Kandidierende standen Rede und Antwort

Am Werkhof-Talk des HGV Wettingen-Neuenhof nahmen elf Personen, die für den Wet­tinger Gemeinderat kandidieren, an einer Diskussion teil.
Die Kandidierenden (von links): Adrian Knaup, Philippe Rey, Jürg Meier Obertüfer, Lilian Studer, Markus Haas, Moderatorin Melanie Bär, Kirsten Ernst, Martin Egloff, Roland Brühlmann, Orun Palit und Markus Bader. (ild: pg)

Wettingen – Nach der Fusion des Handels- und Gewerbevereins (HGV) Wettingen mit dem Gewerbeverein Neuenhof konnte Co-Präsidentin Alice Gartner rund 100 Teilnehmende zum traditionellen Werkhof-Talk auf dem Areal der Hächler AG in Wettingen willkommen heissen. Einen besonderen Gruss richtete sie an die elf Kandidatinnen und Kandidaten, die sich an dem vom HGV ausgerichteten Podium den Fragen von Melanie Bär, Redaktionsleiterin Limmatwelle, stellten.

Drei Mitglieder des siebenköpfigen Wettinger Gemeinderats verzichten auf eine erneute Kandidatur. Neben den vier Bisherigen Kirsten Ernst (SP), Philippe Rey, (parteilos), Martin Egloff (FDP) und Markus Haas (FDP), die auf eine Wiederwahl hoffen, ­stellen sich sieben weitere Personen zur Verfügung. Lilian Studer (EVP), Jürg Meier Obertüfer (Wettigrüen), Markus Bader (SVP), Orun Palit (GLP), Adrian Knaup (SP), Roland Brühlmann (Die Mitte) und Christian Wassmer (Die Mitte) verfügen ebenfalls über politische Erfahrung. Markus Haas und Orun Palit stellen sich zudem der Wahl als künftiger Gemeindeammann. Lilian Studer, Philippe Rey, Markus Bader und der für den Anlass entschuldigte Christian Wassmer, der in einer Videobotschaft zugeschaltet wurde, haben ihre Ambitionen für das Vizeammannamt angemeldet.

In die gleiche Richtung ziehen
Die zehn anwesenden Kandidatinnen und Kandidaten erhielten die Gelegenheit, sich während je einer Minute selbst vorzustellen, ihre Beweggründe für die Kandidatur darzulegen und das anhand eines Gegenstands zu unterstreichen. Ausser während einer einzigen Legislatur bekleidete in Wettingen in den vergangenen 76 Jahren stets ein Vertreter der Mitte (früher CVP) das Amt des Gemeindeammans. Da sich keiner der beiden Mitte-Kandidaten um das Amt des Gemeindeammans bewirbt, könnte diese Ära nun zu Ende gehen.

Wie es in der Politik üblich ist, überzogen praktisch alle Kandidierenden die vorgegebene Redezeit, um ihre Gedanken darzulegen. «Das Geld fällt nicht vom Himmel, es kommt von den Steuerzahlenden», so der bisherige Gemeinderat Philippe Rey. Er verwies auf das von ihm herausgegebene Buch «975  Zeichen», in dem die Bedürfnisse des Gewerbes und der Bevölkerung in über 500 Beiträgen nachzulesen sind. Kirsten Ernst, die dem Gemeinderat seit 2017 angehört, stellte das Zusammengehen von Politik und Bevölkerung anhand ineinandergreifender Zahnräder dar.

«Mein Herz schlägt für Wettingen», beteuerte dagegen Roland Brühlmann, der während acht Jahren dem Einwohnerrat angehörte. Mit einem Strick führte er dem Publikum vor Augen, dass in der Politik alle an einem Strang und möglichst in die gleiche Richtung ziehen sollten. Der aktuelle Vizepräsident des Einwohnerrats, Christian Wassmer, stellte in seiner Videobotschaft fest, dass es in Wettingen gelingen müsse, das Vertrauen des Gewerbes in den Gemeinderat zurückzugewinnen.

Parkplatzabbau verhindern
Der zweite Teil der Diskussion war den Themen Verkehr, Umwelt, Wachstum und Finanzen gewidmet. Darüber, dass ein Parkplatzabbau, wie er andernorts geschieht, in Wettingen nicht stattfinden darf, sind sich die Gewerbetreibenden einig. Markus Haas, der den Betrieb seiner Familie an der Landstrasse in dritter Generation führt und über eigene Kundenparkplätze verfügt, ist überzeugt, dass Wachstum und Abbau nicht miteinander vereinbar sind. Kirsten Ernst hält fest, dass die Parkplatz­situation in Wettingen derzeit analysiert werde und diesbezüglich Onlineumfragen angedacht seien. Orun Palit dagegen sind die zahlreichen Barbershops und Nagelstudios in der Gemeinde ein Dorn im Auge. Unter geltendem Recht ist es der Gemeinde möglich, Liegenschaftsbesitzern vorzuschreiben, an wen sie ihre Laden­lokale vermieten.

Uneinig waren sich die Kandidierenden über die Einführung von Tempo 30 auf der Landstrasse. Während Philippe Rey sich gegen eine Unterbrechung des Verkehrsflusses ausspricht, hofft Jürg Meier Ober­tüfer, dass es an der Landstrasse durch den Abbau von Parkplätzen und das Pflanzen von Bäumen zu einer Bevorzugung des Veloverkehrs und zu einer Flaniermeile kommt. 

Dauerthema Schuldenabbau
Hinsichtlich der Finanzlage der Gemeinde schienen die Meinungen der Kandidierenden gemacht zu sein. Auch wenn einige Parteien gebetsmühlenartig Sätze wie «Die Zitrone ist noch nicht ausgepresst» oder «Wir müssen den Gürtel enger schnallen» ins Feld führen, wird die Situation nicht besser. Als Energieversorgerin hat die Energie Wettingen AG zum Ziel, ihren Kundinnen und Kunden Strom möglichst günstig zur Verfügung zu stellen. Orun Palit vertritt die Auffassung, dass die Unternehmung zu verpflichten sei, der Gemeinde eine jährliche Dividende von 600 000 bis 800 000 Franken auszuschütten. Gleichzeitig führt er ins Feld, dass die Energie Wettingen AG über eine Eigenkapitalreserve von 70 Millionen Franken verfüge und deshalb der Gemeinde einen Betrag von 20 bis 30 Millionen Franken für den Schuldenabbau zur Verfügung stellen solle. Mit diesem Vorschlag rief er bei einem Grossteil des Publikums jedoch Stirnrunzeln und Kopfschütteln hervor.

«Obwohl die Notwendigkeit für eine Steuerfusserhöhung in den vergangenen Jahren klar kommuniziert wurde, hat sich der Souverän dreimal dagegen ausgesprochen», rief Martin Egloff in Erinnerung. «Das, obwohl die gebundenen Kosten der Pflege­finanzierung, der Bildung und der Sicherheit nur noch wenig Spielraum ­offenlassen. Selbst wenn es gelingen sollte, ein international tätiges Unternehmen auf dem Ortsbürgerland im Tägerhard anzusiedeln, steht die Politik in naher Zukunft in der Pflicht, die Stimmbevölkerung von einer zwingenden Steuerfusserhöhung zu überzeugen.» Sowohl für Markus Haas als auch für Roland Brühlmann ist die Kritik an der Kommunikation durch den Gemeinderat in diesem Zusammenhang fehl am Platz. Beide sind der Meinung, dass Gemeindeammann ­Roland Kuster diesbezüglich gute Arbeit geleistet hat.

Da seitens des Publikums, das als Teil der Wettinger Stimmbevölkerung am 28. September die Qual der Wahl hat, das Wort nicht gewünscht wurde und bereits der Duft von Grillwürsten in der Luft lag, bedankte sich HGV-Co-Präsident Mario Widmer bei der Hächler AG für das Gastrecht und bedachte die Protagonisten mit einem Präsent.