Mit einem politisch brisanten Vorschlag traten 2022 fünf ehemalige Gemeindeammänner an die Öffentlichkeit. Sie regten die Prüfung einer Fusion der Gemeinden Endingen, Lengnau, Schneisingen und Tegerfelden zur Grossgemeinde Surbtal an. Die aktuellen Gemeinderäte nahmen den Ball auf, und die Gemeindeversammlungen stimmten einer vertieften Prüfung eines Zusammenschlusses zu. Inzwischen haben ein Leitungsausschuss, acht Arbeitsgruppen und eine Echogruppe, welche die Diskussionen kritisch begleitet hat, ihre Arbeiten abgeschlossen. Der 271 Seiten umfassende Schlussbericht liegt vor («Rundschau» vom 13. März) und wurde nun im Lengnauer Schulzentrum Rietwise der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Rund 350 Personen nutzten die Gelegenheit.
Gegen eine Fusion hat sich der Gemeinderat Lengnau ausgesprochen und wird seinen Stimmbürgerinnen und -bürgern ein Nein zum Fusionsvertrag empfehlen. Was sind die Gründe? Gemeindeammann Viktor Jetzer (SVP) kritisierte, dass der Schlussbericht «einseitig auf eine Fusion ausgerichtet verfasst wurde». Ein Zusammenschluss sei aus der Sicht Lengnaus mit erheblichen Risiken verbunden. «Zu den Gründen wird der Gemeinderat Lengnau Ende März eine detaillierte Stellungnahme abgeben», erklärte Jetzer. Diese Stellungnahme und die Schlussfolgerungen, welche die Lengnauerinnen und Lengnauer aus ihr ziehen, schweben wie ein Damoklesschwert über dem Zusammenschluss. Nur wenn die Gemeindeversammlungen aller vier Orte am 23. Juni dem Fusionsvertrag zustimmen, kommt es am 28. September zu einer abschliessenden Urnenabstimmung. Diese könnte in einer ablehnenden Gemeinde allerdings auch über ein Referendum erzwungen werden, erläuterte der Endinger Gemeindeammann Ralf Werder (parteilos) in seiner Funktion als Präsident des Leitungsausschusses.
Skepsis nicht nur in Lengnau
Interessant: Nicht nur in Lengnau gibt es Skepsis zur Fusion. Am Ende einer zweitägigen Klausur liess Werder im Leitungsausschuss geheim abstimmen. Pro Gemeinde waren je der Gemeindeammann, ein Gemeinderatsmitglied und der Gemeindeschreiber stimmberechtigt. Das Resultat: 6 Ja zur Fusion und 5 Nein. Die fehlende Stimme ist jene der Gemeindeschreiberin von Tegerfelden, die sich im Mutterschaftsurlaub befand.
Der Blick in die Schlussberichte der acht Arbeitsgruppen zeigt zum Teil Punkte auf, die so oder so zum Handeln zwingen. So spricht sich die Gruppe Ortsbürger, Forst und Landwirtschaft gegen einen Zusammenschluss der Gemeinden aus, möchte aber die Forstbetriebe zusammenlegen. Selbst der erfahrene Projektberater Peter Weber zeigte sich überrascht, dass die Arbeitsgruppe Verwaltung zu dem Schluss gekommen ist, bei einer Fusion sowie bei vertiefter Zusammenarbeit würden zusätzliche 380 Stellenprozent benötigt. «Da habe ich schon leer geschluckt», sagte Weber. «Normalerweise führen Zusammenschlüsse zu Personaleinsparungen.» Webers Erklärung: «Insbesondere in Endingen und Lengnau betragen die Pro-Kopf-Verwaltungskosten 300 Franken, was sehr tief ist. Der kantonale Schnitt liegt bei 500 Franken.»
Sind die künftigen Schulden tragbar?
Wichtig mit Blick auf die Zukunft sind die Finanzperspektiven der fusionierten Gemeinde. Die entsprechende Arbeitsgruppe prüfte eine Vielzahl an Aspekten und konnte am Schluss kein klares Statement für oder gegen eine Fusion abgeben. Was ins Auge sticht, ist, dass die Schulden einer Gemeinde Surbtal bis 2035 auf 45,5 Millionen Franken steigen. Auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet sind das 2800 Franken und tragbar. Beim Steuerfuss wird mit 108 Prozent gerechnet.
Die anschliessende Fragerunde wurde nur spärlich genutzt. Die angeschnittenen Themen zeigten auf, dass es bei Gemeindefusionen nicht nur um Fakten, sondern auch um Angelegenheiten des Herzens geht. Eine solche ist das künftige Gemeindewappen. Keiner der drei Vorschläge, die von einem Heraldiker ausgearbeitet wurden, wurde als gut befunden. Ein Thema, das bewegt, sind die künftigen Kosten der Kehrichtabfuhr und nach welchem System die Gebühr erhoben wird.