E-Occasionen: Das gilt es zu beachten

Gebrauchte Elektroautos können heute bedenkenlos gekauft werden – wichtig ist jedoch ein Batteriecheck.
Aviloo bietet den Batterietest für zu Hause übers Internet an. (Bilder: zVg)

Nach Jahren des Wachstums tendieren die Verkaufszahlen für neue Elek­troautos in Europa rückwärts. In der EU sanken die Neuzulassungen im vergangenen Jahr um 6 Prozent auf 1,45 Millionen Einheiten. Zwar konnten die Stromer in einigen europäischen Ländern wie Grossbritannien noch zulegen, in anderen brachen die Verkaufszahlen hingegen dramatisch ein, darunter in Deutschland mit einem Einbruch um 27 Prozent und in der Schweiz mit einem Minus von 12,5 Prozent.
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Gebrauchtwagenmarkt. Occasionen mit E-Antrieb bleiben bei den Händlern lang auf dem Hof stehen – offensichtlich ist die Skepsis gegenüber Stromern mit einigen Kilometern auf dem Tacho noch gross. Aus der Schweiz gibt es dazu keine verlässlichen Zahlen, doch der Blick nach Deutschland zeigt: Gemäss dem neuesten DAT-­Report gaben nur 12 Prozent der ­Occasionskäufer an, dass für sie ein gebrauchtes E-Auto infrage käme. Die Umfrage eines deutschen Fachma­gazins ergab, dass 68,7 Prozent der befragten Autohändler gar keine gebrauchten Stromer mehr in Zahlung nehmen. Für mehr als die Hälfte der Befragten seien E-Occasionen «so gut wie unverkäuflich». Als logische Folge davon korrigieren die Autohändler die Preise der gebrauchten E-Fahrzeuge nach unten – teilweise so weit, dass es für sie zum Verlustgeschäft wird. Mehr als 80 Prozent der befragten Händler gaben an, beim Verkauf von gebrauchten Elektroautos Verluste hinnehmen zu müssen, über 60 Prozent gaben sogar «hohe Verluste» an.

An den Preisen kann es nicht ­liegen
Die Preise für gebrauchte E-Autos sind also derzeit attraktiv – und sie dürften weiter fallen, wie der Onlinemarktplatz Autoscout 24 analysiert. Während auf der Plattform die Preise für hierzulande inserierte Occasionen im vergangenen Jahr im Schnitt um rund 1 Prozent gestiegen sind, waren sie für Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb 12 Prozent günstiger. Das ist spannend für Occasionskäufer – bedeutet im Umkehrschluss aber, dass Käufer eines neuen Elektroautos mit einem entsprechend tiefen Wiederverkaufswert rechnen müssen.
Bis anhin ist die Skepsis gegenüber gebrauchten E-Autos also gross. Joachim Bühler, Geschäftsführer des deutschen TÜV-Verbands, gibt aber Entwarnung: «Die Hauptuntersuchung zeigt: Elektrofahrzeuge sind technisch weder sicherer noch unsicherer als Fahrzeuge mit Verbrenner.» Im jährlich veröffentlichten TÜV-Report hält die technische Prüforganisation allerdings spezifische Mängel von Elektroautos fest: «Die Achsaufhängungen kommen bei vielen Elek­troautos nicht mit dem hohen Gewicht der Antriebsbatterie zurecht und verschleissen vorzeitig.» Ausserdem würden die Bremsen von E-Autos aufgrund der Rekuperation seltener genutzt. «Die Folge: Die Bremsscheiben weisen Mängel auf, und die Bremsfunktion lässt nach.»

Ein Batteriezertifikat gib Auskunft über den Zustand des Akkus bei Occasionen



Auf den Batteriezustand kommt es an
Der Hauptgrund für die Zurückhaltung gegenüber gebrauchten Elektroautos ist bei vielen aber der Zustand der Traktionsbatterie. Dieser ist ausschlaggebend für die Reichweite und das Ladetempo eines E-Autos und somit ein entscheidender Faktor beim Kauf eines Gebrauchtwagens. Tatsächlich altern Akkus und weisen mit der Zeit eine geringere nutzbare Kapazität auf – doch das hängt nicht nur vom Alter und von der Laufleistung ab, sondern auch davon, wie die Batterie über die Jahre genutzt wurde.
Wird ein Auto oft an Schnellladesäulen mit hoher Gleichstromleistung geladen, setzt das dem Akku zu, genauso wie starke Temperaturschwan-kungen. Lädt man das Auto oft komplett auf und lässt es dann ungenutzt in der Garage stehen, hat das ebenfalls eine schlechte Auswirkung auf den Zustand der Batterie. Der TÜV schätzt, dass die Batterien in gebrauchten E-Autos im Schnitt nach acht bis zehn Jahren nur noch 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität aufweisen – in diesem Rahmen geben auch die meisten Hersteller beim ­Neuwagenkauf eine Garantie auf die Traktionsbatterie.

Zulieferer haben Geräte für den Batteriecheck entwickelt.


Was viele aber nicht wissen: Mittlerweile lässt sich der Gesundheitszustand einer Batterie, der sogenannte State of Health, ganz einfach überprüfen. Denn: Das Auto selbst weiss genau Bescheid, wie es der Traktionsbatterie geht – man muss dieses Wissen also nur entsprechend auslesen. Inzwischen bieten TCS und ACS solche Batteriechecks an, auch bei vielen Garagisten lässt sich dieser Gesundheitscheck durchführen. Das geht sogar bequem per Onlinedienst: Der österreichische Anbieter Aviloo schickt einem dazu ein Gerät nach Hause, das man an den Diagnosestecker des Autos anschliesst und nach dem Batterietest wieder an Aviloo retourniert. Der Kunde erhält im Anschluss ein entsprechendes Zertifikat über den Zustand der Batterie.

Defekte Batteriezellen können ermittelt und einzeln ersetzt werden.



Nach acht Jahren lässt die ­Kapazität nach
Autozulieferer wie Mahle haben hierzu einfache Diagnosegeräte entwickelt, die bereits wenige Minuten nach dem Einstecken einen genauen Rapport zur Gesundheit der Batterie ausspucken. Gemäss Mahle-Geschäftsführer Arnd Franz sind die Erfahrungen damit unterdessen eindeutig: «Die bisher gesammelten Daten zeigen: In den ersten Jahren verlieren Antriebsbatterien sehr langsam Kapazität. Nach acht Jahren aber kann es schnell bergab gehen.» Deshalb sei es vor allem bei älteren Elektroautos wichtig zu wissen, in welchem Zustand der Akku sei.
Lässt die Kapazität der Traktionsbatterie nach, bedeutet das aber nicht das Ende eines Elektroautos. Zwar lohnt sich der Austausch eines Akkus kaum – die grossen Stromspeicher sind viel zu teuer. Allerdings können inzwischen einzelne schadhafte Batteriezellen einfach ausgetauscht werden, was in den meisten Fällen ausreicht, um den State of Health einer Traktionsbatterie wieder auf Vordermann zu bringen. Viele Autohersteller bieten diese Batteriereparatur an. Und mittlerweise verfügen immer mehr Garagisten über entsprechende Hochvoltkompetenz und können defekte Zellen direkt vor Ort austauschen.

Kein Grund zur Zurückhaltung
Gebrauchte Elektroautos sind also weder pannenanfälliger als Autos mit Verbrennungsmotor noch sollte einem der Zustand der Batterie Sorgen bereiten, sofern der Verkäufer ein State-of-Health-Zertifikat vorweisen kann. Als Käufer eines gebrauchten Stromers sollte man unbedingt auf ein solches bestehen – notfalls lässt es sich während der Probefahrt selbst einholen. Und das kostet nicht die Welt: Beim TCS zum Beispiel kostet ein Batteriecheck inklusive Zertifikat für ­Mitglieder 75 Franken – bis Ende März gilt sogar ein Spezialpreis von 50 Franken. Dem Kauf eines gebrauchten E-Autos steht also nichts im Weg.
Die Gelegenheit, am Occasionsmarkt ein Schnäppchen zu finden, ist der­-zeit gross – auch weil viele Händler praktisch neue E-Autos auf dem Hof stehen haben. Denn um die drohenden CO₂-Strafzahlungen zu vermeiden, imma­trikulieren viele Autoimporteure kurz vor Jahresende zahlreiche neue Elek­troautos, die dann bei den Garagisten als junge Occasionen in den Gebrauchtwagenhandel gelangen. Ausserdem lassen sich zahlreiche Leasingrückläufer mit wenig Laufleistung zu guten Preisen finden.