Politik ist Schlagabtausch, aber auch Emotion

Der Rat verabschiedete neun Männer aus Wettingens politischen Gremien. Darunter ­Ammann Roland Kuster und Polit-Urgestein Leo Scherer.
Leo Scherer (links) wurde aus dem Rat verabschiedet. (Bild: bkr)

Wettingen – «Politik ohne Essen ist nur halb so attraktiv», stellte der scheidende Einwohnerratspräsident Christian Oberholzer in seiner Rede zum Legislaturende fest. Bevor jedoch das Buffet eröffnet werden konnte, galt es, sich der Traktanden der 33. Sitzung der ablaufenden Amtszeit anzunehmen. Wie es in Wettingen vorweihnachtliche Tradition ist, wurde das Kalenderjahr des Einwohnerrats zum Start der Sitzung mit hochstehenden Instrumentalvorträgen der Musikschule ausgeläutet.

Dass es im Wettinger Einwohnerrat nicht nur um den harten politischen Schlagabtausch, sondern auch um den Menschen geht, bewiesen die Politikerinnen und Politiker, als sie mit rührenden Worten, ja sogar in gereimter Form aus ihren Reihen ausscheidende Leute verabschiedeten – notabene ausschliesslich Männer. Insgesamt acht von ihnen werden ab 2026 nicht mehr dem Einwohnerrat angehören – so aus gesetzlichen Gründen auch die Personen, die in den Gemeinderat gewählt wurden: Christian Wassmer (Mitte) und Orun Palit (GLP). Die anderen Personen? Das sind die SVP-Einwohnerräte Peter Lütolf, Roger Scherer und Fritz Zanzerl sowie ­Daniel Brüllmann (FDP) und Alain Burger (SP). Standing Ovations und viele Umarmungen gab es für Leo Scherer (Wettigrüen). Scherer gehörte dem Rat 36 Jahre lang an.

Ausklang einer Politkarriere
Grosser, im Stehen gespendeter Applaus gab es zudem für Roland Kuster (Mitte). Seine Zeit im Einwohnerrat liegt viele Jahre zurück. Gewürdigt wurden 18 Jahre im Gemeinderat, davon 9 Jahre als Gemeindeammann. Kuster, in einer Laudation vom scheidenden Vizeammann Markus ­Maibach (SP) als «King of Networking» bezeichnet, erwies sich einmal mehr nicht als Freund langer Worte und konzentrierte sich aufs Danken und Wünschen. Auf der Tribüne meldete sich derweilen Kusters kleine Enkelin lautstark – wie sie es offensichtlich von der Stimme ihres Grossvaters her kennt.

Die Mitte unter sich: Fraktionspräsident Markus Zoller und die designierte Ratspräsidentin 2026/2027 Ursula Depentor ­umrahmen den scheidenden Gemeindeammann Roland Kuster – in einer Laudatio «King of Networking» genannt. Er war 18 Jahre im Gemeinderat und 9 Jahre lang Ammann von Wettingen. (Bild: bkr)

Auch Markus Maibach (SP) tritt ab. Das nach zwölf Jahren im Gemeinderat, davon acht als Vizeammann. Übrigens: Begonnen hat er nicht als Finanzminister, sondern als Vorsteher des Ressorts Tiefbau. Sandro Sozzi (Mitte) verlässt den Gemeinderat nach acht Amtsjahren, in denen sich der ehemalige Jungscharleiter und J + S-Experte um den Bildungsbereich kümmerte und mit der Abschaffung der Schulpflege konfrontiert war.

Zurück zur bereits am Anfang zitierten Schlussansprache des Ratspräsidenten. Der Sozialdemokrat Christian Oberholzer zeigte grosse Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde: «Diese leisten Tag für Tag Grossartiges für Wettingen. Das, obwohl der Einwohnerrat bei Lohnerhöhungen eher das Motto ‹Weniger ist mehr› verfolgt.»