Spektrum des Sonnenlichts voll nutzen

In Rütihof wurde letzte Woche die weltweit grösste Solaranlage in einem Gewächshaus eingeweiht, die das Sonnenlicht selektiv verwertet.
Voltiris-CEO Nicolas Weber, Regierungsrat Markus Dieth und Ruedi Meier posieren vor der neuen Solaranlage. (Bild: sim)

Rütihof – In der Badener Exklave Rütihof steht neu die weltweit grösste Solaranlage in einem Gewächshaus. Die Anlage deckt eine Fläche von 8000 Quadratmetern ab und wurde in einem Gewächshaus des Unternehmens Meier Gemüse AG installiert. Das familiengeführte Unternehmen ist seit 1948 ein bedeutender Gemüseproduzent im Kanton. «Rund die Hälfte der Aargauer Tomaten stammen von hier», erklärt Geschäftsführer Ruedi Meier. Das entspricht ungefähr fünf Prozent aller in der Schweiz produzierten Tomaten.

In Zusammenarbeit mit dem Lausanner Start-up Voltiris hat der Betrieb in den letzten Wochen und Monaten in einem seiner Gewächshäuser eine neuartige Agri-Photovoltaik-Anlage eingebaut. Die Anlage basiert auf neu entwickelter Technologie und erlaubt erstmals eine effiziente Kombination von Stromproduktion und Gemüseanbau in Gewächshäusern, ohne dass der Ertrag darunter leidet. «Das war für uns entscheidend, denn hier im Betrieb sagen wir, dass ein Prozent weniger Sonnenlicht auch ein Prozent weniger Ertrag bedeutet», betont Meier.

Weltweit grösste Solaranlage ihrer Art. (Bild: sim)


Kraftpaket unter dem Dach
Die Anlage besteht aus 1736 Solarpanels, verteilt auf einer Fläche von 0,8 Hektar. Pro Jahr liefert sie laut Berechnungen der Ingenieure von Voltiris zwischen 160 und 180 Megawattstunden Strom. «Mit dem Strom, den wir hier an einem Sonnentag produzieren, könnten rund zehn Einfamilienhäuser ein Jahr lang versorgt werden», macht Dominik Blaser, Mitgründer und Chief Product Engineer von Voltiris, die Leistungsfähigkeit der Gewächshaus-Solaranlage deutlich. Kernstück der Innovation ist eine Filtertechnologie, die das Spektrum des Sonnenlichts gezielt aufteilt: Nur das rote und blaue Licht, das Pflanzen für die Photosynthese und damit für ihr Wachstum benötigen, dringt zu den Tomatenpflanzen im Gewächshaus durch. Das restliche Licht, etwa im grünen und infraroten Bereich, wird über farbige, konkav angeordnete Filterflächen auf Solarpanels gespiegelt. Diese bündeln das Licht mit vierfacher Intensität, was trotz der relativ kleinen Solarzellen zu einer besonders hohen Stromausbeute führt. Kleine Motoren sorgen dafür, dass Filterflächen zudem ständig optimal zur Sonne ausgerichtet werden.

Technologie und Landwirtschaft
Der Kanton Aargau unterstützt das Projekt mit 50 000 Franken im Rahmen seiner Solaroffensive und sieht in der Anlage ein Vorzeigeprojekt für die kombinierte Nutzung von Landwirtschafts- und Energieflächen, wie Regierungsrat Markus Dieth, Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen, in seiner Ansprache betonte. Was die Anlage insgesamt kostete, wurde anlässlich der Medienkonferenz letzten Donnerstag nicht verraten. Dessen ungeachtet sieht auch die Firma Meier Gemüse AG in der neuen Anlage einen wichtigen Schritt hin zur Energieautarkie. Bereits heute deckt die neue Anlage rund ein Fünftel der gesamten Gewächshausfläche ab, ein weiterer Ausbau ist geplant. Das Unternehmen möchte sich langfristig von fossiler Energie, insbesondere Erdgas, unabhängig machen. «Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg», ist sich Ruedi Meier bewusst. Das Unternehmen rechnet damit, mit der neu installierten Anlage und gemeinsam mit der bereits bestehenden, konventionellen Solaranlage, künftig fünf bis zehn Prozent des eigenen Strombedarfs decken zu können.

Voltiris hat bereits 700 Module in weiteren Projekten installiert, unter anderem im Baselbiet, und strebt eine internationale Expansion an – insbesondere in die Niederlande, einem Zentrum des europäischen Gewächshausbaus. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender, Vorteil der neuartigen Solaranlage liegt darin, dass die Module innerhalb bestehender Gebäude installiert werden. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, vor den Installation ein Baugesuch einzureichen, wodurch sich wesentliche zeitliche und finanzielle Einsparungen ergeben.
Da es in der Natur der Sache liegt, dass Gewächshäuser grosse Flächen abdecken und Voltiris nach vierjähriger Entwicklungsphase erst wenige Projekte realisiert hat, stehen die Chancen gut, dass der Anlage in Rütihof bald weitere folgen werden.