Geschichten und Reflexionen

Das Hospiz Aargau wird 30 Jahre alt. Die Ausstellung ­«Lebenshalt» rückt die ­Themen Leben und Sterben in den Fokus.
Dieter Hermann (rechts), Geschäftsführer von Hospiz Aargau, an der Ausstellung «Lebenshalt» in Zofingen. (Bild: zVg)

Seit drei Jahrzehnten begleitet das Hospiz Aargau Menschen auf ihrem letzten Lebensweg – mit Würde, Mitgefühl und einer tiefen Verbundenheit zum Leben. Das stationäre Hospiz in Brugg ist eines von neun aktiven Hospizen in der Schweiz und das einzige im Kanton Aargau. Betroffene und ihre Angehörigen werden ihren Bedürfnissen entsprechend ganzheitlich von einem multiprofessionellen Team unter der Einbindung von freiwilligen Sterbe- und Trauerbegleitenden versorgt.
Die 1928 in München geborene Luise Stephanie Thut erlebte als Kind den Krieg und musste als junge Frau feststellen, dass sie aus finanziellen Gründen ihren Traum von einem Medizinstudium begraben musste. Einfach so gab sie indes nicht auf, mit der ihr eigenen Beharrlichkeit versuchte sie es anderswo. Sie wanderte in die USA aus. Später lernte sie den Hospizgedanken kennen, als sie eine an Krebs erkrankte Freundin begleitete. Unermüdlich weibelte sie nach diesem Erlebnis für ihre Idee, schrieb Briefe und bildete sich weiter. Die Liebe zum Swissair-Piloten Heinz Thut führte sie schliesslich in die Schweiz.

Ein importierter Gedanke
Für sie sei der Tod etwas ganz Normales, sagte Luise Stephanie Thut immer wieder und meinte damit, dass sie sich bemüht habe, dem Tod das Tabu zu nehmen. Sie fand den Mut, die Art und Weise, wie wir sterben, zu thematisieren. Mit 60 Jahren jedoch beschloss sie, den Hospizgedanken in die Schweiz zu bringen. Weil es in der Schweiz damals noch keine entsprechenden Ausbildungen gab, erwarb sie im Ausland den Titel «Certified Hospice Trainer». Das berechtigte sie, ein Hospiz zu führen und Mitarbeitende auszubilden.
1994 gründete Luise Stephanie Thut den Verein Hospiz Aargau – ein Haus des Lebens. Im Jahr 2005 konnte sie den Traum in den Räumen des ­ehemaligen Klosters Gnadenthal in Niederwil verwirklichen. Im Jahr 2010 erfolgte der Umzug an den heutigen Standort in Brugg. Diesem sind inzwischen gut 1500 Mitglieder solidarisch verbunden. Im Jahr 2023 verstarb Luise Stephanie Thut. Ihr Lebenswerk wirkt aber bis heute über ihren Tod hinaus.

Mehr als nur ein Hospiz
Neben dem stationären Hospiz in Brugg steht ein Team von Sterbe- und Trauerbegleitenden 24 Stunden pro Tag an 365 Tagen im Jahr Menschen zu Hause unterstützend in den fordernden Situationen am Lebensende bei. Primär sind es Nachteinsätze bei sterbenden Personen vor Ort, mit denen pflegende Angehörige entlastet werden. An sieben Standorten im Kanton (Brugg, Seon, Muri, Aarau, Rheinfelden, Oftringen und Bad ­Zurzach) bietet Hospiz Aargau regelmässige Trauertreffs oder -cafés für trauernde Personen an. Ausgebildete Trauerbegleitende führen empathisch und fundiert durch die Treffen und geleiten Menschen nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe in einem geschützten Rahmen gezielt aus den ­Tiefen der Trauer.
Das Hospiz schliesst eine Versorgungslücke im kantonalen Gesundheitsnetzwerk und entlastet zudem das akutsomatische Angebot, was eine finanzielle Entlastung von Kanton und Krankenkassen nach sich zieht. Hospiz Aargau steht auf solidem finanziellem Boden, jedoch ist die Finanzierung von Hospizen reformbedürftig. Rund ein Drittel der Kosten pro Bett und Tag muss mit Spenden finanziert werden. «Jährlich müssen wir bei Hospiz Aargau 700 000 Franken an Spenden einnehmen, um dieses Defizit zu decken. Das liegt daran, dass Hospize der Langzeitversorgung, also der Pflegeheimfinanzierung zugeordnet sind. Patientinnen und Patienten müssen für die Pensionskosten aufkommen, und die Anteile von Krankenkassen, Wohngemeinden und Patienten können die Kosten nicht decken. Es sind viele Anstrengungen im Gange, um die Finanzierung von Hospizen zu reformieren. Hospizarbeit ist immer noch, auch nach 30 Jahren, Pionierarbeit», berichtet Dieter Hermann, Geschäftsführer von Hospiz Aargau.

Ausstellung als Zwischenhalt
Die Ausstellung «Lebenshalt» stellt die Themen Leben und Sterben auf berührende Weise ins Zentrum und lädt ein zu einem Zwischenhalt. Es sind wichtige Fragen wie: Was gibt uns Halt? Was trägt und stützt uns, und woran halten wir fest, auch in den letzten Tagen unseres Lebens? Die Ausstellung widmet sich diesen essenziellen Fragen und sucht Antworten in den persönlichen Geschichten von Patienten und Patientinnen des Hospizes Aargau. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr entstanden sieben Porträts. Die von Fotograf Roland Steiner eingefangenen Gesten greifen die intim erzählten Biografien der Porträtierten auf und werden zu Sinnbildern für gelebtes Leben.

Ausstellung «Lebenshalt»
24. April bis 1. Mai
Galerie Immaginazione, Brugg