Kunst zwischen Heimat und Sammlung

«Werke in Schwarz» heisst die aktuelle Ausstellung von zwei regionalen kunstschaffenden Macherinnen im Gemeindehaus Obersiggenthal.
Die Künstlerinnen Ira van der Merwe und Rollanda Ibernini. (Bild: isp)

Vergangenen Sonntag fand im Gemeindehaus Obersiggenthal eine feierliche Vernissage von zwei namhaften regionalen Künstlerinnen statt. Der Titel der Ausstellung: «Werke in Schwarz». Die Südafrikanerin/Niederländerin Ira van der Merwe arbeitet lediglich mit Kreide- oder Kohlestiften, und die in England geborene Rollanda Ibernini hat mit ihren Fundgegenständen eine ausschliesslich schwarze Serie geschaffen. Organisiert haben die Ausstellung und die Vernissage Agnes Wüthrich und Rita Strebel von der Kunst- und Kulturkommission Obersiggenthal.

Malen hilft gegen Heimweh
Kunst spielte immer eine zentrale Rolle im Leben von Ira van der Merwe. Als Kunstlehrerin in Südafrika war sie erfolgreich, doch ein Umzug in die Schweiz stellte sie vor Herausforderungen. Aufgrund ihrer mangelhaften Deutschkenntnisse konnte sie nicht unterrichten, also widmete sie sich eigenen Projekten, um sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Heimweh plagte sie, bis ihr Mann vorschlug, das zu zeichnen, was ihr fehlte. So entstand ihr erstes Werk: ein grosser Büffel.
«Ich habe nichts zurückgehalten, weil ich nichts zu verlieren hatte. Go big or go home», beschreibt sie ihre Herangehensweise. Es folgten Zebras, Nashörner, Löwen und ihre Lieblinge: Giraffen. «Das Malen half mir, meine Trauer zu überwinden. Ich entschied bewusst, mich in die Schweiz zu verlieben», sagt die Künstlerin, die inzwischen auch Kühe, Füchse und Steinböcke malt und sich in ihrer neuen Heimat angekommen fühlt.

Weisser Hintergrund als Konzept
Ira van der Merwe arbeitet meist mit Kohle oder Kreide und schätzt den Kontrast dieser Materialien. Um den weissen Hintergrund ihrer Bilder zu bewahren, malt sie im Stehen und vermeidet es, mit der Hand über die Zeichnungen zu wischen. «Ein Föhn ist eine kleine Katastrophe – damit hinterlässt man ungewollte Spuren», erklärt sie. Die Künstlerin legt Wert darauf, nur das Tier ohne Kontext darzustellen, um einen ruhigen Moment zu schaffen, der in der Natur unmöglich ist: «Ich will den Betrachtern die Möglichkeit geben, diese wunderschönen Tiere in ihrer Pracht zu er­leben.»
Mit einem strukturierten Ansatz, basierend auf ihrem Grafikdesignstudium, entwickelt sie zuerst ein durchdachtes Konzept, bevor sie ins Detail geht. Sie bevorzugt grosse Formate, da sie sich im Kleinen eingeengt fühlt. «In meinem Leben ist alles gross – mein Haus, mein Mann, unser Hund», betont sie. Beim Malen wird es laut, Musik läuft, und sie fuchtelt begeistert mit den Armen. Kann sie ihre Werke loslassen? «Ja, an der Uni lernt man, die Werke loszulassen. Das ist wichtig, sonst hängen Teile deines Herzens an fremden Wänden», erklärt sie. Die Künstlerin sucht derzeit ein neues Atelier, idealerweise in der Nähe von Ennetbaden.

Von links: Rita Strebel (Kunst- und Kulturkommission Obersiggenthal), Ira van der Merwe, Rollanda Ibernini, Agnes Wüthrich (Kunst- und Kulturkommission Obersiggenthal). (Bild: isp)


Recycelbare Kunst mit Leidenschaft
Rollanda Ibernini, in England geborene Tochter eines Jamaikaners und einer Schweizerin, ist seit etwa 20 Jahren künstlerisch aktiv. Sie beschreibt sich als Finderin mit dem Talent, wertlose Gegenstände in neue Kunstwerke zu verwandeln. «Eigentlich recycle ich, und meine Werke haben etwas Nachhaltiges», sagt sie schmunzelnd. Ihre Inspiration schöpft sie aus der Natur – am Meer, in den Bergen oder vor der Haustür.
In ihrem Atelier im Oederlin-Areal in Ennetbaden kombiniert sie Materialien wie alte Kabelrollen, Karton, Schwemmholz und Plastikreste zu einzigartigen Kunstwerken auf Leinwand oder Holz. Auch Weinkisten und Verpackungsmaterial verwandelt sie in beeindruckende Stücke. Ihre Werke erscheinen oft spielerisch, als wären sie «dahingeworfen».
Besonders kreativ wird sie ab dem späten Nachmittag, häufig inspiriert von Musik bis spät in die Nacht. Rollanda Ibernini beschreibt ihren kreativen Prozess als chaotisch und impulsiv und setzt selten eigene Themenvorgaben. Ihre ersten Kunstwerke entstanden während eines Urlaubs am Meer, was ihr die Bedeutung der Kunst für ihr Leben bewusst machte. «Ich habe das Gefühl, darin baden zu können», erklärt sie. Kreativität beruhigt sie und lässt sie persönlich wachsen.
Sehr gern arbeitet Ibernini mit Holz oder rostigen Materialien. Ein schwarzes Rosenbild, ihr Lieblingsobjekt, ist unverkäuflich, da es eine tiefe Verbindung zu ihrem Mann symbolisiert. Für ihre aktuelle Ausstellung im ­Gemeindehaus hat sie sich mit der Farbe Schwarz auseinandergesetzt, wobei ihre Werke schwarzen Sand und alte Gegenstände zeigen. Metallteile erinnern sie an ihre Zeit als
Maschinenzeichnerin in den 1970er-Jahren.
Seit ihrem zehnten Lebensjahr lebt Rollanda Ibernini in der Schweiz. Neben der Kunst singt und tanzt sie leidenschaftlich, gestaltet ihr Zuhause sowie Bars um und modelt. Ihre Lebensphilosophie «Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter» hilft ihr oft, Herausforderungen zu meistern.
Die Ausstellung kann zu den Gemeindeöffnungszeiten besichtigt werden und dauert bis zum 8. Juni.