«Carmen» wird als Ballett aufgeführt

Am Freitag ist die Premiere von «Carmen». Erstmals steht die Produktion unter der künstlerischen Leitung von Filipe Portugal.
Die Proben laufen noch, doch bald gilt es ernst: Wenn am ­Freitag die Premiere von «Carmen» in den frisch renovierten Räumlichkeiten der Klosterkirche Königsfelden in Windisch über die Bühne geht. (Bild: ub)

tival Tanz und Kunst Königsfelden dieses Jahr steht, machen neugierig. Erstmals wird das Publikum es in den frisch renovierten Räumlichkeiten der Klosterkirche Königsfelden erleben. Zweite Premiere: Die interdisziplinäre Produktion steht dieses Jahr unter der künstlerischen Gesamtleitung von Filipe Portugal, der 2024 die Nachfolge von Brigitta Luisa Merki angetreten hat. Und drittens wird «Carmen», eine der berühmtesten Figuren der Opernwelt, nicht wie üblich mit Sängerinnen, Sängern und Orchester aufgeführt, sondern als Ballett. Den musikalischen Teppich legen sechs Celli und zwei Perkussionisten des freien Ensembles Chaarts Chamber Artists. Der israelische Komponist Jonathan Keren lässt dafür bekannte Melodien von Georges Bizet mit eigener, oft sehr eigenwilliger Musik verschmelzen. Bei der Handlung hält sich Choreograf Portugal in den Grundelementen an das Original, in dem es um Verführung, Liebe und Eifersucht geht, die schliesslich zum Tod führt.

Künstlerischer Leiter Filipe Portugal. (Bilder: UB)

Während die Rolle der Carmen als selbstbewusste, freiheitsliebende und leidenschaftliche Frau mit wechselnden Liebhabern bei ihrer Uraufführung vor exakt 150 Jahren als skandalös und sittenwidrig galt, ist sie es heute nicht mehr. Die Hauptfigur ist bei Tanz und Kunst Königsfelden eine Frau in einem moderneren und offeneren Umfeld als früher. Und Don José ist ein Mann, der auch Gefühle zeigen und Selbstzweifel zugestehen kann, weil er rettungslos verliebt ist. Dass die Handlung der Oper in der Ballettversion von Portugal ohne Worte auskommt, fordert das 14-köpfige Tanzensemble nicht nur körperlich. Um die verschiedenen Stimmungen ins Publikum zu transportieren, sind Ausdruckskraft und schauspielerisches Können gefragt. Für die Dramaturgie zeichnet Schauspieler Gregor Acuña-Pohl verantwortlich, der schon mit international bekannten Opern- und Theaterregisseuren gearbeitet hat. «Wir setzen ‹Carmen› so in Szene, dass alle der Handlung folgen können, sogar ohne Libretto», verspricht Portugal.

Tanzprofis aus der ganzen Welt
Ein Blick in die Proben im Oederlin-Areal ist ein Erlebnis: David Coria übt mit Giulia Tonelli seit Stunden verschiedene virtuose Hebefiguren der Liebesszene ein, und sein Trainings­shirt ist schweissnass. Dem spanischen Flamencotänzer und der italienischen Balletttänzerin wurden die beiden Hauptrollen zuteil. Es liegt nun an Portugal, die beiden zu einer Einheit zusammenzufügen, selbst wenn sie aus komplett verschiedenen Stilrichtungen kommen.
Bunt gemischt ist zudem der Rest des Ensembles. Die professionellen Tanzschaffenden stammen aus ganz Europa, Japan, Amerika und Mauritius. Portugal war es wichtig, ein gemischtes Ensemble aus verschiedenen Altersgruppen auf die Bühne zu bringen: «Die Jungen sind verspielt und voller Energie, die Älteren bringen ­Erfahrung mit und sorgen für Tiefe. Und beide Generationen profitieren im Entwicklungsprozess voneinander.» Für die Bühne werden die Mitwirkenden in Kostüme von Claudia Binder gekleidet und kommen mal schlicht und dann wieder glamourös daher.

Bühnenbild sorgt für Magie
Ein tragendes Element aller Produktionen von Tanz und Kunst Königsfelden ist das Bühnenbild. Dieses Jahr wird es von Antonina Businger kreiert, sie war Festgestalterin der letzten Badenfahrt. Die Künstlerin gestaltet im denkmalgeschützten Sakralbau drei Stellwände aus Holz und Plexiglas. Sie sind vier Meter hoch und rund zwei Meter breit, mit verschiedenen Motiven aus «Carmen» bemalt und inwendig mit bronzefarbiger Folie beschichtet.
Das Zusammenspiel von dem schimmernden Material, transparentem Glas und raffiniert in Szene gesetzten Lichteffekten wirkt vielschichtig und geradezu magisch. Die Stellwände sind reversibel, auf Rollen und werden während der Aufführung von den Protagonistinnen und Protagonisten laufend verschoben. So entstehen immer wieder neue Bilder und Stimmungen. Spektakulär ist auch der 18 Meter hohe orange-rote Vorhang, der hinter der grossen Bühne das Hauptportal der Klosterkirche verdeckt und je nach Scheinwerfereinstrahlung die Farbe zu wechseln scheint.

Die Ensemblemitglieder sind vor der Premiere intensiv am Proben.


Festival wird erweitert
Unter der neuen künstlerischen Gesamtleitung von Portugal wird das Festival Tanz und Kunst Königsfelden erweitert. Neben den Hauptaufführungen von «Carmen» finden zwischen dem 23. Mai und 21. Juni in der Klosterkirche verschiedene zusätzliche Events statt.
Am 28. Mai lässt das Ensemble Chaarts ­zusammen mit Sopranistin Chelsea Marilyn Zurflüh weltberühmte Stücke unter anderem von Bizet, Ravel und Piazzolla erklingen. Der 4. Juni steht unter dem Motto «1001 Nacht», und Chaarts spielen unter anderem Werke aus Mozarts Oper «Die Entführung aus dem Serail». Am 11. Juni heisst es «Music in Motion», Chaarts treten gemeinsam mit Tänzerinnen von «Carmen» auf. Am 20. und 21. Juni kommt schliesslich Flamencotänzer David Coria mit ­seinem internationalen Ensemble auf die Bühne und zeigt mit «Los Bailes robados» ein elektrisierendes Flamencoritual über Rebellion, Unterdrückung und Befreiung.