Die lange Nacht der Dorfstrasse

Unterstützung für den neuen Dorfladen und die Gesamt­revision der BNO beschäftigte die Freienwiler an der Gemeindeversammlung.
Überstunden, aber keine Extrarunde. Länger als sonst mussten die Freienwiler und Freienwilerinnen in der Mehrzweckhalle ausharren. An einer umfangreichen Gemeindeversammlung sorgte die neue Bau- und Nutzungsordung (BNO) für eine lebendige Debatte. (Bild: sma)

Freienwil – «Besser als budgetiert», so lautete das Fazit der Jahresrechnung 2024, die Gemeinderätin Prisca Hubschmid bei der Gemeindeversammlung am 26. Juni in der Mehrzweckhalle Freienwil präsentierte. Mit einem kurzen Exkurs zu den Themen Asylwesen und Schulbildung wurde die Jahresrechnung (Ertragsüberschuss: 81 435 Franken) angenommen.
Das erste diskussionswürdige Traktandum an diesem Abend war die Leistungsvereinbarung für den Betrieb des Dorfladens Freienwil. Anfang Oktober soll das Ladenlokal im neuen Dorfladengebäude in Betrieb gehen. Derzeit laufen dafür noch die Verhandlungen mit möglichen Betreibern. Aufgrund der deutlich höheren Miete im Neubau im Vergleich zum Provisorium will die Einwohnergemeinde den Betreiber in einem Zeitraum von drei Jahren mit 12 000 Franken pro Jahr unterstützen. Dafür fordert man eine attraktive Grundversorgung, regelmässige Öffnungszeiten und den Betrieb einer Postagentur.
In der Sporthalle gab es nach der Vorstellung des Plans Fragen zu potenziellen Lieferanten und zur Ladengrösse. Ausserdem kam die Grundsatzfrage auf, ob es die Aufgabe der Steuerzahlenden sei, eine Einkaufsmöglichkeit im Dorf zu schaffen. Die Dorfladen AG versicherte erneut, dass der Mietpreis günstig für die aktuelle Marktlage sei. Letztlich wurde das Traktandum mit einer grossen Mehrheit angenommen. Mit nur zwei Gegenstimmen wurde danach dem neuen Gebührenreglement in Bausachen zugestimmt.

Vizeammann Urs Rey führt durch das wichtigste Traktandum. (Bild: sma)


Scharf geführte Debatte
Mehr als zwei Stunden nach dem Beginn der Gemeindeversammlung kam es zum grössten Traktandum des Abends. Die umfangreiche «Gesamtrevision Allgemeine Nutzungsplanung» soll die alte BNO aus dem Jahr 1990 ersetzen. Vizeammann Urs Rey bezeichnete die Reform als überfällig. Zu Beginn seiner ausführlichen Präsentation zeigte er eine Luftaufnahme des ländlichen Freienwil aus dem Jahr 1957. Man habe sich für eine sanfte Verdichtung entschieden. Vergleichbare Gemeinden wie Schinznach, Villigen und Riniken hätten bereits seit 2015 sehr ähnliche Vorschriften in Bezug auf den Dorfschutz.
Schon zu Beginn war der Gemeinderat auf Plakate und Leserbriefe einer Interessengemeinschaft eingegangen. Man sei zu Objektivität verpflichtet, werde aber Falschdarstellungen zum Thema korrigieren.
Entsprechend dem Umfang des Grossprojekts BNO fiel dann die Diskussion aus. Anwohnende der Dorfstrasse, Architekten, Raumplaner und Unternehmer aus der Gemeinde holten zum Teil weit aus. Die Kritik an der BNO und auch am Gemeinderat wurde dabei mit scharfen Worten geführt. So fielen unter anderem «Totgeburt», «Erpressung» und «Sozialismus» in Bezug auf eine Bauordnung. Zumindest der Vorwurf der Kompetenzerweiterung des Gemeinderats konnte nicht belegt werden. Unstimmigkeiten beim persönlichen Treffen zwischen Interessengemeinschaft und Gemeinderat sorgten für zusätzliche Kritik von den Beteiligten.

Ein Anwohner beklagte sich zudem über fehlende Kompromisse, da hier über privates Eigentum entschieden werde. Ein anderer mahnte, dass mit dieser Reform keine Anreize für Investitionen geschaffen würden. So würden noch mehr alte Häuser verfallen, weil sich die Renovierung unter Auflagen finanziell nicht lohne. Der Gemeinderat antwortete, dass bereits zahlreiche Kompromisse in die Überlegungen eingeflossen seien. So wurden Ausnahmen für Häuser gemacht und nur Dinge unter Schutz gestellt, welche die Identität des Dorfkerns prägen, wie zum Beispiel die Fassaden.
Schliesslich führte die hitzige Debatte zu einer abgelehnten Teilrückweisung (28 zu 82), einer geheimen Abstimmung und einer fast vierstündigen Gemeindeversammlung. Am Ende wurde die Gesamtrevision der BNO mit 90 zu 43 Stimmen angenommen. Das Quorum wurde an diesem Abend allerdings mit 135 Stimmberechtigen knapp nicht erreicht.