Gemüter durch Bilder bewegen

Filmemacherin und Aktivistin Rebecca Panian redet nicht bloss über globale Probleme, sie geht mit ihren Filmen und neuen Formaten dagegen an.
Filmemacherin Rebecca Panian auf dem Berner Bundesplatz. (Bild: zVg)

Wettingen – Diesen Sommer beginnen die Dreharbeiten zu Rebecca Panians neuem Spielfilm «Lottery». Die Handlung spielt in der nahen Zukunft und ist knallhart. Die Erde ist ausgetrocknet, und der Lebensraum reicht nicht mehr für alle Menschen. Deshalb gibt es eine riesige Migration zu den noch wenigen bewohnbaren Gebieten. Doch weil die Gefahr besteht, dass die Menschenmasse auf engstem Raum innert Kürze noch die letzten Ressourcen verbraucht, muss eine Selektion stattfinden. Zwölf Weltenbürgerinnen und -bürger sollen innerhalb von zwölf Stunden eine möglichst «humane» Lösung finden, wie man die Menschheit dezimieren kann. Wenn sie zu keinem Resultat kommen, tritt eine Art Lotteriesystem in Kraft. Drei Milliarden Leute würden dann zufällig ausgewählt und vernichtet.

Wie kommt die Filmemacherin aus Wettingen auf diesen bitterbösen Plot? «Er ist geboren aus meiner Wut, wie rücksichtslos wir mit unserer Erde als Lebensgrundlage umgehen», sagt Rebecca Panian. Es ist nicht ihre Art, einfach nur die Faust im Sack zu machen. Wenn sie Missstände sieht, wird sie aktiv und geht an die Öffentlichkeit. Dank einem Förderbeitrag der Else-von-Sick-Stiftung sind die Grundkosten für den Film gedeckt.

Resignation gibt es nicht
Zu mehr sozialer Gerechtigkeit hätte nach der Meinung von Rebecca Panian auch das bedingungslose Grundeinkommen geführt, das in der Abstimmung 2016 abgelehnt wurde. «Mit einer Lebensgrundlage von monatlich 2500 Franken hätten viele Probleme gelöst werden können. Es gäbe wesentlich weniger Existenzängste, die das nachhaltige Denken blockieren. Man hätte zudem mehr Freiraum, um sich sozial zu engagieren oder ein eigenes Business zu gründen. Alle könnten ihre Energien sinnvoll einsetzen», meint sie.

Um zu zeigen, wie das Ganze in der Praxis funktioniert, rief sie 2018 das Format «Dorf testet Zukunft» ins Leben. Die Bevölkerung der kleinen Zürcher Gemeinde Rheinau sollte über zwölf Monate hinweg ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. 770 von insgesamt 1200 Einwohnenden waren bereit, sich auf das freiwillige Experiment einzulassen. Die dafür notwendigen Finanzen wollte Rebecca Panian per Crowdfunding generieren.

Daran scheiterte das Projekt schliesslich. Die 46-jährige Aktivistin aus Wettingen filmte das ganze Vorhaben als Bestandteil des geplanten Dokumentarfilms «Imagine», der jedoch vom Bundesamt für Kultur als «politischer Werbefilm» zurückgewiesen wurde. Trotz Widerständen macht Rebecca Panian weiter. Resignation kommt für sie nicht infrage.

Lösungen finden statt kämpfen
Weil das Projekt vorübergehend auf Eis gelegt ist, konzentriert sich Rebecca Panian auf ihr neues Format «Voll auf die 12». Es basiert auf dem Spielfilm «Lottery», und sie hat es inzwischen mehrfach erfolgreich erprobt. Nun will sie das Konzept in Gemeinden anbieten.

«Natürlich geht es nicht wie in meinem Film darum, die Bevölkerung zu dezimieren. Sondern darum, dass eine zufällig ausgewählte Menschengruppe innert Kürze zu einer konkreten Lösung für ein lokales Problem kommt, das die ganze Gemeinde betrifft.» Das Vorgehen: Zwölf zufällig ausgeloste Personen haben 90 Minuten Zeit, um eine einstimmige Lösung für das von der Mehrheit bestimmte Problem zu finden. Ob sie angenommen wird, entscheidet letztlich das Publikum. Moderiert wird von den Teilnehmenden selbst – auf Augenhöhe und mit klaren Regeln. «Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden, statt sich gegenseitig zu bekämpfen. Dabei gewinnt nicht, wer am lautesten schreit oder am cleversten vorgeht, sondern diejenige Gruppe, die am besten zusammenarbeitet», erklärt Rebecca Panian.

Dank der Unterstützung der Gebert-Rüf-Stiftung kann Rebecca Panian das Format sechs Deutschschweizer Kommunen kostenlos anbieten. «Alles, was es braucht, ist ein Raum für die Veranstaltung, ein paar Stühle und ein bisschen Zeit», sagt sie. Sie sucht noch zwei experimentierfreudige Gemeinden. Diejenigen, die bereits mit im Boot sind, hält sie vorerst noch geheim. «Voll auf die 12» wird auch Teil des Programms von «Disput(N)ation» sein, dem grossen Fest, das 2026 zum Jubiläum «500 Jahre Badener Disputation» stattfindet.

Swissair und «Big ­Brother»
Rebecca Panian lebt selbst nachhaltig und sparsam in einer Mehrgenerationen-WG. Die gelernte Schriftenmalerin machte ihre Berufsmatura an der Zürcher Hochschule der Künste und schloss einen Master in Spielfilmregie an. Dazwischen jobbte sie als Flugbegleiterin bei der Swissair und gehörte dort zum letzten Lehrgang vor dem Grounding. Bei einem Weiterbildungskurs von RTL in Köln lernte sie den Leiter der Fernsehproduktionsfirma Endemol kennen und wurde ins Produktionsteam der fünften Staffel von «Big Brother» aufgenommen.

Weil ihr Vater schwer erkrankte, kam sie in die Schweiz zurück und machte einen Bachelor in Journalismus. Nach dem Tod ihres Vaters drehte sie ihren ersten Dok-Film «Zu Ende leben», in dem sie einen jungen Mann, der an einem Hirntumor litt, in der letzten Phase seines Lebens begleitete. Angst vor dem Scheitern hat sie bei ihren oft sehr unkonventionellen Projekten nie: «Ich bin in meinem Leben schon oft gescheitert und habe immer etwas daraus gelernt, das mich weitergebracht hat.»