Wettingen – Marc Tschanz arbeitet als Werkstattleiter in einem bekannten Wettinger Fahrradfachhandelsgeschäft und verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung. Ziemlich jedes Zweirad – egal, woran dieses krankt – erhält von ihm einen Service und wird auf Herz und Nieren geprüft. Das erstaunt nicht, war er doch während einer Saison als Mechaniker beim Schweizer Radnationalkader beschäftigt. «Da das Nationalkader nur im Ausland fährt, war ich in halb Europa unterwegs: Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und Polen. In dieser Zeit habe ich mehr als 50 000 Kilometer im Auto zurückgelegt.»
Anfrage nach der Amerikareise
Doch wie kam es dazu, das Schweizer Radnationalteam als Mechaniker zu begleiten? «Nach der Lehre arbeitete ich im Lehrbetrieb weiter, habe mich aber gleichzeitig beim Schweizer Radverband um eine Stelle als Mechaniker beworben. Nach einer Amerikareise meldete sich der Radverband bei mir, und glücklicherweise hatte ich damals nur einen Monat Kündigungsfrist und konnte danach beim Nationalteam anfangen», erinnert sich der Zweiradmechaniker.
Für seine Arbeit mit dem Nationalkader musste der leidenschaftliche «Gümmeler» oft früh aufstehen, was für ihn als selbst erklärten Morgenmuffel bisweilen nicht einfach war. Nach dem Aufstehen musste Marc Tschanz ungefähr 16 Rennräder sowie gegen 50 Ersatzräder aufpumpen. Erst dann gab es Frühstück. Stand ein Rennen oder ein Training auf dem Programm, holte er danach den Bus, einen Mercedes Vito, der eine kleine Werkstatt enthielt, belud diesen mit Material und fuhr damit zum Startort. Dort übergab er den Bus dem Teambetreuer oder der Teambetreuerin und fuhr selbst mit einem Teamwagen dem Renntrupp hinterher. So war Marc Tschanz stets zur Stelle, wenn ein Radwechsel oder eine Reparatur vorgenommen werden musste. Am Ziel übernahm er wieder den Bus und fuhr damit zum nächsten Hotel.
Improvisationskunst
«Herausfordernd war stets, Wasser und Strom zu bekommen, um mit dem Service an allen Rennvelos beginnen zu können», erinnert sich Marc Tschanz. Als Teammechaniker musste er sicherstellen, dass die Fahrräder optimal funktionierten. Dazu gehörten das Überprüfen und das Einstellen der Bremsen und der Schaltungen. Ausserdem galt es, individuelle Anpassungen an den Wettkampfrädern entsprechend den Bedürfnissen der Fahrer vorzunehmen. Neben der Sitzhöhe und der Position des Lenkers mussten zahlreiche weitere ergonomische Aspekte beachtet werden.
Oft endeten die Arbeitstage für das Nationalkader nicht nach dem Abendessen. Service und Reparaturen mussten zeitnah ausgeführt werden. Vor ihrem nächsten Einsatz mussten alle Rennvelos gereinigt und allenfalls von Stürzen lädierte Fahrräder wieder instand gestellt werden. Nach Bedarf wurden Lenker gewechselt, Bremshebel neu eingestellt, Reifen gewechselt und Veloketten geölt. «Teilweise habe ich bis spät in die Nacht oder bis in die Morgenstunden gearbeitet», berichtet der Geroldswiler.
Es sei eine kräftezehrende Zeit gewesen, meint der heute 46-Jährige. Bei der Arbeit sei er auf sich allein gestellt gewesen. Marc Tschanz lernte, rasch für jedes Problem eine Lösung zu finden, die mit den begrenzten Hilfsmitteln umgesetzt werden konnte. «Neben Wasser und Strom benötigte ich immer wieder spezielles Werkzeug oder Ähnliches. Dann musste ich meist fremdsprachigen Personen mein Problem schildern und auf ihre Hilfe hoffen.»
Auch die Verwaltung und die Logistik des gesamten Equipments, einschliesslich der Ersatzteile, des Werkzeugs und allen Zubehörs, fielen in den Verantwortungsbereich des Mechanikers. Marc Tschanz war bei seiner Arbeit für das Radnationalkader auf die enge Zusammenarbeit mit Trainern und Sportdirektoren angewiesen, um sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen der Athleten erfüllt wurden. Testfahrten, um die Performance der Fahrräder zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, gehörten fast wie nebenbei ebenfalls zum Anforderungsprofil.
Festgefahren
Der Werkstattleiter Marc Tschanz blickt heute noch gern auf diese spannende Phase seines Lebens zurück. Besonders eine Geschichte mit dem Trainer des Nationalteams, Marcello Albasini, bringt ihn heute noch zum Schmunzeln. Als er während eines Rennens ein Rad wechseln musste, fuhr ihm eben dieser Trainer mit dem Auto versehentlich auf den Fuss und bat ihn dringend und nicht ganz höflich, gefälligst einzusteigen. Tschanz gab ihm daraufhin zu verstehen, dass er das gern tun würde, es aber momentan nicht ginge, weil Albasini mit seinem Auto auf seinem Fuss stehe.
Marc Tschanz ist froh, dass er als junger Mensch die Chance genutzt hat, als Mechaniker beim Schweizer Radnationalteam mitzutun. Er habe viel von der Welt gesehen und unzählige Menschen kennengelernt. «Besonders war, wenn die Polizei einen bei Rotlicht durchwinkte, weil man dem Rennen folgen musste. Manchmal bei ziemlich überhöhter Geschwindigkeit …» Heute ist Marc Tschanz nach wie vor unterwegs, nicht mit überhöhtem Tempo, aber sportlich als Bezwinger zahlreicher Pässe auf seinem Fahrrad.