Auf der Achterbahn der Gefühle

Der Bözberger Autorenn­fahrer Ricardo Feller sorgt in der DTM für Furore, obwohl er mit diversen Handicaps zu kämpfen hat.
Ricardo Feller, von Bözberg auf die internationalen Rennstrecken. (Bild: zVg)

Bözberg – Mit seinen 25 Jahren gehört Ricardo Feller zu den jungen Fahrern in den hochklassigen internationalen Rennserien. In dieser kurzen Zeit hat er eindrückliche Erfolge errungen. 2022 holte er in der Premierensaison für das Team Abt auf einem Audi R8 seinen ersten Sieg in der DTM (Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft) und schaffte es im folgenden Jahr sogar auf Platz 3 in der Jahreswertung.

Nach einem enttäuschenden Jahr 2024, in dem er viel Pech hatte, strebte er einen Wechsel an und bekam für die aktuelle Saison einen Vertrag bei Porsche. Sein Jugendtraum war in Erfüllung gegangen. Er drohte jedoch zum Albtraum zu werden, als das Team Allied Racing, in dem er auf einem Porsche 911 in der DTM fahren sollte, einen Monat vor Saisonbeginn Insolvenz anmelden musste. Trotzdem fand er einen Weg, wieder an der Meisterschaft teilzunehmen und gegen die Konkurrenz von Marken wie Lamborghini, Mercedes, BMW, Ferrari und Porsche sein Talent zu ­zeigen.

Ricardo Feller, Sie haben in den letzten Rennen mit einem 3. und einem 6. Rang Ihre besten Saison­resultate erzielt. Haben Sie damit, wenn man die Vorgeschichte kennt, Ihre eigenen Erwartungen über­troffen?
Nicht wirklich. Eigentlich habe ich gehofft, dass wir etwas konstanter in die Top 10 oder sogar die Top 5 fahren können. Aber ich bin ein wenig stolz, dass ich mit dem Team Land schon kurz nach der Saisonmitte den Sprung aufs Podest geschafft habe.

Eigentlich waren Sie viel ambitionierter, wechselten zu Porsche, um wieder regelmässig auf dem Treppchen stehen zu können. Weshalb kam es anders?
Da Porsche nicht mit einem Werksteam an der DTM teilnimmt, aber verschiedene Kundenteams unterstützt, vermittelten sie mich an Allied Racing. Als die Testfahrten und die Sitzanprobe, die Anfang Jahr hätte stattfinden soll, immer wieder verschoben wurden, bekam ich zunehmend ein schlechtes Gefühl, das sich leider bewahrheitete.

Wie konnten Sie die DTM-Saison noch retten?
Als Wolfgang Land, für dessen Team ich 2021 auf einem Audi R8 die GT Masters gewonnen hatte, von der Allied-Insolvenz hörte, fragte er mich, ob wir zusammenspannen wollten, da ich ein neues Team brauchte und Land Motorsport schon länger mit dem Einstieg in die DTM liebäugelte. Porsche hatte für meine Situation Verständnis und gab mich für die Umsetzung dieser Idee mit dem Audi frei.  

Weshalb fahren Sie trotzdem nicht mit einem R8 des Land-Teams, ­sondern mit dem Fahrzeug, das drei Jahre im Showroom der Garage Feller in Suhr stand? 
Mein Vater hatte es zusammen mit einem guten Freund nach der GT-Masters-Saison als Erinnerung erworben. Da ich es in- und auswendig kenne und ich mich darin sehr wohlfühle, zögerte er nicht, es mir zur Verfügung zu stellen. Schliesslich tut es jedem Auto gut, wenn es hin und wieder bewegt wird.

Wie ist es zu erklären, dass Sie mit einem sieben Jahre alten Fahrzeug konkurrenzfähig sind?
Das heutige DTM-Reglement schreibt vor, dass bei allen Fahrzeugen Motorleistung und Gewicht im gleichen Verhältnis stehen müssen, damit sie – zumindest theoretisch – die gleichen Rundenzeiten fahren können. Natürlich sind wir gegenüber Neuentwicklungen trotzdem im Nachteil, doch dafür ist der R8 ein ausgereiftes, sehr zuverlässiges Auto. 

Wie kommen Sie mit den extremen Witterungsunterschieden zurecht?
Mir macht es grossen Spass, bei Regen zu fahren. Als Fahrer ist man speziell gefordert, und es kann noch mehr als sonst einen Unterschied machen. Wenn es heiss und trocken ist, muss man besonders fit sein, weil die Temperatur im Cockpit dann um die 50 Grad liegt. Da wir feuerfeste Unterwäsche, Overall, Balaclava, Helm und Handschuhe tragen, kann man sich vorstellen, wie stark wir schwitzen.

Welche Faszination übt die ­Geschwindigkeit auf Sie aus?
Es ist eher langweilig, auf den Geraden den Topspeed zu erreichen. Dort ist ein Strassen-R8 mit 600 PS sogar schneller als meine Rennversion, da unsere Aerodynamik darauf ausgelegt ist, einen hohen Anpressdruck zu erzeugen, damit ich spät bremsen und schnell durch die Kurven fahren kann.

Wo liegen im Rennsport die ­grössten Gefahren?
Fehler kann jeder machen, man selbst oder die Konkurrenz. Das Risiko liegt zudem in der Technik, doch mein Team arbeitet sehr gewissenhaft. Das Auto wird nach jedem Rennen komplett zerlegt, und alles wird geprüft. Wenn Teile beschädigt sind oder kleinste Zweifel bestehen, werden sie ersetzt. Der grösste Unsicherheitsfaktor sind Carbonsplitter, die nach Kollisionen bei Positionskämpfen auf der Strecke liegen. Diese können zu Reifenplatzern führen, die – vor allem in Hochgeschwindigkeitskurven – richtig wehtun können. Glücklicherweise sind die Autos jedoch heutzutage so gebaut, dass ­Fahrer selbst aus nicht reparablen Wracks meist aus eigener Kraft steigen können. 

Das Fahren auf öffentlichen Strassen ist vermutlich gefährlicher.
Die Rennfahrer in der DTM wissen zumindest mehr oder weniger, was sie tun. Und Gegenverkehr haben wir keinen, normalerweise. 

Fahren Sie nach wie vor im Privatauto zu den Rennen?
Manchmal, seit dieser Saison aber auch oft in meinem kleinen Wohnmobil. Das erinnert mich an meine Anfänge im Kartsport, als meine Eltern und meine zwei jüngeren Brüder mitreisten. Mittlerweile schätzen viele Fahrer die Vorzüge, wenn man das Wohnmobil gleich neben die Strecke stellen kann. Man spart Zeit für die Transfers zum Hotel, kann im eigenen Bett schlafen und sich vom Rummel in der Boxengasse zurückziehen, wenn man eine kurze Pause hat. 

Wo wohnen Sie, wenn Sie zu Hause sind? Bei den Eltern, weil das eh nur selten der Fall ist?
Nein, ich wohne seit einiger Zeit im Kanton Thurgau, in meiner ersten eigenen Wohnung. 

Hat es dort Regale mit Pokalen statt Rennwagenposter an den Wänden?
Weder noch! Ich war schon als Teenager kein Posterfan und finde auch jetzt: Weniger ist mehr. Ich habe deshalb nur die zwei wichtigsten Pokale gezügelt und die übrigen in der Garage meines Vaters gelassen. 

Treffen Sie neben Ihrer Familie auch Freunde, wenn Sie nach Bözberg kommen?
Viel zu wenig. Ich habe ein paar ­tolle Kollegen, die mich immer unterstützten, aber meine private Zeit ist so begrenzt, dass ich gern mal zu Hause bin oder etwas mit meiner Freundin unternehme. 

War sie der Grund, weshalb Sie in den Thurgau zogen?
Nicht unbedingt. Sie wohnt zwar in der Ostschweiz, aber ich fand die Aussicht auf ein grosses Gewässer wie den Bodensee schon vorher sehr schön und beruhigend. Ausserdem träume ich von einem Motorboot.

Wie geht es bei Ihnen nun weiter?
In der DTM stehen am kommenden Wochenende noch die Läufe auf dem spektakulären Red-Bull-Ring in Spielberg, der österreichischen Formel-1-Strecke, und am 4. und 5. Oktober der Saisonabschluss in Hockenheim auf dem Programm. Dazwischen werde ich für das Porsche-Team Lion­speed in der GT World Challenge starten. Von diesen Erfahrungen auf dem 911er hoffe ich, 2026 profitieren zu können.