«Ich erlebte sehr viel Goodwill»

Sie war fast 30 Jahre in ­Windisch politisch aktiv, ­davon 12 Jahre als Gemeindepräsidentin. Nun tritt Heidi ­Ammon zurück.
Heidi Ammons Abschied von der Politik. (leh)

Windisch – Heidi Ammon, Sie waren seit 1997 in der Kommunalpolitik aktiv, die letzten Jahre im Gemeindepräsidium. Wie fühlt sich der Abschied nach einer derart langen Zeit an?
Es ist der richtige Zeitpunkt, um mich aus der Politik zurückzuziehen, und ich freue mich auf mehr Ellenbogenfreiheit in der Ausgestaltung meiner Agenda. Für mich war bereits vor vier Jahren klar, dass ich die laufende Legislatur durchziehen und danach nicht mehr antreten würde. So hatte ich genug Zeit, um mich darauf vorzubereiten.

Keine Wehmut?
Wehmut nicht, aber Dankbarkeit, dass ich die letzten zwölf Jahre als Gemeindepräsidentin für Windisch wirken durfte. Ich fühlte mich dabei von der Bevölkerung immer getragen und erlebte sehr viel Goodwill.

Nun übergeben Sie den Stab Ihrer Nachfolgerin Luzia Capanni. Was geben Sie ihr mit auf den Weg?
In erster Linie, dass man als Gemeindepräsidentin keine Parteipolitik macht, sondern im Interesse der Bevölkerung handelt. 

Sie waren jahrelang Mitglied der SVP, sind nun aber ausgetreten – warum?
Der Gemeinderat führte 2024 mit den Fraktionsvertretungen Workshops zum Thema Finanzen, Entwicklungsprojekte und Finanzplanung durch. Ein paar wenige Massnahmen, die unterdessen in der Umsetzungsphase stehen, wurden damals formuliert. Jetzt, ein Jahr später, gab es im Einwohnerrat zahlreiche Änderungsanträge unter anderem von der SVP zum Budget – Anträge, die nicht so auf die Schnelle umsetzbar sind, da Leistungsvereinbarungen und Verträge tangiert sind. Ich schätze transparente Diskussionen und Konsensfindungsprozesse. Diese Hauruck-
übungen und der Umgangston der SVP-Vertretung sind jedoch eine Art und Weise, die ich nicht mag in der Politik.

Wie steht es um die Kommunikation zwischen dem Gemeinderat und dem Einwohnerrat generell?
Der Gemeinderat informiert und kommuniziert heute aktiv und rechtzeitig. Er unterbreitet dem Einwohnerrat informative, ausführliche Botschaften. Vom Einwohnerrat wird wiederum erwartet, dass er diese im Vorfeld der Einwohnerratssitzungen durchliest und nach Möglichkeit an den vorgängigen Informationsanlässen teilnimmt. Dort werden fachliche Hintergrundinformationen von Fachleuten eingebracht.

Tut er das nicht?
Ich habe das Gefühl, dass sich der Einwohnerrat heute weniger Zeit nimmt, um sich seriös in die Botschaften und Stellungnahmen einzulesen.

Vieles hat sich in der Politik in den letzten Jahrzehnten verändert. Wie steht es um Windisch als Gemeinde?
Auch die Gemeinde hat sich stark gewandelt. Als ich vor 38 Jahren hierherzog, wurde in Windisch kaum gebaut. Mit der Niederlassung des Hauptsitzes der FHNW wurden die Gemeinde und die Region dann aber attraktiv für Investoren. So konnten mit den Arealentwicklungen Vision Mitte, Fehlmannmatte und Kunzareal für Windisch wichtige Zeichen der Gemeindeentwicklung gesetzt werden – nicht nur im baulichen, sondern auch in der Ausgestaltung des Wohnungsmixes und der Begegnungsflächen.

Sie waren stets eine ausgesprochene Finanzpolitikerin. Warum sind die finanziellen Probleme gerade in Windisch ein Dauerthema?
Das hat mit den Strukturen zu tun. Windisch war früher eine klassische Arbeitergemeinde, heute zeigt sich eine Durchmischung tendenziell in Richtung Wohnsitznahme von Personen im Rentenalter, sprich Wohnen mit Services. Die Gemeinde weist im Verhältnis zu ihrer Grösse jedoch ein schwaches Steuervolumen bei den juristischen Personen auf, die Substanz fehlt. Da heute ein Grossteil der Ausgaben pro Einwohner berechnet wird, können Entwicklungen im Dienstleistungsangebot, in der Kultur und so weiter vorwiegend aus dem Topf der juristischen Personen finanziert werden. Bei der Weiterentwicklung wichtiger Gebiete in der Gemeinde muss das Wachstum dieses Anteils im Auge behalten werden.

«Ich werde das politische Geschehen aus einem gewissen Abstand weiter beobachten» – Heidi Ammon freut sich auf ihre neue Freiheit. (Bild: leh)

Blicken wir nochmal zurück auf das Jahr 2013. Damals wurden Sie als erste Frau Gemeindepräsidentin von Windisch. Wie kamen die männlichen Kollegen damit zurecht?
Für das Gremium war es überhaupt kein Problem. Ich spürte keinen Widerstand, und ich selbst machte mir ebenfalls keinerlei Gedanken darüber. Ich war es mir als Präsidentin eines schweizerischen Berufsverbands gewohnt, in männerdominierten Gremien zu arbeiten.

Sie haben einmal gesagt, dass Frauen einen anderen Führungsstil haben als Männer. Was haben Sie damit gemeint?
Männer und Frauen in Führungspositionen kommunizieren unterschiedlich. Der Betrachtungsperimeter der Frauen meiner Generation ist sehr oft breiter und  umfassender.

Empfinden Sie Männer als rauer und dominanter?
Eigentlich nicht, aber vielleicht geht es Frauen in solchen Positionen im Schnitt mehr ums Team, während Männer eher auf ihren Bereich und ihr Gärtchen fokussiert sind.

Als ich Sie für dieses Gespräch anfragte, sprach ich von einem «Abschiedsinterview», worauf Sie schmunzelten. Wird man Ihnen auf der politischen Bühne doch noch begegnen?
Auf keinen Fall, ich lege meine Ämter nieder und habe nicht vor, auf anderem Weg weiter zu politisieren. Das mit dem Abschied stimmt also. Ich werde das politische Geschehen aus einem gewissen Abstand weiter beobachten – und freue mich schon darauf.

Sie haben nun viel Zeit und alle ­Freiheiten für sich. Was werden Sie damit anfangen?
Ich werde mehr in meinem persönlichen Umfeld unterwegs sein, dabei Kultur und die freie Zeit geniessen. Ausserdem werde ich mich vermehrt meinem Kochstudio widmen, das ich auch in meiner Zeit als Gemeindepräsidentin stets weitergeführt habe. Ich werde aktiv bleiben, denn ich glaube, das grosse Pensum, das ich bisher hatte, auf einen Schlag auf null herunterzufahren, würde mir nicht guttun.