Lackmustest für das Fusionsprojekt

In Lengnau wurde das Für und Wider einer Fusion der Talgemeinden emotional und engagiert diskutiert – die ­Meinungen scheinen gemacht.
An der Informationsveranstaltung prallten die Argumente des Gemeinderats, der Ja- und Nein-Komitees sowie des ehemaligen Gemeindeammanns und Grossrats Kurt Schmid (am Rednerpult) aufeinander. Schmid trug als Einzelvotant Gründe vor, die für eine Fusion sprechen. (Bild: bkr)

Lengnau – Mit dem Schlussbericht zum Fusionsprojekt Kompass empfahl der Lengnauer Gemeinderat seinen Bürgerinnen und Bürgern, Nein zum Zusammenschluss der Gemeinden Endingen, Lengnau, Schneisingen und Tegerfelden zu sagen. Inzwischen haben sich je ein Komitee für und gegen eine ­Fusion der vier Gemeinden gebildet. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung prallten letzte Woche die Pro- und Kontra-Argumente direkt aufeinander. Für eine grosse Mehrheit der rund 250 Anwesenden ergab die Lackmusprobe rot, wie brandender Applaus für fusionskritische ­Voten gezeigt hat. Eine Zustimmung zum Fusionsvertag – die ausserordentliche Gemeindeversammlung ­findet am 23. Juni statt – scheint eher fraglich.
Den Informationsabend eröffnete Gemeindeammann Viktor Jetzer (SVP), der zusammen mit dem für die Fi­nanzen zuständigen Gemeinderat Urs Wieland (parteilos) die Gründe für das gemeinderätliche Nein vertiefte. Jetzer betonte, dass man die erfolg­reiche Zusammenarbeit mit den Gemeinden Endingen und Tegerfelden fortsetzen und ausbauen wolle und Schneisingen zur Teilhabe an den bestehenden Verträgen eingeladen werden solle. Eine Fusion, so Jetzer, bringe im Vergleich einen nur «sehr geringen Effizienzgewinn». Laut Wieland würde ein Zusammenschluss zu einem Steuerfuss führen, der über den prognostizierten 108  Prozent liege. Der Grund? «Im Investitionsplan für die neue Grossgemeinde fehlen verschiedene millionenteure Projekte», sagte Wieland. Die laufenden Kosten einer Gemeinde Surbtal be­zifferte Wieland um 900 000 Franken höher als prophezeit – was 4,2 Steuerprozent entspricht.
Auch die Gebühren für Wasser und Abwasser würden mit einer Fusion teurer. «Ein Zusammenschluss ist aus Sicht Lengnaus mit erheblichen Risiken verbunden», ergänzte Gemeindeammann Jetzer.

«Alles bleibt gleich, nur besser»
Was für eine Fusion spricht, zeigten Referenten des Pro-Komitees auf. Dave Burgherr, ehemaliger SP-Grossrat, und José Müller, ehemaliger Schulpflegepräsident der SVP sowie aktueller Präsident der Sportvereine Lengnau, hielten eingangs fest: «Alles bleibt gleich, nur besser.» Zum Punkt Finanzen sagte Müller: «Die Steuerkraft der vier Gemeinden ist ähnlich. 2024 präsentierten alle einen Überschuss.» Man fusioniere aus einer Position der Stärke heraus. «Ein Zusammenschluss verbessert die demokratische Mitwirkung, die bei Gemeindeverträgen weitgehend wegfällt», betonte Burgherr.
Wie bereits der Gemeinderat konn-te auch SVP-Grossrat Hanspeter Suter vom Nein-Komitee keine fusionsbedingten Spareffekte oder Effizienzsteigerungen erkennen. «Was ein Zu­sammenschluss bewirkt, ist ein Verlust an Bürgernähe und an De­mokratie» – womit er die künftig höhere Zahl an Unterschriften für ein Referendum ansprach. Finanziell und strukturell gesehen, müsse Lengnau nicht fusionieren. «Eine Fusion auf Vorrat ist unverantwortlich», sagte Suter. Im Gegensatz zu den Vor­rednern Burgherr und Müller erntete ­Suter für seine Worte grossen ­Applaus.

5000 Einwohner als Minimum
Unter den verschiedenen Wortmeldungen aus dem Plenum war auch jene von Kurt Schmid. Der ehemalige Gemeindeammann und CVP-Grossrat hatte 2022 zusammen mit ehemaligen Gemeindeammännern aus den anderen Surbtalgemeinden die Prüfung einer Fusion angeregt. Schmid ist von Berufs wegen ein Kenner der Aargauer Gemeindelandschaft und hat kürzlich für Furore gesorgt, indem er sagte: Gemeinden unter 5000 Einwohnern würden es allein nicht mehr schaffen.
«Einzig die Fusion ermöglicht eine eigenständige und intakte Gemeinde.» Sein Votum enthielt zudem die Aussage: «Eine Gemeinde muss ihre Zukunft auf mindestens zehn Jahre hinaus planen.» Schmid zeigte sich ob der ablehnenden Haltung des Gemeinderats enttäuscht und kritisierte ihn für ein Nein, dem die Zukunftsperspektive fehle. Mit seinen Aussagen kam Schmid bei einigen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht gut an.
Das Schlusswort bildete die Wortmeldung von Rita Hanselmann, ehemalige Frau Vizeammann der FDP: «Lesen Sie den Vertrag. Schauen Sie sich die Pro- und Kontra-Argumente gut an und bilden Sie sich eine eigene Meinung.»