Wenn jedes Couvert Stress auslöst

Wer merkt, dass die alltägliche Korrespondenz zur Belastung wird, kann den Administrativen Dienst von Pro Senectute in Anspruch nehmen.
Roland Guntern und sein Team helfen bei administrativen Problemen. (Bild: mk)

Region – Eigentlich ist das betagte Paar relativ vermögend. Und die Eheleute Meier neigen auch nicht zu leichtsinnigen oder übertriebenen Ausgaben. Doch irgendwann geht der Überblick über die Korrespondenz verloren, die Erledigung von Zahlungen macht immer mehr Mühe. Rechnungen werden zu spät oder gar nicht beglichen, eintreffende Mahnungen gehen im Durcheinander unter. Eines Tages steht der Betreibungsbeamte vor der Tür.

Es ist eine der vielen Geschichten, die Roland Guntern bei seiner Arbeit für Pro Senectute Aargau erlebt hat. Der 61-Jährige ist Fachverantwortlicher für den Administrativen Dienst. Im Rahmen dessen begleiten Freiwillige betagte Menschen, die vielleicht mit dem E-Banking nicht mehr klarkommen oder denen das Finanzielle und Administrative über den Kopf wächst. «Sie werden unterstützt beim monatlichen Zahlungsverkehr, bei Rückerstattungsanträgen an die Krankenkasse und beim Kontakt mit Sozialversicherungen», erklärt Roland Guntern. Auch das Ausfüllen einfacher Steuererklärungen oder das Erstellen eines Budgets gehöre dazu. «Und wenn jemand einen schwer verständlichen Brief erhält, etwa einen juristisch abgefassten Gerichtsbescheid, versuchen wir zu ‹übersetzen›.»

Anleitung zum Selbermachen
Um abzuklären, welche Hilfebedürfnisse bestehen, besucht zunächst eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter von Pro Senectute die Betroffenen. Danach wird diesen eine freiwillige Person zugeteilt, die mindestens einmal im Monat zu Hause vorbeikommt. Ein wichtiger Punkt dabei: «Die Freiwilligen leiten nur an, führen aber selber nicht aus», sagt Roland Guntern. «Sie kennen keine Passwörter und haben keine Vollmacht oder dergleichen.» Die Entscheidungen und die Verantwortung bleiben bei den Unterstützten. Deshalb wird bei der Bedürfnisabklärung sorgfältig darauf geachtet, ob die Betroffenen urteils- und handlungsfähig sind. Ist das nicht der Fall, müsste allenfalls eine Beistandschaft eingerichtet werden, was die Möglichkeiten des Administrativen Diensts übersteigt.

Das Angebot steht Menschen offen, die eine Altersrente der AHV und/oder der Pensionskasse beziehen. Pro Halbjahr bezahlen die Unterstützten 454 Franken. Sollte das zu teuer sein, kann der Betrag – nach Prüfung der finanziellen Situation – von einem Fonds übernommen werden. So kommt der Dienst allen zugute, die ihn benötigen.

Wiederkehrende Muster
So etwa im beispielhaften Fall eines betagten Mannes, der immer leicht über seinen Verhältnissen lebte. «Angesichts seiner Einnahmen hatte er zu hohe Ausgaben», sagt Guntern. «Er ging gerne ins Restaurant und kaufte sich öfter spontan Sachen.» Als sich der Begleiter vom Administrativen Dienst einen Überblick verschafft hatte, konnte er dem Mann aufzeigen, was ein realistisches Wochenbudget ist. «So wurde der Betroffene in eine gute Richtung gelenkt, ohne dass er das Gefühl bekam, sich nichts mehr leisten zu können», so der Fachver­antwortliche. Dafür habe der alte Herr dann genug Geld zur Verfügung gehabt, um sich neue Schuhe zuzulegen, als es nötig war. Mit der Zeit konnte er gar wieder kleine Ersparnisse anhäufen.

Wer sich als Freiwillige oder Freiwilliger engagieren möchte, sollte etwas Vorwissen in den Bereichen Rechnungswesen, Krankenkasse und Sozialversicherungen mitbringen. «Es hilft, wenn man weiss, dass es Prämienverbilligungen, Ergänzungsleistungen und eine Hilflosenentschädigung gibt oder dass zum Beispiel ­Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen keine Serafe-Gebühr bezahlen müssen», erklärt Roland Guntern. Kompliziertere Sachverhalte können aber jederzeit mit der zuständigen Sozialarbeiterin oder dem zuständigen Sozialarbeiter besprochen werden.

Die Freiwilligen sollten ungefähr zwei bis vier Stunden pro Woche investieren können, und das möglichst regelmässig, ohne monatelange Abwesenheiten. Für ihren Aufwand erhalten die Freiwilligen eine Spesenentschädigung. Sollte die Zusammenarbeit zwischen der unterstützten Person und dem Helfer oder der Helferin nicht klappen, kann auch gewechselt werden. «Oft ergeben sich aber vertrauensvolle, lange bestehende Kontakte durch den Administrativen Dienst», sagt Roland Guntern. Für die Freiwilligen sei es eine Bereicherung, Begegnungen oder Situationen zu erleben, die man sonst nicht habe, und dabei eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Und auch für die Unterstützten dürfte es oft mehr sein als nur eine administrative Hilfestellung: «Für Menschen im hohen Alter sind die Besuche durch den Administrativen Dienst manchmal einer der wenigen noch bestehenden Sozialkontakte», weiss der Pro-Senectute-Fachmann.