Meditation wird in allen spirituellen Traditionen weltweit praktiziert. Die Achtsamkeitspraxis, wie wir sie kennen, ist im Buddhismus verwurzelt. Die Achtsamkeitsübungen, die bei uns meistens gelehrt werden, sind aber keine buddhistischen Übungen. Es geht nicht um Spiritualität, sondern um ein gesundes, bewusstes Leben.
Im Sitzen, Liegen oder Stehen
«Achtsamkeit ist weder eine Methode noch ein Tool – Achtsamkeit ist eine Lebenshaltung. Diese Haltung können wir mit verschiedenen formellen und informellen Übungen trainieren», berichtet Jeannine Born, Ressort Kommunikation bei Mindfulness Swiss, dem Verband der Achtsamkeitslehrenden der Schweiz. Die formellen Übungen dauern länger. Die informellen Übungen sind kurz mit alltäglichen Tätigkeiten, die achtsam ausgeführt werden.
Beispiele für formelle Übungen sind: Sitzmeditation, Atemmeditation im Sitzen, Liegen oder Stehen, Geh- und Stehmeditation, Liegemeditation, achtsames Bewegen des Körpers mit Yoga, Metta-Meditation oder Gesprächsmeditation. Beispiele für informelle Übungen sind: Kaffeemaschinenmeditation, Gesicht oder Körper eincremen, Abwaschen, eine Sitzung achtsam eröffnen, eine Treppe achtsam gehen oder auf den Bus warten. «Wichtig ist, eine achtsame Haltung einzunehmen. Durch eine regelmässige Achtsamkeitspraxis können wir lernen, gelassener und selbst mitfühlender zu werden.»
Ruhig sitzend in sich gekehrt zu verharren und «nur» zu sein, ist aber nicht für alle einfach. Vor allem für Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist es sehr anspruchsvoll stillzusitzen. Meditieren kann man sehr unterschiedlich. In den unbewegten Formen der Meditation spüren manche Menschen die Unruhe im Körper besonders gut, weshalb sie die bewegten Formen angenehmer finden. Andere Menschen sind in den bewegten Formen mit Schmerzen oder mit sehr viel Ablenkung konfrontiert, dann sind die ruhigen Formen angenehmer. Es geht grundsätzlich bei der Meditation nicht um besser oder nicht gut, sondern um die Bereitschaft, mit dem zu sein, was präsent ist.
Aber man kann auch meditieren und sich dabei bewegen. Bei der Gehmeditation geht es darum, bei jedem Schritt präsent zu sein, jede Phase bewusst zu spüren. Beide Füsse nebeneinander, dann Gewicht verlagern, spüren, den einen Fuss heben, vielleicht spüren, wie der andere Fuss am Boden arbeitet, um das Gleichgewicht zu halten. Den Fuss nach vorn schieben, merken, wann er aufsetzt, wie sich das Gewicht vom hinteren auf den vorderen Fuss verlagert, spüren, wie der hintere Fuss sich hebt und nach vorn schiebt. Eine Gehmeditation kann eine Minute an der Bushaltestelle oder auf einer Treppe oder als formelle Praxis bis zu einer halben Stunde dauern.
Bei der Stehmeditation stellt man die Füsse etwa hüftbreit. Den Boden mit den Füssen spüren, wahrnehmen, wie der Boden einen trägt. Aufmerksamkeit von den Füssen nach oben ausweiten, den ganzen Körper wahrnehmen – von Moment zu Moment. Stehen und den Körper mit allen angenehmen und unangenehmen Erfahrungen spüren. Eine Stehmeditation kann von 2 bis 3 Minuten bis zu 20 Minuten dauern.
Die Arbeitsmeditation ist eine Technik, die seit Jahrhunderten in Klöstern des Zen-Buddhismus praktiziert wird. Es geht nicht darum, eine Arbeit möglichst schnell oder in einer künstlich verlangsamten Achtsamkeitshaltung zu erledigen. Vielmehr geht es darum, eine Arbeit in voller Präsenz und innerer Ruhe zu tätigen, präsent zu sein bei der aktuellen Arbeit und nicht in Gedanken zu schwelgen, die einem gerade durch den Kopf gehen.
Dreistündiger Onlinekurs
«Ich habe einen dreistündigen Onlinekurs entwickelt, damit man die Arbeitsmeditation in den normalen Haushaltsalltag integrieren kann. Also beim Abwaschen, Bügeln oder Aufräumen», erklärt Martin Garcia, diplomierter Entspannungsfachmann. Somit wird der Abwasch nicht mehr zur mühseligen Angelegenheit, sondern zu einer Tätigkeit, in der man Ruhe findet und auf wunderbare Weise eine Verbindung zwischen Körper und Geist entsteht. Die Technik ist nützlich bei innerer Unruhe, verhilft zu einer gelasseneren Haltung, verbessert Fokussierung und Konzentration, führt zu emotionaler Stabilität und wirkt gegen viele Stresssymptome.
«Unsere Atmung funktioniert autonom, wir schenken ihr im Alltag kaum Beachtung», berichtet Tina Verboon, Atemtherapeutin mit eigener Praxis in Fislisbach. «In Verbindung mit unserem Atem üben wir uns in Achtsamkeit und Präsenz. Wir erfahren unsere innere Lebendigkeit und guten Selbstkontakt. Atemmeditationen können sitzend, liegend oder in Bewegung praktiziert werden, eine kurze Atemmeditation ist sogar an der Migros-Kasse möglich», so Tina Verboon.
In Rückenlage auf den Boden
Bei der Bauchatmung geht man folgendermassen vor: Sich in Rückenlage auf den Boden legen, die Hände auf die Bauchdecke, die Augen schliessen und sich sammeln. Beobachten Sie die Atembewegung unter den Händen, ohne den Atem willentlich zu verändern. Nehmen Sie wahr, dass sich beim Einatmen der Bauchraum weitet und beim Ausatmen wieder zurückschwingt? Ist die Atembewegung gross, klein, fein, schnell oder langsam? Wie strömt der Atem beim Einatmen: mühelos, fliessend, kraftvoll oder zögerlich? Wie beim Ausatmen: kontinuierlich, stockend, gepresst, lösend? Entsteht eine Atempause? Falls ja, wann entsteht sie, ist sie kurz oder lang, mit Unruhe oder Gelassenheit verbunden? Verändert sich der Atem während der Übung? Nach der Übung folgt ein Nachspüren. Was hat sich im Körper, bei der Stimmung, in den Gedanken verändert?
Bei der bewegten Atemmeditation entsteht in Verbindung von Atem und Bewegung ein gutes Daseinsgefühl, eine Verbundenheit mit dem Selbst und der Umwelt. Die durchlässigere Muskulatur ist für den Atem ideal, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Die Bewegungsabläufe sind einfach zu erlernen und können gut im Alltag integriert werden.