Brugg – Barbara Horlacher, als Frau Stadtammann von Brugg, für wie problematisch halten Sie das Ladensterben in der Stadt?
Beim Gang über den Neumarkt oder durch die Altstadt spürt man, dass sich die Brugger Ladenlandschaft verändert. Insbesondere Geschäfte, die in starker Konkurrenz zum Onlinehandel stehen, wie beispielsweise Haushalts- oder Sportfachgeschäfte, verschwinden mehr und mehr. Sie werden abgelöst von Gewerbebetrieben, bei denen der physische Kontakt zu Kundinnen und Kunden zählt. So lassen sich zum Beispiel eine neue Frisur oder eine Maniküre nicht im Internet beziehen.
Trotzdem gibt es viele Leerstände in Brugg. Nimmt die Attraktivität der Stadt ab?
Ich bin überzeugt, dass Brugg für Gewerbetreibende viel Potenzial hat. In Brugg und Windisch leben insgesamt über 20 000 Menschen, und das Stadtzentrum ist aus der Region gut erreichbar, sowohl mit individuellen als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zusätzlich beschäftigen in Brugg ansässige Betriebe rund 10 000 Mitarbeitende. Dazu kommen jeden Tag zahlreiche Studierende von der Fachhochschule Nordwestschweiz und weiteren Bildungsinstitutionen nach Brugg. All diese Menschen sind potenzielle Kundinnen und Kunden für das lokale Gewerbe.
Haben die jüngsten Gewaltvorfälle in Ihren Augen einen Einfluss auf das Ladensterben?
Nein. Das sogenannte Ladensterben ist kein Brugger Phänomen. Vielmehr handelt es sich um die Auswirkungen struktureller Veränderungen im Detailhandel. Diese können schweiz-weit beobachtet werden.
Wie sehen Sie die Zukunft des Gewerbes in Brugg, und was können Regierung und Bevölkerung tun, um die Lage zu verbessern?
Wie bereits erwähnt, bin ich überzeugt, dass Brugg für das Gewerbe grosses Potenzial besitzt. Als Stadt sind wir bestrebt, möglichst gute Rahmenbedingungen für das lokale Gewerbe zu schaffen, indem wir beispielsweise öffentliche Räume attraktiv gestalten oder die Erreichbarkeit des Zentrums sicherstellen. Die Bevölkerung kann ihren Beitrag leisten, indem sie lokal einkauft und Brugger Dienstleistungs- und Gastrobetriebe nutzt.
* * *
Béatrice Hatt und Susanne Käppeli-Schönenberger, beide besitzen Sie je einen Coiffeursalon in der Altstadt, und Sie sind Brugger Gewerbetreibende. Wie hat sich die Stadt in Ihren Augen entwickelt?
Im ganzen Umfeld von Brugg gingen das Gewerbe und die Wirtschaft rapid zurück. Eine einst lebendige und florierende Stadt, die für eine vielfältige Gastronomie, Spielwaren- und Einkaufsmöglichkeiten bekannt war, hat jetzt nur noch einen Bruchteil dieses Angebots. Es wurden immer wieder neue Läden in den leer stehenden Gebäuden eröffnet, beispielsweise Sport X in der City-Galerie. Viele davon schlossen aber nach kurzer Zeit wieder. Zwar funktionieren Beauty- und Take-away-Geschäfte meistens noch, es wird aber für diese Läden schwieriger.
Gibt es jemanden, dem Sie die Schuld an der Situation geben würden, oder ist Brugg einfach im Wandel?
Wie jede andere Stadt trafen uns der Onlinehandel sowie Corona enorm. Wir verloren über die Zeit viel Laufkundschaft, und hier ist die Gesellschaft zum Teil nicht unschuldig. In einer auf Effizienz fokussierten Bevölkerung kann schon der Weg in die Altstadt manchmal zu viel sein. Die Vielfalt des Gewerbes nimmt ab, wir haben allein in der Altstadt sieben Beautyläden. Eine derart hohe Quantität sorgt dafür, dass weniger Personen in die Geschäfte kommen. Ausserdem kann man nicht nur von Laufkundschaft leben. Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist, dass es verpasst wurde, beim Bau des Neumarkts eins und zwei eine Stadtplanung mit Einbezug der Altstadt vorzunehmen. Hauptverantwortlich für uns ist die Politik, die in unseren Augen nicht wirtschaftsfreundlich ist. Natürlich kann sie nicht einfach neue Läden in den leer stehenden Gebäuden platzieren. Aber die Bedingungen zumindest attraktiver gestalten: Das wäre ein Ansatz. Unseres Erachtens braucht es Kompromissbereitschaft; es sollte vor allem um die Rahmenbedingungen gehen, die einem oft als Steine in den Weg gelegt werden.
Wie sehen Sie mit dem aktuellen Kurs die Zukunft der Stadt?
Wir bezweifeln sehr, dass noch jemand unsere Coiffeursalons übernimmt, und das gilt für die meisten Familiengeschäfte in der Stadt. Es lohnt sich einfach nicht mehr, ein eigenes Geschäft aufzubauen und am Leben zu halten. Die Wirtschaft geht in unseren Augen mit dem momentanen Plan einfach weiter bergab.