Doppelter Einsatz für Mercy-Ships

Die Zwillinge Ruth und Tabea Nusser tauschen ihre Arbeit beim KSB phasenweise gegen ehrenamtliche Einsätze auf einem Spitalschiff ein.
Tabea und Ruth Nusser – Zwillinge und Krankenschwestern aus Friedrichshafen. (Bild: zvg | Mercy Ships)

Ruth und Tabea Nusser arbeiten als diplomierte Pflegefachfrauen am Kantonsspital Baden (KSB). Für die beiden ist ihr Beruf nicht einfach ein Job, sondern Berufung. Die eineiigen Zwillinge stammen aus Friedrichshafen am Bodensee, und als Ruth Nusser 2014 auf einer christlichen Konferenz war, kam sie mit zahlreichen Flyern nach Hause. Einer hat das Interesse der beiden Frauen besonders geweckt. Es ging um die Organisation Mercy-Ships, von der sie bis anhin noch nie etwas gehört hatten.
Hoffnung und Heilung bringen

Die Hilfsorganisation Mercy-Ships
hat es sich zur Aufgabe gemacht, hauptsächlich in Afrika mit Spitalschiffen die chirurgische Versorgung jenen Menschen zugänglich zu machen, die sich diese sonst nicht leisten können. Mehr als 2000 lebensverändernde chirurgische Operationen und 8000 Zahnbehandlungen werden jährlich an Bord der Schiffe vorgenommen. Oft geben die Behandlungen den Patientinnen und Patienten neue Hoffnung und eröffnen neue Perspektiven. Zudem bieten die mehr als 1000 Freiwilligen aus über 60 Nationen medizinische Fortbildung und Infrastrukturrenovierungen zur Unterstützung des lokalen Gesundheitswesens an.
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt maximal 150 Kilometer von der Küste entfernt. Dadurch sind Häfen ideale Einsatzorte für die Nichtregierungsorganisation. Die Spitalschiffe können auf die wechselnden Bedürfnisse reagieren und flexibel die Gebiete mit dem dringendsten Bedarf ansteuern. Die Organisation wirbt mit dem Slogan «Wir bringen Hoffnung und Heilung». Dieser Satz hat die Nusser-Zwillinge damals wie heute tief berührt. Denn Ruth und Tabea Nusser üben ihre Berufe aus voller Überzeugung und als Christinnen aus. Ihnen liegt der Dienst am Menschen sehr am Herzen.
So haben sich die beiden Schwestern bei der Organisation beworben und sind seither immer wieder auf einem Spitalschiff unterwegs. Im Dezember sind die beiden von ihrem letzten Freiwilligeneinsatz auf dem Schiff «Africa Mercy» aus Madagaskar zurückgekehrt. «Aus unseren Einsätzen haben wir gelernt, dass wir nicht gleich am übernächsten Tag wieder in den ­normalen Arbeitsalltag in unserem Pflegeberuf im KSB starten können. Wir brauchen ein paar freie Tage dazwischen.»

Nur bewilligte Landausflüge
«Das Leben auf dem Spitalschiff zu beschreiben ist schwierig, da die Pflegefachleute im 3-Schicht-System arbeiten – mit Frühdienst, Spät- und Nachtdienst. Deshalb läuft nicht jeder Tag gleich ab. Die Essenzeiten auf dem Schiff mit Frühstück, Mittag- und Abendessen bilden dabei die grösste Konstante», wissen die Schwestern zu berichten. «Freizeit gibt es vor und nach der Arbeit sowie an freien Tagen. Dann sind unterschiedliche Ausflüge möglich, um das Land, die Kultur und die Menschen näher kennenzulernen. Dazu muss man sagen, dass das Schiff zehn Monate im gleichen Hafen liegt und erst dann weiterfährt. Ausflüge und Übernachtungen ausserhalb des Schiffs müssen schriftlich eingereicht und von den Security-Hauptverantwortlichen abgesegnet werden. So ist jederzeit klar, wer sich wo befindet, was im Wesentlichen dem Schutz jedes Einzelnen dient.»

Leben retten fern der Heimat. (Bild: Mercy Ships)


Stigmata loswerden
Und wie kommt man mit dem Leid zurecht, das einem bei einem Einsatz begegnet? «Natürlich sehen wir viel Armut und Leid, wenn wir mit Patientinnen und Patienten arbeiten oder im Land herumreisen. Wir sehen, dass unsere eigene Hilfe ein Tropfen auf dem heissen Stein ist. Aber jede noch so kleine Geste und jede Operation macht einen Unterschied und verändert das Leben der Menschen», so die Zwillingsschwestern. «Nächstenliebe zu leben, ist uns sehr wichtig, sowohl hier in der Schweiz als auch in den Ländern, wo wir tätig waren.»
Die beiden 31-jährigen Zwillinge zehren davon, dass sie viel Gutes bewirken können. Da seien die überaus dankbaren Patienten, die freudestrahlend wieder das Schiff verliessen, da sie endlich Heilung, eine neue Lebensqualität sowie Hoffnung erfahren hätten. So könnten diese wieder gestärkt ins Leben zurückkehren, ihre Stigmata loswerden und in ihrem persönlichen Umfeld neue Akzeptanz finden. Zudem haben Ruth und Tabea Nusser gelernt, dankbarer zu sein und dass man selbst nicht viel benötigt, um glücklich zu sein. Sie arbeiten mit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten aus der ganzen Welt zusammen, lernen bei der Arbeit hinzu und tauschen sich im Fachgebiet und bei vielen anderen Themen aus. Alle arbeiten auf freiwilliger Basis. So etwas motiviere sehr und veranlasse einen unweigerlich dazu, das Beste zu geben. Man lerne, Verständnis für anderssprachige Patientinnen und Patienten und fremde Kulturen aufzubringen. Sachen, die einem in der Schweiz selbstverständlich vorkämen, lerne man andernorts zu schätzen. Zum Beispiel über fliessendes, sauberes Wasser zu verfügen, genügend Geld zu haben, um Essen zu kaufen, oder eine Krankenversicherung.
Die Nusser-Zwillinge können sich vorstellen, weiterhin ehrenamtlich auf Spitalschiffen Einsätze zu leisten. «Aber wir sind gespannt, was Gott noch alles mit uns vorhat. Wir arbeiten gern ehrenamtlich in diesem ­Bereich weiter, bis wir etwas anderes gezeigt bekommen.»