«Metal wird zu wenig ernst genommen»

Früher war sie Leistungssportlerin, heute gibt Debora Lavagnolo mit ihrer Metal-Band Deep Sun gleicher­massen Gas.
Debora Lavagnolo mit ihrer Band Deep Sun. (Bild: zVg)

Birrhard – Debora Lavagnolo veröffentlicht mit ihrer Band Deep Sun ein neues Album

Debora Lavagnolo, die Musikszene kennt Sie seit 16 Jahren als Frontfrau von Deep Sun. Was viele Fans nicht wissen: Sie waren zuvor auf der Tartanbahn erfolgreich.
Ja, ich war viele Jahre in der Leichtathletik. Ich begann als Juniorin, als Aktive war ich Mitglied der Nationalmannschaft und mehrfache Schweizer Meisterin über 400 Meter. Ich wuchs zwar mit Musik auf – meine Eltern hörten gern Uriah Heep und Pink Floyd – und als Schülerin sang ich in einem Jugendchor, aber ich widmete mich die ganzen Jahre vor allem dem Leistungssport. Für Musik blieb schlicht keine Zeit. Erst kurz bevor ich mich aus der Leichtathletik zurückzog, begann ich, in einer Band zu singen.

Wie kam es dazu?
Mein Mann Tobias Brutschi, der heute Schlagzeuger bei Deep Sun ist, spielte mir zum ersten Mal Songs der finnischen Symphonic-Metal-Band Nightwish und ihrer Sängerin Tarja Turunen vor. Das war kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Ich wusste sofort: Solche Musik will ich auch machen, das will ich mit meiner Stimme ebenfalls erreichen. Ich war 23 Jahre alt und begann, am Konservatorium in Zürich Unterricht im klassischen Gesang zu nehmen. Als Deep Sun etwa zur gleichen Zeit eine neue Frontfrau suchten, meldete ich mich. Sie luden mich zum Vorsingen ein, und ich sang natürlich ein Lied von Nightwish. Kurze Zeit später wechselte auch mein Mann von seiner anderen Band zu Deep Sun. Mit 27 Jahren gab ich in der Leichtathletik schliesslich meinen Rücktritt. Was ich an Zeit und Energie zuvor in den Sport investiert hatte, hatte ich nun für die Musik zur Verfügung.

Sie leben zusammen mit Ihrem Mann in Birrhard. Stammen die ­anderen Bandmitglieder auch aus der Gegend?
Ja, fast alle. Unser Keyboarder Thomas Hiebaum wohnt in Brugg und Gitarrist Erik Dummermuth in Lengnau. Wir sind also definitiv eine Band von hier – selbst wenn das fünfte Mitglied, Angelo Salerno, im Baselbiet wohnt.

Wie beurteilen Sie die Aargauer ­Metal-Szene?
Es gibt im Aargau eine richtige Szene mit vielen guten Metal-Bands, wenn auch weniger aus dem Symphonic-Bereich. Aber ich habe das Gefühl, dass sie zu wenig Anerkennung bekommt. In der institutionalisierten Kulturförderung des Kantons wird Metal nach wie vor zu wenig ernst genommen. Dabei stehen gerade beim Symphonic Metal eine Ausbildung im klassischen Gesang, eine Versiertheit an den Ins­trumenten und viel Technik dahinter. Wir versuchen immer wieder, durch Kuratorien finanzielle Unterstützung zu erhalten, leider seit vielen Jahren vergeblich. Wir finanzieren alles selbst.

Von der Leichtathletik zu Metal: Debora Lavagnolo in ihrem Wohnzimmer in Birrhard. (Bild: leh)

Sie führen zusammen mit Tobias Brutschi ein eigenes Label, auf dem Sie das neue Album veröffentlichen. Es heisst Power Blast Records.
Ja, wir haben ein Label gegründet, denn ein Album selbst zu veröffentlichen, bringt einige Vorteile. Ein Vorteil ist, dass die Einnahmen aus dem Verkauf an das eigene Label gehen, direkt und ohne Zwischenhändler. Bei Power Blast Records fliesst das Geld bei allen Bands, die bei uns unter Vertrag sind, grossmehrheitlich an sie zurück. Schliesslich geht es auf einem Album stets um Musik, und diese stammt nun mal nicht vom Label, sondern von den Bands. Bei unserem neuen Album verzichten wir ausserdem vollständig darauf, die physischen Alben, also die eigentlichen CDs und LPs, über einen Vertriebspartner in die Verkaufsgeschäfte zu bringen, sondern verkaufen sie ausschliesslich über unseren eigenen Onlineshop. So erscheint das Album zwar nicht mehr in der offiziellen Hitparade, aber die Einnahmen fliessen direkt zur Band – was bei einer sehr kostspieligen Albumproduktion ja äusserst wertvoll ist. Die vorhergehenden zwei Alben erschienen noch über ein anderes ­Label, und so landeten wir dank der zahlreichen Verkäufe zweimal in den Schweizer Albumcharts, zuerst auf Platz elf, dann auf Platz vier. Wir waren in den Hitparaden, was vom Werbeeffekt her natürlich toll war. Von den Verkäufen sahen wir aber nicht viel. Jetzt ist es umgekehrt.

Sie widmen sich intensiv Ihrer Musik und spielen mit Deep Sun regelmässig im Ausland. Haben Sie den
Sport ganz aus Ihrem Leben verbannt?

Nein, aber es muss heute kein Sprint mehr sein. Ich habe vor Jahren das Langstreckenlaufen für mich entdeckt und unterdessen den sogenannten Gigathlon absolviert – mit einem Halbmarathon am ersten und einem 13-Kilometer-Berglauf am zweiten Tag. Heute ist der Sport ein Ausgleich für mich. Ich bin unterdessen 40 Jahre alt und arbeite 80 Prozent bei der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, da muss es nicht mehr dauernd ruckzuck gehen.

Schlummert in Ihnen noch immer eine Wettkämpferin?
Nein, in der Regel gehe ich locker joggen, um den Kopf zu lüften oder Songtexte zu lernen. Oder ich gehe ins Yoga. Ich bin keine Wettkämpferin mehr, aber wenn ich etwas mache, dann will ich es noch immer richtig machen – wie in der Musik.