Wettingen – Eigentlich würde die finanzielle Situation Wettingens für eine Steuerfusserhöhung sprechen. Auf diese will der Gemeinderat jedoch verzichten, um nicht ohne Budget in die neue Legislatur starten zu müssen. Die Gefahr wäre real. In den letzten fünf Jahren haben die Stimmberechtigten drei Mal nein zu höheren Steuern gesagt und die Voranschläge an der Urne abgelehnt.
Um welche Herausforderungen es bei der Budgetierung 2026 ging, illustriert die Ausgangslage. Die lässt sich mit dem Begriff «strukturelles Defizit» auf den Punkt bringen: In Wettingen klaffen Einnahmen und Ausgaben auseinander. «Wir haben im regionalen Vergleich unterdurchschnittliche Steuereinnahmen», sagt Vizeammann Markus Maibach in seiner Funktion als Finanzvorsteher der Gemeinde. «Auf der anderen Seite zeigen erste Zahlen der Rechnung 2025, dass wir gegenüber dem Voranschlag mit happigen Mehraufwendungen rechnen müssen». Er spricht insbesondere die Bereiche Pflegeaufwand und Asylwesen an, während die Sozialhilfeausgaben bisher unter Budget geblieben sind. «Stand August», sagt Maibach, «gehen wir für das laufende Jahr von einem Defizit von 1,5 Millionen Franken aus, was rund drei Steuerprozenten entspricht.»
Nicht beeinflussbare Budgetpositionen
Wettingen sieht sich – wie alle anderen Gemeinden auch – mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Löwenanteil der Ausgaben gebunden ist. Konkret fliessen 47,8 Prozent der Einnahmen auf die Konti von Leistungserbringern deren Kostenentwicklung Wettingen nicht beeinflussen kann, zeigt Beat Rölli als Leiter Finanzen auf. «Das Budget 2026 ist gegenüber jenem für 2025 von gebundenen Mehrkosten geprägt», stellt Maibach fest. Als grösste Posten nennt er die Pflegefinanzierung (plus 900 000 Franken), den Personalaufwand der Volksschule (plus 260 000 Franken), die Restkosten der Sonderschulung (plus 240 000 Franken) sowie die Berufsschulgelder (plus 182 000 Franken).
Gegensteuer könnte die Gemeinde bei den eigenen Personalkosten geben – was angesichts des Fachkräftemangels äusserst heikel wäre. Dennoch: Bei den Angestellten ist anstelle einer Gehaltserhöhung eine leistungsbezogene Prämie von 0,5 Prozent vorgesehen. «Dieser bescheidene Lohnschritt ist zur Erhaltung der Kaufkraft dringend erforderlich», sagt Maibach dazu.
Neubewertung der Kraftwerkhäuser
Die schwarze Null des Budgets verdankt Wettingen einer Wertberichtigung. 2024 hatte die Gemeinde dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich für 4,95 Millionen Franken zwölf Reihenhäuser an der Kraftwerkstrasse abgekauft. Die Häuser werfen Mieterträge ab und dürften in den nächsten Jahren an Wert gewinnen, lautete damals die Prognose. Und in der Tat: Der Buchwert der Häuser hat bereits um 1,45 Millionen Franken zugenommen – ein Posten, der den Budgetausgleich ermöglicht.
Und der Blick in die finanzielle Zukunft? Für diesen ist keine Glaskugel nötig. Die Fakten sprechen eine zu klare Sprache. Die Aargauer Gemeinden sind verpflichtet, ihren Finanzhaushalt im Lot zu halten. «Nachdem die Jahre 2023 und 2024 mit negativen Ergebnissen abschlossen – und sich auch im Jahr 2025 ein Minus abzeichnet, muss dem Kanton im Finanzplan aufgezeigt werden, wie die Vorgaben künftig eingehalten werden können», stellt Maibach fest. Im Aufgaben- und Finanzplan gehe man davon aus, dass dies ab dem Jahr 2027 nur mit einer Steuerfusserhöhung um 5 auf 100 Prozent möglich sein wird.
7374 Franken Pro-Kopf-Schulden?
Eine weitere Erhöhung auf 103 Prozent ist ab 2029 geplant und soll der Vorfinanzierung des Masterplans «Schule» dienen, der das geplante Oberstufenzentrum und den Substanzerhalt der bestehenden Schulinfrastruktur umfasst. Alle Investitionen eingerechnet wird Wettingen bis 2034 325 Millionen Franken ausgeben. «Will man das vom Einwohnerrat postulierte Schuldenziel von 6000 Franken pro Kopf der Bevölkerung einhalten, stünden nur 191 Millionen zur Verfügung», rechnet Leiter Finanzen Beat Rölli vor. Für 2029 prognostizierte der Finanzplan trotz Steuererhöhung Pro-Kopf-Schulden von 7374 Franken.
Ganz so pessimistisch beurteilt Gemeindeammann Roland Kuster die Situation nicht: «Die Revision der Bau- und Nutzungsordnung – sie kommt im Dezember vor den Einwohnerrat – enthält viel Potenzial». Sie sorge für einen Entwicklungsschub, indem sie den Grundeigentümern die Möglichkeit gibt, bereits angedachte Projekte zu verwirklichen.