Wettingen – Wettingen ist nach dem kantonalen Verteilschlüssel aktuell verpflichtet, 224 Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Mit 395 Plätzen in verschiedenen Unterkünften ist das kein Problem. 238 Personen sind jedoch im ehemaligen Alterszentrum St. Bernhard einquartiert, das im März 2026 geschlossen wird. Zudem laufen Ende 2026 die Mietverträge kleinerer Flüchtlingslogis aus. Für jeden danach in Wettingen fehlenden Platz zur Unterbringung Asylsuchender müsste die Gemeinde eine Ersatzabgabe in Höhe von 90 Franken pro Platz und Tag leisten. Es drohen Ausgaben in Millionenhöhe.
Um diese nicht bezahlen zu müssen, hat der Gemeinderat verschiedene Varianten geprüft, wie die Unterbringung Asylsuchender in Zivilschutzanlagen oder die Anmietung weiterer privater Liegenschaften. Als Ei des Kolumbus stellte sich die Idee heraus, auf einem Teil der Zirkuswiese eine zweistöckige Containersiedlung mit ungefähr 120 Plätzen zu realisieren. Sie würde vom Kanton für fünf Jahre gemietet und – wie heute das ehemalige Alterszentrum – von diesem in eigener Regie betrieben. Der Kanton bezahlt der Gemeinde gesamt 1,66 Millionen Franken, was die Baukosten der Anlage in Höhe von 3,52 Millionen Franken deutlich abfedert. Nach den vertraglichen fünf Jahren plant der Gemeinderat, die Container in die Untere Geisswies zu verlegen und sie dort weiterhin als Asylunterkunft zu nutzen.
Damoklesschwert Anup
Im Grundsatz waren alle Fraktionen des Einwohnerrats mit dem Containerkonzept und dem 3,52-Millionen-Franken-Kredit einverstanden. Allerdings stellte sich die Frage, weshalb die Anlage nicht gleich in der Unteren Geisswies gebaut wird? Der Grund war allen bekannt: Ein Asylzentrum lässt sich dort nur realisieren, wenn die revidierte Allgemeine Nutzungsplanung (Anup) – die im Dezember Thema einer Sondersitzung des Einwohnerrats sein wird – vom Regierungsrat genehmigt und die Untere Geisswies einer entsprechenden Bauzone zugeteilt ist. Laut Gemeinderat könnte das im zweiten oder dritten Quartal 2026 der Fall sein.
Zügeln ist teuer
Für Jörg Baumann (SVP) genügend Zeit, um mit dem Projekt direkt in Richtung Untere Geisswies zu schwenken. «So sparen wir uns die spätere Zügelaktion, die uns etwa eine Million Franken kosten dürfte», sagte Baumann. Allerdings sah auch er punkto Inkrafttreten der Anup ein gewisses Restrisiko. Deshalb stellte er namens der SVP-Fraktion den Antrag, zeitgleich beide Planungen an die Hand zu nehmen. Die Unterkunft also sowohl für die Zirkuswiese als auch die Untere Geisswies zu projektieren. Auf diese Weise die Zwickmühle umgehen, das wollte ebenfalls Marie-Christine Andres Schürch (Mitte): «Unsere Fraktion wünscht sich, dass der Gemeinderat Vorbereitungen für den Fall einer rechtzeitig vorliegenden Anup trifft.»
Ähnlich der Tenor aus der GLP. Marco Keller: «Wir sind nicht glücklich mit dem alternativlosen Last-Minute-Kreditbegehren für das Provisorium auf der Zirkuswiese.» Für den Zeitpunkt der Fertigstellung der Anlage gebe es mit dem Kanton doch sicher einen Verhandlungsspielraum. So habe sich dieser ja bereit erklärt, für das ganze Jahr 2026 keine Ersatzzahlungen zu verlangen, obwohl das «St. Bernhard» schon im April wegfalle. Lukas Rechsteiner (EVP) und Leo Scherer (Wettigrüen) warnten vor einem solchen Vorgehen. Für sie ist die Gefahr zu gross, dass sich mit der Anup rechtliche Komplikationen ergeben könnten. Diese Bedenken teilte auch die Mehrheit des Einwohnerrats, lehnte den Antrag der SVP ab und genehmigte den Kredit für den Standort Zirkuswiese.