Villigen – Das zweite Buch von Irene Treff heisst «Hirnschlüssel verloren?» Im Interview verrät sie, was es mit dem Titel und ihren düsteren Geschichten auf sich hat und wie sie sich von Anekdoten im Alltag inspirieren lässt.
Irene Treff, Ihre neue Kurzgeschichtensammlung heisst «Hirnschlüssel verloren?». Was in aller Welt ist ein Hirnschlüssel?
Das ist eine Wortkreation von mir und steht sinngemäss für Verstand verloren oder für bekloppt. Nach meinem ersten Buch fragte ich mich, wie ich den damaligen Titel «Männer, Frauen und andere Biester» toppen könnte. So kam ich auf dieses Wort.
Die Themen im Buch sind düster, wenngleich mit Witz erzählt. Es geht um einen gewalttätigen Landwirt, einen untreuen Ehemann, einen behinderten jungen Mann, der in einem Heim zu Tode kommt, oder um eine Frau, die wegen ihrer diktatorischen Mutter in psychologischer Behandlung ist. Haben Sie ein derart finsteres Bild von der Menschheit?
Eigentlich nicht. Ich bin ein positiver Mensch und glaube an das Gute im Menschen, selbst wenn das in der jetzigen Situation auf der Welt nicht immer einfach ist. Ich finde, man darf auch in düsteren Zeiten den Humor nicht verlieren. Und ich liebe den britischen schwarzen Humor. Deswegen haben meine Kurzgeschichten diesen Charakter.
Sie sind keine Zynikerin?
Nein, gar nicht, aber ich mag Ironie und Satire.
Wie kommen Sie zu Ihren Geschichten?
Meistens beobachte ich etwas im Alltag, und dann kommt mir eine Idee dazu. Diese schreibe ich zu Hause auf und verwende sie später für eine Geschichte. In meinem ersten Buch zum Beispiel gibt es eine Kurzgeschichte namens «Tageshoroskop». Eine ganz alltägliche Situation inspirierte mich dazu. Ich hörte eines Tages im Radio den Satz: «Hindernisse sollten Sie heute unbedingt aus dem Weg räumen.» Ich musste schallend lachen und schrieb später eine Kurzgeschichte dazu. Meine Geschichten haben oft einen wahren Hintergrund, ich lasse mich von der Realität inspirieren, sie sind am Ende aber meistens erfunden. Wirklich wahr sind im neuen Buch nur zwei Geschichten.
Ein häufiges Thema sind Trennungen – vor allem zwischen Mann und Frau. Sind Sie ein gebranntes Kind?
Das kann man schon sagen. Als ich klein war, trennten sich meine Eltern, und es gab einige unschöne Szenen. Das hat mich sicher geprägt. Auch sonst habe ich im Leben viele Trennungen mitbekommen. Das hat ein Gesamtbild ergeben, das sich in Geschichten wie «Mama Theresa» oder «Die Hälfte von nichts» widerspiegelt. Allerdings hatte ich selbst mehr Glück. Ich bin seit Jahrzehnten glücklich mit meinem Mann zusammen.
Liegt Ihnen eine Ihrer neuen Geschichten besonders am Herzen?
Ja, «Botticellis Engel». In dieser Geschichte geht es um einen gewissen Robert, der sich nach einer kurzen, leidenschaftlichen Affäre enttäuscht zurückzieht – irgendwann wird die Frau tot aufgefunden. Ich glaube, der Spannungsbogen hält hier besonders gut.
Sie haben bereits einmal ein Buch mit Kurzgeschichten veröffentlicht. Warum stets Kurzgeschichten und nicht zum Beispiel einen Roman?
Das hat sich so ergeben. Ich glaube, meine Ideen lassen sich am besten in Kurzgeschichten verpacken. Ich mag es komprimiert und nicht zu ausschweifend. Aber ich würde schon gern einmal einen Roman schreiben – zum Beispiel einen Krimi mit Humorfaktor.
Wen lesen Sie selbst am liebsten?
Ich mag Krimis von Charlotte Link. Die deutsche Autorin schreibt unglaublich spannende Geschichten. Ein Roman, der mich derzeit ebenfalls fesselt, ist «Der Gesang der Flusskrebse» von Delia Owens. Er enthält wunderbar eindrückliche Naturbeschreibungen. In diesem Roman geht es primär um einen Toten, aber die Geschichte nimmt auch andere Themen und Stimmungen auf.
Seit Ihrem Erstlingswerk sind acht Jahre vergangen. Warum dauerte es so lang bis zum neuen Buch?
Ich liess mir einfach Zeit und war nicht immer am Schreiben. Wenn ich eine Idee umgesetzt hatte, machte ich eine Pause. Ich bin ja kein Profi und habe noch andere Interessen. Ich male sehr gern und stelle ausserdem aus. Das nimmt ebenfalls Zeit in Anspruch.
Ist Ihre Kunst auch so düster?
Gar nicht. Ich male hauptsächlich Landschaften und Blumen – wobei eines meiner Bilder «Drachenzeit» heisst. Es entstand vor fünf Jahren, als es an verschiedenen Orten auf der Welt kriselte. Es ist ein Kriegsdrache, umgeben von Feuer.
Wie geht es weiter? Haben Sie schon mit einem dritten Werk begonnen, damit es nicht wieder acht Jahre bis zur nächsten Veröffentlichung dauert?
Ich habe ein paar Ideen und Notizen gesammelt, aber noch nichts geschrieben. Mal schauen, vielleicht werden es beim nächsten Mal keine Kurzgeschichten mehr, sondern ein Kriminalroman.
Hirnschlüssel
Das zweite Buch von Irene Treff heisst «Hirnschlüssel verloren?» und ist beim Hamburger Verlag Tredition erschienen – Untertitel: «Geschichtenpralinen, hinterhältig und raffiniert gewürzt». Das Buch enthält 19 Kurzgeschichten und hat 387 Seiten. Das Bild auf dem Umschlag stammt von der Autorin.