Das Unsichtbare sichtbar machen

Die Künstlerin Karin Knapp-Sutter entdeckt in ihren Makrofotografien Naturwunder und verwandelt sie im Filz zu lebendigen Kunstwerken.
Inspiriert von der Natur: Karin Knapp-Sutter. (Bbild: isp)

Ehrendingen – Manchmal braucht es keinen weiten Blick, um die Schönheit der Welt zu entdecken. Es genügt, ganz genau hinzusehen. Und das tut die Künstlerin Karin Knapp-Sutter. Sie richtet ihren Fokus auf das Unspektakuläre und das kaum Wahrgenommene, auf das Kleine und Unscheinbare, und gerade darin findet sie ihre Inspiration. 

Mit ihrer Kamera fängt sie in feinster Makrofotografie jene stillen Wunder der Natur ein, die anderen oft entgehen: zarte Lamellen eines Pilzes, eine wunderschöne Raupe auf einem Grashalm oder das Lichtspiel bei einem Bach und bei Eis, das sich bildet.

Zwei Welten begegnen sich
Diese Detailaufnahmen dienen als Ausgangspunkt, als Quelle und Impuls für ihre zweite Leidenschaft: das Filzen. In ihrer künstlerischen Arbeit begegnen sich so zwei Welten: diejenige der Fotografie und diejenige des textilen Gestaltens. «Mit dem sinnlichen Filzmaterial entsteht ein Dialog zwischen dem, was ich sehe, und dem, was ich mit den Händen erschaffe», sagt sie. Aus dem fotografisch eingefangenen Moment wächst ein filzgewordenes Gegenstück – weich, strukturiert, lebendig. So entstehen textile Kunstwerke, die das Gesehene in eine neue Form übersetzen, die das Flüchtige festhält und spürbar macht. «Mein Vater schenkte mir, als ich zehnjährig war, eine eigene Kamera», erzählt die gelernte Kindergärtnerin.

In den darauffolgenden Jahren fotografiert die Künstlerin so ziemlich alles, was ihr vor die Linse kommt. Mehrheitlich sind es Schnappschüsse aus dem Familienurlaub. Erst später, mit dem Kauf einer ersten Digitalkamera, vertieft sie sich autodidaktisch in die Geheimnisse der Makrofoto­grafie. Ihr eigenes Grundwissen im Filzen verfeinerte sie in Kursen in der Filzszene Schweiz.

Karin Knapp-Sutter und ihr Dialog «Filz trifft Fotografie». (Bild: isp)

Mit offenen Augen
Leben und leben lassen – das könnte als Leitsatz über ihrer Arbeit stehen. Er beschreibt nicht nur ihre künstlerische Haltung, sondern ebenso eine Lebensphilosophie. Karin Knapp-Sutter braucht keine spektakulären Landschaften oder laute Themen, um berührt zu werden. Ihr Blick gilt dem Kleinen, dem Übersehenen, dem, was sich nur dem Geduldigen offenbart. Das, was andere achtlos übersehen, wird in ihrem Werk zum Mittelpunkt. «Schon ein Spaziergang durch den eigenen Naturgarten reicht, und ich erhalte genügend Inspirationen für Bildmotive», sagt die 51-jährige zweifache Mutter. Wichtig ist der Kunstschaffenden zudem, achtsam mit Ressourcen umzugehen und in ihrer ­Tätigkeit Sinnhaftigkeit zu finden: «Ich bin keine Marktfrau, die auf ­Vorrat produziert. Ich bevorzuge Auftragsarbeit.» 

So entsteht in ihrem Schaffen eine stille Verbindung zwischen dem Auge und der Hand, zwischen Wahrnehmung und Gestaltung. Karin Knapp-Sutter macht sichtbar, was sonst verborgen bleibt und verleiht dem Alltäglichen eine neue Bedeutung. Ihre Arbeiten, die seit August im eigenen Atelier ­namens Spürbar in Wettingen entstehen, sind eine Hommage an die Natur in ihrer kleinsten Form. Ihre Filz­objekte wirken auf den ersten Blick schlicht, doch in ihnen steckt eine tiefe Auseinandersetzung mit Natur, Vergänglichkeit und Wahrnehmung.

Oft sind es organische Formen, sanfte Farbverläufe, unaufdringliche Texturen. Wer sich darauf einlässt, erkennt Parallelen zu den Motiven ihrer Fotografien – dieselbe stille Poesie, dieselbe Nähe zur Natur, dieselbe Einladung, genauer hinzusehen. Ein Innehalten im schnellen Lauf der Zeit und ein zarter Hinweis darauf, dass das Wesentliche nicht immer laut daherkommt. Wer ihre Fotografien und Filzobjekte betrachtet, spürt diese leise Intensität. Es ist, als ob jedes Werk flüstert: «Schau genau hin. Das Schöne ist da – direkt vor dir. Man muss es nur sehen wollen.»

In Ehrendingen startet im November die Ausstellung «Filz trifft Fotografie». Der Anlass wird von der Kulturkommission Ehrendingen organisiert.

Vernissage
Freitag, 7. November, 19.30 Uhr, Gemeindehaus Unterdorf,
Brunnenhof 6, Ehrendingen