Fislisbach – Michelle Heimberg konnte mit ihren erst 25 Jahren bereits zahlreiche internationale Erfolge im Wasserspringen verbuchen. Tatsächlich ist sie die erfolgreichste Schweizer Athletin in dieser Disziplin überhaupt. Seit einigen Jahren wohnt sie in Aarau, stammt aber ursprünglich aus Wettingen und wuchs in Fislisbach auf. Zum Wasserspringen kam Michelle Heimberg als Teenagerin, die Sportart war aber keineswegs ihre erste Wahl. Schon als Vierjährige entdeckte sie das Kunstturnen für sich und bewies früh grosses Talent.
Mit zwölf Jahren trainierte die junge Athletin mit der kantonalen Auswahl und stand kurz davor, in die nationale Auswahl aufzusteigen. Doch zwei Kniescheibenbrüche in zwei Jahren stellten sie vor die Entscheidung, mittelfristig erste gesundheitliche Schäden zu erleiden oder das Kunstturnen an den Nagel zu hängen. «Die Ärzte hielten die Belastung für zu hoch, deshalb begab ich mich mit meinen Eltern auf die Suche nach einer Sportart, die schonender für die Knie ist», erklärt die Spitzensportlerin.
Umgewöhnung mit Vorteilen
Ein weiteres Kriterium bei der Auswahl einer neuen Sportart war, ob diese olympisch ist. Denn es ist Michelle Heimbergs erklärter Traum, die Schweiz an Olympischen Spielen zu vertreten. Diesen Wunsch hegt sie, seit sie mit acht Jahren die Olympischen Spiele 2008 in der chinesischen Hauptstadt Peking im Fernsehen verfolgte. Nach längerer Suche und diversen Probetrainings entdeckte sie das Wasserspringen für sich. Eine Umgewöhnung, selbst wenn sich die Bewegungsabläufe in beiden Sportarten stark ähneln. «Besonders das rückwärts Eintauchen hat anfangs sehr viel Überwindung gebraucht», erinnert sich die 25-Jährige. «Zudem springt man hier immer auf den Kopf, während es im Kunstturnen unbedingt gilt, diese halbe Drehung mehr zu vermeiden.»
Dank ihrem Talent und ihrer Erfahrung im Kunstturnen gehörte Michelle Heimberg nach wenigen Jahren zur nationalen Elite im Wasserspringen. 2017 belegte sie den zweiten Platz bei der Europameisterschaft und gewann damit ihre erste Medaille an internationalen Wettkämpfen. Drei Jahre später trat Michelle Heimberg in Tokio erstmals für die Schweiz an Olympischen Spielen an, wo sie die Finalrunde erreichte und den elften Platz belegte. Noch einmal drei Jahre danach, 2023, erreichte ihre Sportkarriere mit dem Sieg vom Einmeterbrett an der Europameisterschaft einen vorläufigen Höhepunkt.
Paris, die bittere Pille
Spätestens jetzt war Michelle Heimberg an der Weltspitze des Wasserspringens angekommen. 2024 scheiterte sie aufgrund eines verpatzten Sprunges aber an der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris. Nach diesem Fehlschlag zog sich die Spitzensportlerin vom Sprungturm zurück, betrat monatelang keine Schwimmhalle. Erst auf die laufende Saison hin, als sie die Zwischenzeit genutzt hatte, um sich zu verloben und auf neue Gedanken zu kommen, entschied sie sich, das Wasserspringen wieder aufzunehmen. «Ich fühlte mich vor meiner Pause ein wenig wie in einem Hamsterrad. Seit ich wieder mit Wasserspringen angefangen habe, mache ich es erneut nur für mich selbst und habe den Spass daran wiederentdeckt.»
Wegen dieser Pause startete Michelle Heimberg mit verhaltenen Ambitionen in die Saison. Zwar waren die Leistungen im Training gut, doch die 25-Jährige hat inzwischen gelernt, anders mit ihren eigenen Erwartungen umzugehen. «Man macht an einem Wettkampf nur wenige Sprünge. Misslingt einer, ist man weg vom Fenster», erklärt Michelle Heimberg. Inzwischen habe sie gelernt, besser mit diesem Druck umzugehen und die Wettkämpfe so zu nehmen, wie sie kämen.
Mit ihrer neuen Einstellung und ihrer wiederentdeckten Freude am Wasserspringen landete Michelle Heimberg an der Europameisterschaft im Mai vom Dreimeterbrett prompt auf dem ersten Platz und holte damit ihren zweiten Sieg an einer Europameisterschaft. «Dieser Sieg war für mich im Nachhinein auch eine Bestätigung, dass die Pause die richtige Entscheidung war.»
Nächster Halt: Singapur
Nach ihrem Erfolg im Mai tritt die Wasserspringerin vom 26. Juli bis 3. August an den World Aquatics Championships in Singapur an. «Für die Weltmeisterschaft wird es darum gehen, den Schwung mitzunehmen. Ich werde auf jeden Fall versuchen, meine beste Leistung abzurufen», meint Michelle Heimberg im Vorfeld. Ihr mittelfristiges Ziel sind aber ganz klar die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Gerade vor einem wichtigen Wettkampf trainiert Michelle Heimberg besonders intensiv. Dass sie das kann, verdankt sie mitunter dem Schweizer Militär. Dieses unterstützt Spitzensportlerinnen und Spitzensportler mit einer Anstellung als Zeitsoldatin oder Zeitsoldat gezielt bei der Vorbereitung auf Olympische Spiele. Im laufenden Programm für 2028 wurde unter zahlreichen Bewerbenden auch Michelle Heimberg aufgenommen. «Man könnte sagen, das Militär ist mein Club, der es mir ermöglicht, meine Bestleistungen abzurufen», erklärt sie. «Das ist natürlich eine grosse Ehre. Es gibt viele Sportlerinnen und Sportler, die auf so eine Stelle hoffen.»
Die Anstellung beim Militär entspricht einem 50-Prozent-Pensum. Daneben studiert die Sportlerin Kommunikationswissenschaften und Medienforschung an der Universität Zürich. Entsprechend ist sie viel unterwegs. An das Pendeln zwischen ihrem Wohnort Aarau, dem Trainingsort Bern und der Universität in Zürich hat sie sich inzwischen gewöhnt. Hinzu kommen die Wettkämpfe überall auf der Welt. Trotzdem ist Michelle Heimberg ihrem einstigen Zuhause nach wie vor verbunden. «Meine Eltern betreiben ein Geschäft in Fislisbach, und ich habe Freunde aus meiner Schulzeit hier», bekräftigt Michelle Heimberg. «Fislisbach wird immer der Ort meiner Herkunft bleiben.»