Ehrendingen – Zwischen breiten grünen Blättern liegt er da, der Kürbis der Sorte Atlantic Giant von Martin Grosswiler. 289,4 Kilogramm ist er schwer. «Das ist mein Sommerprojekt», sagt er lachend und streicht mit der Hand über die kräftige orangefarbene Schale. Schon beim ersten Blick ist klar: Hier wächst kein gewöhnlicher Speisekürbis, sondern einer der Giganten, die später beim Wettbewerb auf dem Bächlihof in Jona auf die Waage gehievt werden. Der Ehrendinger Landwirt Martin Grosswiler gehörte in diesem Jahr, wie im Jahr zuvor, zu den Teilnehmenden an der Schweizer Meisterschaft im Kürbis- und Gemüsewiegen.
Zu viel Sonne ist nicht gut
«Das Saatgut ist die Grundlage», erklärt der Landwirt. «Aber ein guter Samen allein reicht nicht. Der Kürbis braucht jeden Tag Aufmerksamkeit und viel Wasser – bis zu 100 Liter am Tag.» Die Sonne ist ebenfalls entscheidend. «Ohne Wärme geht nichts», sagt er, «aber zu viel Sonne kann gefährlich sein. Wenn der Kürbis zu schnell wächst, reisst die Schale. Dann ist die ganze Arbeit dahin.» Deshalb schirmt er seine Pflanze im Hochsommer manchmal sogar mit einem Vlies ab. Neben Wasser wird dem Kürbis Nährstoff in Form von Dünger verabreicht, zudem verteilt Martin Grosswiler Schneckenkörner und versucht, so gut es eben geht, die Mäuse zu verscheuchen. Auch die weiblichen Blüten werden regelmässig abgerissen, was dem Wachstum dienlich ist.
Ein weiterer Trick: Geduld. «Diesen März habe ich neun Kürbissetzlinge im Treibhaus gezogen. Im Mai habe ich diese im hauseigenen Ackerfeld ausgesät, später selektioniert und danach ausschliesslich einem einzigen meine ganze Aufmerksamkeit geschenkt. Der Fokus lag nun während Monaten auf diesem einen Kürbis.» Manchmal wächst der Kürbis in einer Nacht mehrere Kilogramm. «Das ist das Faszinierende. Man sieht, wie er von Tag zu Tag anschwillt.» Wer Lust habe, könne das im eigenen Garten probieren. Benötigt würden zehn mal zehn Meter Platz für eine Pflanze. Auf dem Feld ist Martin Grosswiler in seinem Element. Zwischen den Blättern liegt nicht nur seine riesengrosse Gemüsefrucht, sondern das Ergebnis wochenlanger Hingabe, Geduld und Leidenschaft.
Kleiner Mann ganz gross
Auch Laurin (6), der Göttibub von Martin Grosswiler, machte beim Wettbewerb mit und ging mit einem eigenen gezogenen Kürbis an den Start. Diesem hat er neben viel Wasser Magnesium sowie Kalzium verabreicht – und Schneckenkörner gegen das Ungeziefer. Ausserdem hat Laurin in den letzten Wochen eine Sonnenblume mit viel Fürsorge gepflegt und gehegt. 4 ½ Meter hoch ist sie. Denn beim Wettbewerb werden auch Pflanzen bewertet. «Meine Chindsgigspänli haben extra einen Ausflug in meinen Garten gemacht und die Sonnenblume besucht», erzählt der Nachwuchsgärtner.
Man fragt sich natürlich sofort, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht und wie es überhaupt möglich ist, dass Kürbisse so gross werden. Der Verdacht auf Gentechnik oder Doping liegt nahe, doch die Antwort ist simpel: Die Riesenkürbisse stammen von der speziellen Sorte Atlantic Giant. Seit Jahrzehnten werden die grössten und schwersten Exemplare weiter vermehrt, wodurch Samen entstanden sind, die echtes Wachstumspotenzial in sich tragen. In Kombination mit viel Wasser, Sonne und Nährstoffen entstehen so die imposanten Giganten, die jedes Jahr aufs Neue für Aufsehen sorgen.
Kunstwerke schnitzen oder Suppe schlürfen
Der Wettkampf in Jona, der zum zwölften Mal ausgetragen wurde, verlief für die Grosswilers bestens. Mit seinem Kürbis belegte Martin Grosswiler den achten Platz, Laurin landete mit seinem Kürbis auf Platz elf, mit der Sonnenblume sogar auf Platz zwei. «Wir sind sehr zufrieden, denn die Konkurrenz heuer war riesig», sagt Martin Grosswiler.
Die zahlreichen Gäste und Schaulustigen vor Ort staunten über die gigantischen Dimensionen der Kürbisse. Florian Isler aus Esslingen ZH hat die Schweizer Meisterschaft im Kürbiswiegen schliesslich gewonnen. Sein Kürbis wiegt 766 Kilogramm. Den Schweizer Rekord hält nach wie vor ein Exemplar aus dem Jahr 2014 mit 953,5 Kilogramm. International liegt die Bestmarke sogar bei über 1200 Kilogramm.
«Vor allem bin ich froh, dass wir den Kürbis bis nach Jona unbeschadet transportieren konnten. Wir haben dafür einen Frontlader verwendet, den Kürbis mit Gurten festgemacht und sorgfältig vom Acker gehievt», verrät der 30-Jährige. Später wurde er in Decken verpackt und auf Stroh gebettet, und alles wurde abschliessend mit einem grossen Netz bedeckt.
Seinen Kürbis hat Martin Grosswiler nun in Jona zurückgelassen. Am 11. Oktober findet auf der Juckerfarm in Seegräben ZH ein Kürbisschnitzen mit namhaften Künstlern und Künstlerinnen statt. Auch aus Martin Grosswilers Kürbis soll ein Kunstwerk entstehen. Am 1. November geht es den Riesenkürbissen bei der Kürbisschlachtete dann allerdings an den Kragen. Um 12 Uhr geht es los auf dem Bächlihof in Jona. Das Kürbisfleisch wird vor Ort verschenkt. Es ist also sinnvoll, grosse Taschen mitzunehmen. Die Schlachtete dauert ungefähr zwei bis drei Stunden.