Abschiede und Neueintritte in den Räten

Auf Neujahr treten im Bezirk Brugg 32 neue Gemeinderatsmitglieder, 5 neue Vize- und 7 neue Gemeinde­ammänner ihr Amt an.
Die Gemeinderäte zum Jahreswechsel im Bezirk Brugg

Bezirk Brugg – Die Gemeindelandschaft ist in Bewegung. Auf Neujahr sinkt die Zahl der Gemeinden im Bezirk Brugg durch die Fusion von Brugg und Villnachern weiter – von 20 auf 19. Der einst gemeindereichste Bezirk Brugg hat seit 1970 durch Zusammenschlüsse oder Bezirkswechsel insgesamt 13 politische Gemeinden verloren. Damit verzeichnet er den stärksten Wandel in der aargauischen Gemeindestruktur. Zudem stehen aufgrund der soeben abgeschlossenen Gesamterneuerungswahlen 44 personelle Wechsel bei Gemeinderatsmitgliedern, Vizeammännern und Gemeindeammännern bevor.

Von den 95 Gemeinderatsmitgliedern in den Bezirksgemeinden werden 32 auf Beginn der neuen Amts­periode ersetzt. Hinzu kommen fünf neue Vize- und sieben neue Gemeindeammänner. Erneut kandidierende Behördenmitglieder wurden mit wenigen Ausnahmen bestätigt. Nur drei Bisherige – alles Frauen, zwei in Riniken und eine in Mülligen – schafften die Wiederwahl nicht. In Mülligen entschied das Los zugunsten einer neuen Kandidatin, die gleich viele Stimmen wie eine bisherige Gemeinderätin erreichte.

Diesmal gab es keine Tabula-rasa-Aktionen wie vor vier Jahren in ­Hausen, als der gesamte fünfköpfige Gemeinderat ausgewechselt wurde. Allerdings kamen die Gemeinden Auenstein und Bözberg mit je vier Neugewählten einem Totalersatz nahe. Der Frauenanteil stieg im Gesamtbezirk leicht von 24 auf 26 Gemeinderätinnen. Noch drei Gemeindebehörden sind «frauenlos»: Mönthal, Schinznach und Veltheim. Die einzigen Gemeinden ohne personelle Veränderung im Gemeinderat sind Birr, Birrhard und Mönthal. Eine Frauenmehrheit haben Auenstein, Bözberg und Windisch.

Der Ammann als Auslaufmodell
Im Gemeindewesen zeichnen sich weitere Änderungen ab. In Vorbereitung ist die Totalrevision des Gemeindegesetzes, das aus dem Jahr 1978 datiert. Es regelt die Organisation, die Zuständigkeiten der verschiedenen Organe, die Aufgaben und die Haushaltführung in den Einwohnergemeinden. Der Zeitplan rechnet mit der Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2028, also noch während der bevorstehenden neuen Legislaturperiode 2026–2029.  

Geplant ist ausserdem die Umbenennung der bisherigen Gemeinde­ammann- und Vizeammann-Bezeichnungen in Gemeindepräsident/-präsidentin beziehungsweise Vize­präsi­-
dent/-präsidentin. Die Gemeinden können diese Benennungen schon heute freiwillig wählen. Das tun vorläufig Brugg, Windisch und Habsburg. Künftig soll die Funktion «Gemeindepräsidium» überall gelten. Das bedingt allerdings eine Anpassung der Kantonsverfassung. Sie ist auf 2027 vorgesehen. Die Abschaffung des seit 1885 geltenden Amtsbegriffs Ammann ist aber nicht ganz unbestritten.

Mindestens 15-Prozent-Pensum
Immer wieder reichen Mitglieder von Gemeinderäten beim kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres den vorzeitigen Rücktritt mit der Begründung ein, sie hätten sich das Amt anders vorgestellt. Vor allem sei die zeitliche Belastung höher als angenommen. Sie hängt stark von der Struktur der Gemeinde und dem Führungsmodell der Behörde ab. Erhebungen gehen im Minimum von 270 bis 360 Stunden jährlich (ein 15- bis 20-Prozent-Pensum) aus. An den Gemeindeammann werden zusätzliche Anforderungen gestellt. Er oder sie hat eine Sonderstellung innerhalb des Gemeinderats und neben Ressortaufgaben eigenständige Leitungs- und Verwaltungsfunktionen zu erfüllen.

Die neu gewählten Behördenmitglieder wurden bereits an einer Zeremonie vom Chef des Departements Volkswirtschaft und Inneres, Regierungsrat Dieter Egli, in Pflicht genommen. Die Verabschiedung der ausgeschiedenen Amtsinhaberinnen und -inhaber fand meistens an den Budgetgemeindeversammlungen statt.


Aus dem Amt ausscheidende Gemeindeammänner im Bezirk Brugg

Reto Porta, Auenstein

Kein Bezirkswechsel
Reto Porta, 54-jährig, Inhaber der im Ingenieur-, Planungs- und Geometerwesen tätigen Porta Group in Brugg mit 100 Mitarbeitenden, war 16 Jahre lang Mitglied des Gemeinderats Auenstein, davon vier Jahre Vize- und acht Jahre Gemeindeammann. Gab es keine Interessenkonflikte zwischen seiner privatwirtschaftlichen und der öffent­lichen Tätigkeit, zwischen dem Auftragnehmer Porta und dem Aufträge vergebenden Gemeinderatsmitglied? «Nein», sagt Reto Porta. Die Gemeindebehörde habe genau auf unparteiische Entscheidungsfindungen und die Beachtung der Ausstandpflicht geachtet. Planungs- und Bauvorhaben gab es etliche in Auenstein, allen voran der erweiterte Abbau und die Rekultivierung im Zementsteinbruchareal sowie die vier Millionen Franken teure neue Grundwasserfassung samt dem Netzverbund mit der Nachbargemeinde Rupperswil. Wegen seiner schönen Jurasüdfusslage wurde Auenstein früher auch als Gandria bezeichnet, in Anlehnung an die Tessiner Ortschaft. Die Gemeinde im äussersten Südwesten des Bezirks liegt näher bei Lenzburg und Aarau als bei Brugg. Sie ist bezüglich Regionalpolizei, Altersheim, Bevölkerungsschutz und künftig durch den Bezirksschulwechsel von Schinznach nach Möriken-Wildegg enger mit der Region Lenzburg als mit Brugg verbunden. Für einen Bezirkswechsel bestünden aber keine Ambitionen, beschwichtigt Reto Porta: «Abgesehen davon haben die Bezirke keine grosse Bedeutung mehr.»


Therese Brändli, Bözberg

Gute Bilanz – grosse Ehre
Unvergessen in ihrer achtjährigen Amtszeit als Gemeindeammann von Bözberg – ohne «Vorlauf» im Gemeinderat – bleibt der 59-jährigen Juristin Therese Brändli die Coronapandemie: «Das war eine Ausnahmesituation.» So etwas wie die Absage der Gemeindeversammlung im Frühjahr 2020 hatte es zuvor noch nie gegeben. Zu den wichtigeren Aufgaben gehörte die Konsolidierung der neuen Gemeinde, die im Jahr 2013 aus dem Zusammenschluss von Unter- und Oberbözberg, ­Gallenkirch und Linn entstanden war. Therese Brändli beurteilt die Fusion als Erfolgsgeschichte. Das Verwaltungsgericht ist zwar noch mit einer Beschwerde in Sachen Wiederherstellung des Ortschaftsnamens Linn beschäftigt. Aber die Bözberger Bevölkerung sei in den letzten 13 Jahren noch mehr zusammengerückt und habe einen gemeinsamen Nenner gefunden, sagt die Demissionärin.


Werner Rüegsegger, Habsburg

Die Gemeindeschule ­erhalten
An Werner Rüegseggers Wahl zum Gemeindeammann von Habsburg vor acht Jahren – zwei Jahre nach seinem Eintritt in den Gemeinderat – erinnert man sich noch, weil die von der Bevölkerung gewollte Ablösung gegen den Willen des Vorgängers geschah. Der damals 57-jährige promovierte Physiker, Computerspezialist und Urhabsburger stabilisierte die Gemeindepolitik wieder. Während seiner Amtszeit beschäftigte ihn besonders die Existenz der Primarschule. Ein Tagesstrukturangebot, das auch auswärtige Schülerinnen und Schüler nach Habsburg lockte, trug zur Erhaltung bei. Die Gemeinde entband den zuerst tätigen privaten Trägerverein von der Aufgabe. Sie konnte es sich dank ihrer verbesserten, soliden Finanzlage leisten. Aber das Dorf ist überaltert, es braucht Familien mit Kindern sowie ein grösseres Wohnungsangebot. Zu den wichtigsten gelösten Aufgaben zählt der Demissionär die Schulhaussanierung mit dem Rückkauf des zunächst von einer Einwohnergruppe vorfinanzierten Solardachs, weiter die wegen des knappen Baulands vorgenommene Umzonung des Zelgli-Einfamilienhausquartiers von der W1 in die W2, den nach sieben Jahre dauernden Querelen realisierten Ausbau der Kanalisation Habsburg Süd, die Digitalisierung der Gemeindeverwaltung und die Revision der Gemeindeordnung.


Beatrice Bürgi, Riniken

Engagiert und exponiert

Die 67-jährige Beatrice Bürgi wurde abgewählt. Sie gehörte dem Gemeinderat Riniken seit 2011 an, zuletzt je vier Jahre als Vize- und als Gemeindeammann. Dabei war sie mit einigen kniffligen Herausforderungen konfrontiert. Die in Alt- und in Neuriniken zweigeteilte Ortschaft ist keine einfache Gemeinde. Die Finanzlage ist angespannt. Über die Erhaltung der Eigenständigkeit, eine verstärkte Zusammenarbeit oder Fusion, am ehesten mit Brugg, wird diskutiert. Die Meinungen innerhalb der Bevölkerung und gegenüber der Behörde waren manchmal dispers, wenn es zum Beispiel um Busbuchten, Tempo 30 und die Verlegung des Volg-Ladens ging. Auch die Zusammenarbeit im Gemeinderat war nicht spannungsfrei, wie ein ruchbar gewordenes Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung offenbarte. Zudem beeinflussen ehemalige «Gemeindehaus­tenöre» immer wieder die Meinungsbildung. Bea­trice Bürgi nahm sich besonders der Schulanliegen an, wie der Einführung von Blockzeiten, derneuen Schulstruktur nach der Abschaffung der Schulpflege, des Aufbaus der Schulsozialarbeit und des regionalen sozialen Dienstleistungsangebots überhaupt. Am Herzen lagen ihr das Zukunftsprojekt «Riniken 2025» und die Rettung des Dorfladens. Sie betrachtete die Abwahl am 28. September als persönliches Misstrauensvotum und legte das Gemeindeammannamt per sofort nieder.  


Andreas Ulrich, Rüfenach

Eine kurze, interessante Zeit
Nach vier Jahren gibt der 2022 in den Gemeinderat Rüfenach und gleich zum Ammann gewählte 54-jährige IT- und Finanzberater Andreas Ulrich sein Amt aus beruflichen und zeitlichen Gründen wieder ab. Er nehme aber wertvolle Erfahrungen mit, sagt er. Unter anderem die Erkenntnis, wie wichtig es sei, zuzuhören, unterschiedliche Inte­ressen ernst zu nehmen und tragfähige Kompromisse zu finden. In seiner Amtszeit wurden einige für die Gemeinde bedeutsame Projekte umgesetzt: die Eröffnung des neuen Kindergartens, die Einführung von familienfreundlichen Tagesstrukturen an der Primarschule, die Verstärkung der Gemeindeadministration durch eine neue Verwaltungs- und Finanzsoftware und die Sistierung einer Richtplanänderung für einen von der Bevölkerung eher kritisch beurteilten Kiesabbau am Dorfrand. Nur teilweise gelang die Umsetzung der neuen Bau- und Nutzungsordnung. Dadurch verzögerte sich der Gestaltungsplan für das Heinrich-Meyer-Areal. Die mit Abstand grösste Herausforderung für Gemeinden wie Rüfenach sieht Andreas Ulrich in der Finanzpolitik. Die Steuereinnahmen deckten die zunehmenden Gemeindeaufgaben und steigenden laufenden Ausgaben sowie die Investitionen in die Infrastruktur kaum mehr. Umso wichtiger sei eine faire Aufgabenteilung zwischen den Staatsebenen.


Roland Frauchiger, Thalheim

Die Gemeinde vorangebracht
Der heute 65-jährige promovierte ETH-Ingenieur Roland Frauchiger war ein Glücksfall für Thalheim. Vor 16 Jahren wählten die Stimmberechtigten den führungserfahrenen ehemaligen CEO der Amag-Gruppe in den Gemeinderat und zugleich zum Gemeindeammann. Er und seine Behördenkollegen brachten die flächenmässig viertgrösste Gemeinde des Bezirks Brugg ein Stück voran. Zur Entwicklung trugen die Erschliessung des Hangquartiers Häuptli und die Ausarbeitung des Gestaltungsplans Breiti, die Schulhauserweiterung sowie das Wasser- und Abwasserprojekt Thalheim Süd-West bei. Augenfällig war ausserdem der Ausbau der Staffeleggstrasse mit ortsbildverträglicher Hangsicherung. Roland Frauchiger steuerte sodann mit sorgfältiger Planung und Überwachung die gemeindeeigene Elektrizitätsversorgung sicher durch turbulente Stromeinkaufsphasen sowie die Einführung moderner Smart Meter und den Bau neuer Trafostationen. Zu seinen abgeschlossenen Geschäften ­gehörte der Kauf des denkmalgeschützten ehemaligen Pfarrhauses am Dorfplatz. Vor 16 Jahren erwarb er zusammen mit seiner Frau den Gasthof Bären und rettete ihn vor der endgültigen Schliessung. Nicht abschliessen konnte er die Nutzungsplanung. Die zunehmend komplexere Kommunalpolitik habe ihm wertvolle Einblicke geboten, sagt der Demissionär, der bis letztes Jahr auch dem Grossen Rat angehörte.


Roland König, Villnachern

Gemeindefusion bewältigt

Roland König tritt nach acht Jahren als Gemeindeammann und zwölf Jahren als Gemeinderat zurück, weil die eigenständige Gemeinde Villnachern ab Neujahr nicht mehr existiert. Der 69-jährige ehemalige Berufsoffizier blickt auf eine intensive Zeit als Milizpolitiker zurück. Die Liste der verwirklichten Gemeindeaufgaben ist gewichtig: neue Bau- und Nutzungsordnung, Sanierung des Schulhauses und des Kindergartens für 7,1 Millionen Franken, Suche nach einer Lösung für den Fortbestand des eigenen Schwimmbads, Zusammenlegung von Forstbetrieb und Feuerwehr und schliesslich der politische Zusammenschluss mit Brugg. Nach der Urnenabstimmung am 22. September 2024 war Roland Königs wichtigstes Anliegen, dass sich Befürworter und Gegner der Fusion trotz hart geführter Debatte wieder die Hände reichen konnten. Dass das gelang, bestätigte die Dankes- und Übergabefeier Ende November 2025. Zwar blieben ­Roland König vereinzelte persönliche Anfeindungen nicht erspart. Aber er beendet seine Tätigkeit zufrieden: «Ich habe erfahren, wie interessant und herausfordernd das Gemeinderatsmandat ist.» Das Milizsystem stosse mit dem gesellschaftlichen Wandel allerdings an Grenzen. Neben Interesse am Amt benötige es Grundwissen, Lernbereitschaft und Zeit. Auch Beruf und Familie zu vereinbaren, sei eine Herausforderung.