Wie weiter nach dem bösen Erwachen?

Der Gemeinderat Neuenhof reagiert auf die Verwaltungskrise und schlägt die Entflechtung von strategischen und administrativen Aufgaben vor.
In Neuenhof hofft der Gemeinderat auf Zustimmung aus der Bevölkerung für die Restrukturierung der Verwaltung. (Bild: pg)

Neuenhof – Im Kanton Aargau gibt es vier verschiedene Führungsmodelle, die je nach Gemeindegrösse, Entwicklungspotenzial und weiteren Rahmenbedingungen zweckmässig sind. Neuenhof zählt zu den 20 grössten der knapp 200 Gemeinden im Kanton Aargau. Aufgrund der Lage im Limmattal wird die Gemeinde vom Kanton zudem als Entwicklungsschwerpunkt von kantonaler Bedeutung eingestuft.

Neuenhof rechnet in den nächsten Jahren deshalb mit einem erheblichen Bevölkerungswachstum. Die damit einhergehende Zunahme der Sachgeschäfte wird nach Einschätzung des Gemeinderats aber in erster Linie die Verwaltung stärker beanspruchen, wohingegen er keine massgebliche Zunahme an Entscheiden auf Stufe Gemeinderat erwartet. Damit sei auch nicht zu rechnen, «selbst wenn aufgrund der aktuellen Lage offensichtlich mehr Führung durch den Gemeinderat angezeigt» sei, wie dieser selbst schreibt. Die bisherige Anzahl von fünf Gemeinderäten wird deshalb weiterhin als ausreichend erachtet.

Um die Verwaltung mit ihren derzeit etwa 100 Angestellten auf die zu erwartende Zunahme der Sachgeschäfte vorzubereiten, soll sie neu ­aufgestellt werden. Dafür stehen diverse Modelle zur Verfügung. Der ­Gemeinderat befasste sich bisher vor allem mit zweien, die bereits im Kanton Aargau praktiziert werden und besonders für grössere Gemeinden geeignet sind. Es handelt sich um Konzepte mit einer Verwaltungsleitung oder mit einer Geschäftsleitung, wobei die Tendenz in jüngster Zeit zum Verwaltungsleitungsmodell geht. Bei diesem Modell wird eine Person mit der operativen Führung der gesamten Verwaltung betraut, was eine klare Trennung von politischen und administrativen Aufgaben ermöglicht. Noch ist in vielen grösseren Aargauer Gemeinden und beim Kanton selbst das Geschäftsleitungsmodell anzutreffen, bei dem ein zentrales Gremium die strategischen Aufgaben übernimmt, während eine politische Behörde die politische und strategische Führung behält.

Unglückliche Verknüpfung
In Neuenhof wird das Verwaltungs­leitungsmodell mit einem Gemeindeammann als Verwaltungsleiter gelebt. Dessen Arbeitspensum betrug in den letzten 25 Jahren mehrheitlich zwischen 80 und 100 Prozent. Das Modell hat sich nach Einschätzung des Gemeinderats grundsätzlich bewährt. Mit der Einführung eines Kompetenz- und Delegationsreglements wurde 2017 neben dem Gemeindeammann als Verwaltungsleiter eine ergänzende Geschäftsleitung eingesetzt.

Diese Mischform der Führungsmodelle hat in Neuenhof allerdings zu Unklarheiten betreffend Zuständigkeiten und Kompetenzen geführt. Ausserdem verlangsame sie laut Gemeinderat die Beschlussfindung und trage dazu bei, dass die Führungsfunktion der Verwaltungsleitung geschwächt werde. Deshalb sei es angezeigt, hier Klarheit zu schaffen und in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, ob es weiterhin zweckmässig sei, die Verwaltungsleitung mit der Wahl des Gemeindeammanns zu verknüpfen.
Dem Gemeinderat schwebt also vor, die operative Führung einer organisatorisch, fachlich und personell ausgewiesenen Führungskraft mit ­guten Kenntnissen im öffentlichen Recht zuzuweisen, damit die politische Führung sich auf den politischen und strategischen Bereich ­fokussieren kann.

Fokus auf das Strategische
Mit der Einsetzung eines Verwaltungsleiters oder einer Verwaltungsleiterin auf Anstellungsbasis erhofft sich der Gemeinderat, viele Schwachstellen des bisherigen Systems zu beheben. Ob das klappt, soll anhand eines internen Kontrollsystems vom Gesamtgemeinderat überwacht werden, wobei vorgesehen ist, den Verwaltungsleiter oder die Verwaltungsleiterin so in Pflicht zu nehmen. Durch dieses Modell erhofft sich der Gemeinderat eine bestmögliche Trennung zwischen politischen und verwaltungstechnischen Aufgaben.

Aufgrund der diversen Führungsaufgaben innerhalb der Verwaltung und wegen der Führung von über 100 Personen erachtet der Gemeinderat Neuenhof für die Verwaltungs­leitung eine Vollzeitstelle als zielführend. Gleichzeitig würden mit der angedachten Revision die bisherigen Aufgaben als Verwaltungsleitung beim Gemeindeammann wegfallen, was möglicherweise eine Reduktion des Pensums erlaubt. Um weiterhin ausreichend Kapazitäten für strategische Vorbereitungsarbeiten, Standortmarketing und repräsentative Aufgaben garantieren zu können, spricht sich der Gemeinderat allerdings für eine gemässigte Reduktion aus.

Frage des Vertrauens
In diese Richtung will der Gemeinderat allerdings nur weiterarbeiten, wenn sie von den Ortsparteien und den Stimmberechtigten grundsätzlich begrüsst wird. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass aufgrund der jüngsten und massiven Unstimmigkeiten im ­Bereich Finanzen (die «Rundschau» berichtete) im Vergleich mit anderen Gemeinden in Neuenhof «die Akzeptanz des Gemeinderats in der breiten Bevölkerung derzeit nicht so gut» ist, wie er weiter schreibt. Dennoch hofft der Gemeinderat auf einen tragfähigen Konsens zur Verwaltungsreorganisation. Da die anstehenden Aufgaben der Verwaltungsleitung durchaus dringlich sind, hofft der Gemeinderat auf eine Systemanpassung noch während der kommenden Legislaturperiode. Das bedingt allerdings die Zustimmung derjenigen Person, die künftig als Gemeindeammann amtet.
Um die Haltung der Bevölkerung abzuklären, hat die Gemeinde ein Vernehmlassungsverfahren lanciert. Alle in Neuenhof stimmberechtigten Personen haben bis 26. September, 12 Uhr, Gelegenheit, ihre Ansichten zur vorgeschlagenen Verwaltungsrestrukturierung kundzutun.