Kunstmaler wider Willen

Eigentlich wollte Sven Spiegelberg nach seinem Literaturstudium nur eine kleine Auszeit nehmen, diese dauert jetzt schon 40 Jahre an.
Sven Spiegelberg präsentiert seine Werke, mit denen sich die Menschen wohlfühlen sollen. (Bild: zVg)

Bözberg – Freitagnachmittag in Sven Spiegelbergs Galerie zum Seiltänzer in der Altstadt von Baden: Der Künstler trägt feuerrote Hosen, rote Lackschuhe und ein farbig gepunktetes Hemd. Dagegen wirken die Störche aus der Camargue auf seinem neuesten Bild mit silbern und goldschimmernden Farbelementen beinahe dezent. Vom 29. November bis zum 11. Januar 2026 wird er es mit 9 anderen eben fertiggestellten Werken und 77 weiteren Exponaten aus seiner 40-jährigen Schaffensperiode und seinem neuen Kunstkalender 2026 dem Publikum präsentieren.

Ob figurativ oder abstrakt, Sven Spiegelbergs schwunghafter poetischer Stil ist unverkennbar. «Ich male gern Bilder mit einer positiven seelischen Wirkung», meint er. Gesellschaftskritische Botschaften wollte er mit seiner Kunst nie vermitteln. Viel wichtiger war ihm immer ein gewisser dekorativer Aspekt. Mit seinen Malereien soll sich die Klientel im eigenen Wohnbereich wohlfühlen und lang daran Freude haben. «Dafür wurde ich manchmal belächelt und als kommerzieller Künstler bezeichnet», erzählt er und lässt das gern gelten. Denn sein Erfolg, der jetzt schon über vier Jahrzehnte andauert, spricht für sich. Er hat den Kunstband «Innere Reisen – äussere Reisen» veröffentlicht und gibt regelmässig Malseminare bei sich zu Hause auf dem Bözberg und auf Flusskreuzfahrtschiffen. «Mittlerweile besuchen die Enkel meiner ersten Schüler die Kurse», sagt er. 

Privat ganz anders
Sven Spiegelberg bezeichnet sich als Glückskind. Und gibt freimütig zu, dass er seiner Lebensgefährtin Bea Sonnbichler enorm viel zu verdanken hat. Sie hält ihm im Hintergrund den Rücken frei. In Gesellschaft ist er die schillernde Persönlichkeit, und gewisse narzisstische Züge sind ihm nicht abzusprechen. Der 71-Jährige mit dem jugendlichen Charme bezeichnet sich selbst als geselligen Einzelgänger: «Ich verbringe viel Zeit allein. Das Malen ist eine einsame Angelegenheit. Vor allem aber lebe ich nach einem strikten, disziplinierten Tagesablauf», erzählt er. Morgens um 6 Uhr steht er auf, spielt etwas Klavier oder Saxofon und fängt dann an, sich seiner Kunst zu widmen. Tag für Tag. Er ist überzeugt davon, dass feste Rituale gut für den Körper sind und eine psychische Konstanz geben. 

Künstlerkarriere dank Putzfrau
Den Beginn seiner künstlerischen Karriere habe er weniger seinem Können als einer Aneinanderreihung von Zufällen zu verdanken, meint Sven Spiegelberg. Völlig unprätentiös berichtet er, dass er eigentlich gar nie Maler habe werden wollen. Nach seinem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaften hatte er die Nase gestrichen voll von Büchern. Er plante ein kurzes Time-out. Als Ausgleich machte er Skizzen von seinen Reisen durch China und Europa, die er im Nebenjob zur Finanzierung ­seiner Ausbildung leitete. «In einem Prager Kellerlokal kam ich zufällig mit einer italienischen Putzfrau ins Gespräch, der ich von meiner neuen kreativen Tätigkeit erzählte. Später stellte sich heraus, dass sie für den CEO von Yamaha Zürich arbeitete, der mir daraufhin kurzerhand einen ­Lithografieauftrag gab», bekundet er. Darauf wurde wiederum der benachbarte Coiffeur aufmerksam. Bald hingen auch in dessen Salon Werke made by Spiegelberg. Dort liess sich ein Geschäftsleitungsmitglied des Bankvereins die Haare schneiden, der prompt eine Grossbestellung von Neujahrskarten machte. Mit der Zeit entstand so ein riesiges Netzwerk.

«Ursprünglich hätte ich ja eine Assistenzstelle an der renommierten Princeton University gehabt. Aber wegen des Erfolgs, den ich mit meiner Kunst zeitigte, beschloss ich, mein Time-out etwas zu verlängern. Daraus sind 40 Jahre geworden», erzählt der kreative Lockenkopf und lacht wieder. Mit dem ersten Geld, dass er verdiente, kaufte er ein winziges Atelier in der unteren Halde. Später kam die vierstöckige Galerie im Haus zum Seiltänzer dazu. Grossaufträge wie früher sind heute selten geworden. Die goldenen Zeiten sind vorbei. «Aber meine Kunst ist zirkulär. Bilder, die ich vor 30 Jahren gemalt habe, sind plötzlich wieder gefragt», berichtet Sven Spiegelberg freudig. Er sei ruhiger geworden und stehe nicht mehr ständig unter Strom, etwas Neues produzieren zu müssen.

«Die Ernte ist eingefahren», sagt er zum Schluss. Seine Kunstseminare gibt er weiterhin und experimentiert mit neuen Maltechniken. Auch verreisen will er wieder vermehrt. Nächstes Jahr geht es unter anderen in den Orient und nach Island. Und wer weiss, welche neuen, wundersamen Zufälle ihm dort wieder ins Leben spielen.

Die Jubiläumsausstellung von Sven Spiegelberg im Haus zum Seiltänzer, Obere Halde 30 in Baden, findet vom 29. November (Vernissage) bis zum 11. Januar statt. Öffnungszeiten an jedem Wochenende von 11 bis 17 Uhr.