Bedeutung des Lichts nimmt weiter zu

Moderne Lichtsysteme übernehmen in unseren Autos immer mehr Funktionen. Ein Blick auf die Geschichte des Autolichts und darauf, was uns in Zukunft erwartet.
Ein autonomes Shuttle kann an einem Zebrastreifen den Fussgängern anzeigen, ob es sie erkannt hat. (Bild: Opel)

Region – Licht ist ein zentrales Thema im Automobilbau. Moderne Autos haben intelligente Lichtsysteme, welche die dunkle Fahrbahn taghell ausleuchten, dabei andere Verkehrsteilnehmer aus dem Lichtkegel ausblenden und sogar vorausschauend agieren, weil sie bereits wissen, ob eine Kurve, eine lange Gerade oder eine Ortschaft kommt. 

Die Scheinwerfer sind darüber hinaus ein bedeutendes Gestaltungselement. Nicht nur die Form der Lampengläser tragen zum Aussehen moderner Autos bei – dank moderner LED-Technik spricht man heute von einer Lichtsignatur, welche die Designsprache einer Marke entscheidend prägt. Der Blick in die Zukunft zeigt, dass das Autolicht weiter an Bedeutung gewinnen wird: Wenn dereinst die Autos selbstfahrend durch die Innenstädte rauschen, kann das Fahrzeug über sein Lichtsystem mit den Fussgängern kommunizieren und ihnen so mitteilen, was es vorhat.  

Seit über 100 Jahren elektrisch
Wie viele Technologien erleben die Lichtsysteme für Autos in den letzten Jahren eine enorme Beschleunigung in der Entwicklung. Zu Beginn der automobilen Geschichte Ende des 19. Jahrhunderts erhellten Kerzen, eingesetzt in Laternen, die Strassen – oder zumindest ein kleines Stück davon. Kurz nach der Jahrhundertwende folgte mit der Karbidlampe der erste grosse Entwicklungsschritt, selbst wenn diese Gaslampen ihre Tücken hatten. Licht auf Knopfdruck gab es erst ab 1913 und zunächst nur in vereinzelten Fahrzeugen, erfunden kurz vor dem Ersten Weltkrieg von der deutschen Firma Bosch. 

Cadillac aus den USA war bei der Umsetzung der Vorreiter und stattete schon früh erste Automodelle mit elektrischen Frontscheinwerfern aus, während deutsche Hersteller wie Benz erst etwas später nachzogen. Ab den 1920er-Jahren wird das Standard, was sich bis heute gehalten hat: Zwei Frontscheinwerfer, die von der Bordelektrik versorgt werden, prägen seither das Gesicht eines jeden Auto­modells. 

1925 brachte mit Osram eine weitere deutsche Firma eine bahnbrechende Lichterfindung auf den Markt: die Bilux-Lampe, eine zweifädige Glühbirne mit kombinierter Fern- und Abblendlichtfunktion. Deutlich mehr Licht ins Dunkel brachten die ersten Halogenbirnen, die ab 1962 nach und nach in Autos eingesetzt wurden und die bis heute verwendet werden, inzwischen natürlich in einer deutlich moderneren Generation mit wesentlich grösserer Leuchtkraft. 

Das Problem, dass der Gegenverkehr durch derart helle Scheinwerfer gefährlich geblendet wird, wurde dadurch früh zum Thema. Deshalb wird seit Langem – genauer seit 1957 – das Autolicht nicht in einem herkömmlichen Kegel wie bei einer Taschenlampe auf die Strasse gestrahlt, sondern asymmetrisch verteilt, um die entgegenkommende Fahrspur möglichst aus dem Lichtkegel auszuschneiden. 

Bereits in Serienmodellen erhältlich ist das «Digital Light». (Bild: Mercedes)

Das Licht wird intelligent
Ein weiterer Meilenstein in der Lichttechnik war das Xenonlicht, das 1991 erstmals im BMW 7er eingesetzt wurde. Diese Gasentladungslampen mit einem leicht bläulichen Licht sorgten allerdings für Diskussionsstoff, weil diese viel helleren Scheinwerfer den Gegenverkehr trotz asymmetrischer Lichtverteilung stark blendeten. Die Folge war die Einführung ­intelligenter Lichtsysteme. 2006 brachte Mercedes-Benz erstmals ein Scheinwerfersystem mit fünf verschiedenen Lichtfunktionen auf den Markt, das den Gegenverkehr deutlich weniger störte. 

Mit der Einführung der LED-Technik ab 2008 konnte das Problem des Blendens ganz gelöst werden. Das Zauberwort heisst Matrixlicht: Diese Scheinwerfersysteme, bestehend aus diversen kleinen Leuchtdioden, strahlen die Strasse immer voll aus und «schneiden» einzelne Bereiche aus dem Lichtkegel, zum Beispiel andere Autos oder die Strassenränder in Ortschaften. Das funktioniert inzwischen so gut, dass man ausserorts bedenkenlos permanent mit Volllicht unterwegs sein kann – das Lichtsystem blendet je nach Situation auf oder ab und sorgt dafür, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer geblendet wird. 

Die LED-Technik, mit oder ohne Matrixfunktion, hat sich inzwischen bis ins Kleinwagensegment etabliert. Sie ist vergleichsweise günstig und langlebig, verbraucht wenig Strom und kann als zusätzliches Gestaltungselement genutzt werden. Die Matrixsysteme werden laufend verfeinert, ihre Software wird intelligenter, die Komponenten dank Skaleneffekten günstiger. So wird das LED-­Matrixlicht bald der neue Standard in allen Klassen, während Halogen- und Xenonlicht nach und nach vom Markt verschwinden werden, zumindest in unseren Gefilden. 

Millionen von Lichtpunkten
Das Thema Licht wird im Automobilbau in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Bei selbstfahrenden Autos ist nicht mehr die Ausleuchtung der Strasse entscheidend, dafür umso mehr das Wohlbefinden der Passagiere. Hier werden noch ausgefeiltere Ambientbeleuchtungen zum Einsatz kommen, die direkt auf die Stimmung der Insassen reagieren können. Nach aussen kann Licht zur Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern genutzt werden, wie es Blinker seit Jahrzehnten tun. So kann ein autonomes Shuttle beispielsweise an einem Zebrastreifen den Fussgängern anzeigen, ob es sie erkannt hat, ob es anhalten wird und wann es weiterfährt. 

Bis dahin arbeiten die Lichtentwickler weiterhin an der Optimierung der Scheinwerfer. Hochpreishersteller bieten in einigen Modellen Laserlicht an, das den Fernlichtbereich fast verdoppelt. Auch «Digital Light», also Matrixscheinwerfer mit einer deutlich verfeinerten Lichtskala, wird inzwischen in mehreren Fahrzeugklassen angeboten. Dieses System nutzt einen Mikrospiegelchip mit über einer Million einzeln steuerbaren Lichtpunkten pro Scheinwerfer und kann so präzise Lichtmuster auf die Fahrbahn werfen. Modelle von Audi, BMW oder Mercedes-Benz können damit die Fahrspur optisch hervorheben, die Position der Räder in den Lichtkegel blenden oder Warnhinweise, zum Beispiel vor Baustellen oder vor Schnee und Eis, im Sichtfeld des Fahrers auf die Strasse projizieren. Wie bei allen anderen Lichtsystemen in der Geschichte des Automobils wird sich auch diese Technik bald in die unteren Preissegmente ausbreiten.