Ende des Jahres ist die Nachbearbeitung der Rettungsgrabung der Kantonsarchäologie in Gebenstorf abgeschlossen. Die 14 Monate dauernden Ausgrabungsarbeiten zwischen April 2024 und Mai 2025 generierten eine umfangreiche Dokumentation der römischen Überreste südlich der Limmat, wie es in einer Mitteilung heisst. Das Grabungsteam hat 1665 Fund ensembles geborgen, darunter 137
Münzen sowie verschiedene seltene Objekte wie Gewichtssteine, Bleigewichte, Schreibgriffel und einen kleinen Klappmassstab. Die Strukturen und Funde belegen, dass während der Zeit der in Vindonissa stationierten Legionen beim heutigen Gebenstorf-Steinacher ein Handels- und Stapelplatz bestand.
Die wissenschaftliche Nachbearbeitung erlaubt nun nähere Aussagen und eine erste Visualisierung zum grossen, aus drei Gebäuden bestehenden Baukomplex an der Limmat, der gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. vermutlich von Abteilungen der 11. Legion errichtet wurde. Der westliche Bau war eine zweischiffige Pfeilerhalle mit vorgelagerten Portiken (überdachten Lauben). Der mittlere Bau verfügte über einen Kryptoportikus, eine zum Grossteil in den Boden eingetiefte Wandelhalle, wie sie oft bei einem römischen Forum (Marktplatz) vorkam. Der östliche Bau wies einen komplexen Grundriss mit mehreren Räumen, Eingängen, Korridoren und Höfen auf. Damit unterscheidet sich dieses Gebäude deutlich von den beiden anderen Grossbauten. Die südlichen Abschlüsse aller drei Bauten liegen ausserhalb der Grabungsfläche und sind möglicherweise noch bis heute unter der aktuellen Kantonsstrasse erhalten. Der Ort an der Limmat war also wahrscheinlich nicht nur ein Warenumschlagplatz, sondern auch ein politisches und rechtliches Zentrum, womöglich gar für eine hier geplante stadtartige Siedlung.
Römische Amphore
Unter den Tausenden von zerscherbten Amphoren dokumentierte das Grabungsteam ein einziges vollständig erhaltenes Exemplar dieser typischen antiken Transportbehälter. Bereits im Feld fiel auf, dass sich im Bauch der Amphore ein merkwürdiges grauweisses Sediment befand. Man barg darauf diesen Fundkomplex en bloc und brachte ihn ins Restaurierungslabor der Kantonsarchäologie, wo das Sediment sorgfältig abgepackt und an die Universität Basel geschickt wurde. Dort wurden die unscheinbaren Überreste im Labor des Instituts für integrative prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie analysiert.
Das Sediment wurde durch mehrere feine Siebe geschlämmt. Übrig blieben winzige Knochen von Meerestieren aus der Flüssigkeit, die einst in der Amphore enthalten gewesen war. Es handelte sich dabei um Fischsauce, eines der beliebtesten Würzmittel der Antike.
Nachweis von Sardinen in der Schweiz
Bei den Knochen handelte es sich hauptsächlich um Überreste (Gräten, Schuppen, Wirbel) der Europäischen Sardine. Dieser Meeresfisch ist relativ weitverbreitet und kommt im Nordostatlantik und im Mittelmeer vor. Sardinen bilden sehr grosse Schwärme in Küstennähe und sind heute noch wichtige Speisefische. Die Reste aus der Amphore stammen von sehr kleinen Exemplaren von unter zehn Zentimetern. Es ist bisher der erste Nachweis von Sardinenresten in einem römerzeitlichen Fundplatz der Schweiz.
Die Römer gehörten zu den ersten Gesellschaften, die Fischressourcen umfassend nutzten und grosse Salz- und Konservierungsanlagen für die Produktion von Fischsaucen errichteten. In diesen wurden die kleinen Fische fermentiert und die Fischsauce in Amphoren abgefüllt, um im gesamten römischen Reich als Exportschlager verhandelt zu werden.
Da die Amphore selbst Hinweise auf den Produktionsort geben kann, untersuchte eine Amphorenspezialistin der Kantonsarchäologie die Fragmente. Aufgrund der Tonqualität dürfte die Amphore und damit die darin enthaltene Fischsauce wohl an der Küste der römischen Provinz Baetica, des heutigen Andalusien, produziert worden sein. Aber auch eine Herkunft aus Gallien, im Umland des heutigen Lyon, ist nicht ganz ausgeschlossen. Die Amphore und ihr Inhalt wurden wahrscheinlich – Formenvergleiche legen das nahe – zwischen etwa 25 und 50 n. Chr. hergestellt und verhandelt.