Auf den Spuren der römischen Legionäre

An der Zürcherstrasse entsteht eine Wohnüberbauung. Zuerst werden auf der Baustelle Spuren aus dem alten Vindonissa freigelegt.
Grabungsleiter Kaan Memik und sein Team suchen auf der Baustelle nach römischen Überresten. (Bild: leh)

Die Baustelle in Windisch ist markant. Auf etwa 4000 Quadratmetern wird hier gegraben, gepickelt und gespachtelt. Mehrere Mitarbeitende der ­Kantonsarchäologie sind täglich daran, in der Baugrube Hinterlassenschaften aus der Römerzeit freizulegen. Danach soll auf dem Areal eine Wohnüberbauung mit Tiefgarage entstehen.
«Rettungsgrabungen» nennt man das in der Archäologie. Bedeutende Spuren aus vergangener Zeit werden gesichtet, erfasst und zum Teil geborgen, bevor sie wegen neuer Bauprojekte für immer verloren sind.

Eine Mauer und eine Strasse
Wo bald neue Wohnhäuser stehen, befand sich einst die Südwestfront des römischen Legionslagers Vindonissa. Es hatte eine 3 Meter breite Mauer, ein gestaffeltes, 15 Meter breites und bis zu 3 Meter tiefes Grabensystem und eine vorgelagerte, 7 Meter breite Kiesstrasse. Unmittelbar davor erstreckte sich eine zivile Siedlung mit Wohnbauten und gewerblichen Einrichtungen.

«Es sind die Spuren der 21. und 11. Legion aus der jüngeren Phase des Lagers», sagt Grabungsleiter Kaan Memik. Das Lager aus der älteren Phase habe einen anderen Grundriss gehabt. «Vermutlich war es etwa 100 Meter nach Süden versetzt», so Memik. Man wisse das nicht genau. Er hoffe aber, die alten Grundrisse ebenfalls noch zu finden. «Vielleicht sind sie auf diesem Gelände – eines der Rätsel, die wir lösen wollen.»

Reste von drei Gebäuden
Das Team der Kantonsarchäologie ist seit Ende August an der Arbeit. Südlich der Lagerumwehrung hat es in der obersten Erdschicht bereits Reste von Gebäuden gefunden: die Mauerreste von drei Häusern. Um was für Gebäude es sich genau handle, sei noch unklar. «Ich nehme an, es sind Wohngebäude, aber wir haben erst deren obere Kante ausgegraben. So können wir noch nichts Genaues sagen.» Daneben sind Mauerwerke und Böden eines Baus zu Tage getreten, von dem in der Fläche nur noch der Grundriss existiert. «Bei einem Raum dürfte es sich um ein Bad oder eine Nasszelle gehandelt haben», sagt Memik. Der wasserabweisende Terrazzomörtel im Boden weise darauf hin.

Neben Gebäuderesten und Strassen hat das Team auf dem Gelände Keramikscherben, Metallobjekte und verschiedene Gegenstände zur Körperpflege gefunden – zum Beispiel Hautschaber, mit denen die Legionäre Sand und Öl von der Haut entfernten. «Die Grabungen sind somit bis anhin sehr spannend verlaufen», sagt Memik. «Und wir haben die Hoffnung, im Verlauf der Arbeiten noch auf die älteste Um­wehrung von Vindonissa zu stossen.» Diese stammt aus der Zeit der 13. Legion, aus den Jahren 17 bis 45.

Grabungen bis Juli 2026
Ende 2024 wurden die alte Tankstelle und eine Autowerkstatt sowie ältere Wohnbauten auf dem Areal abgerissen. Die Rettungsgrabungen werden nun bis Juli 2026 dauern. Danach wird das Areal für den Bau der Wohnsiedlung frei­gegeben. Die Strukturen im ­Boden werden dann verschwinden. «Die Funde können wir dagegen behalten», sagt Memik. «Wir entscheiden von Objekt zu Objekt, ob es wissenschaftlich und kulturell genug wertvoll ist, um aufbewahrt zu werden.» Wenn ja, landet es am Ende im Archiv der Kantonsarchäologie – und damit in der Archäologischen Sammlung des Kantons Aargau.