen Ansätzen. Zur zweiten Gruppe gehören Vorschläge, den Verkehr zu drosseln oder ganz aus der Altstadt zu verbannen – selbst den Busverkehr. Es werden Eingangspforten an der Hauptstrasse beim Stadthaus und an der Baslerstrasse beim Zollplätzli sowie eine zeitlich begrenzte Nutzung, wenn nicht gar die Aufhebung des Eisi-Parkplatzes zur Diskussion gestellt. Pragmatischer klingen die Anregung für einen Veloparkplatz in der Kirchgasse und die Erstellung eines rollstuhlgängigen Streifens auf der holprigen Hofstatt-Pflästerung.
Gerade die Verkehrs- und Parkplatzfragen treffen den Nerv des Gewerbes in der Altstadt. Das bestätigten die Gespräche, die der Stadtrat und die Regionalpolizei kürzlich an einem Spezialworkshop mit rund 30 Geschäftsleuten führten. Gewerbetreibende aus der unteren Altstadt forderten Änderungen im aktuellen Parkplatzregime, denn 30 Minuten Parkzeit seien ungenügend; häufig würden Kunden und Ladenbesitzer gebüsst. Man habe den Eindruck, das Gewerbe werde nicht wirklich geschätzt.

Es braucht Ausdauer
Mit dem Projekt «Belebte Wohn-Altstadt 2.0» wird die Diskussion um das Thema der Altstadtaufwertung neu – oder anders ausgedrückt: einmal mehr – lanciert. Die Ausgangslage ist nicht schlecht. Jedenfalls kamen im bisherigen Gesprächsprozess zahlreiche mehr oder weniger realistische Vorschläge zur Belebung der Altstadt auf den Tisch. Vorab ist wichtig, dass die Beteiligten und Betroffenen, die Behörden, Gewerbetreibenden und Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt überhaupt miteinander reden und sich über ihre Bedürfnisse Klarheit verschaffen. Was bedeutet ei­gentlich Belebung? Mehr Lauf- und Kaufkundschaft, ja. Ebenso mehr Mög­lichkeiten, sich im historischen Altstadtambiente zu begegnen. Allerdings könnte mehr Betrieb auch mehr unerwünschten Lärm beim Wohnen erzeugen.
Attraktivität setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Und sie ist nicht auf einen Schlag zu erzeugen. Dafür braucht es Ausdauer. Der seit 45 Jahren mehr oder weniger verkehrsfreien Altstadt wird der Wunschzettel so schnell nicht aus­gehen.