Winterfit mit gezielten Mitteln

Um dem Winter zu trotzen, setzen manche auf Homöopathie. Die Sache ist jedoch komplex, wie ein Besuch in einer Brugger Praxis zeigt.
Fit und Gesund durch den Winter. (Bild: Tyosya–StockAdobe.com)

Thomas Lorek hatte sein Schlüsselerlebnis in jungen Jahren. «Ich litt an einer schweren Grippe mit intensiven Kopfschmerzen. Meine Vermieterin war Homöopathin und meinte, sie bringe mir etwas, das helfen könnte.» Nachdem er das Mittel eingenommen hatte, war ihm, «als sei der Schalter umgelegt». Die Beschwerden seien zwar nicht weggezaubert gewesen, aber der Heilungsprozess sei erstaunlich schnell verlaufen. Der 47-jährige Lorek ist ursprünglich Elektroingenieur und hat Mathematik studiert. Später absolvierte er die Ausbildung zum Homöopathen, weil ihn die erstaunliche, scheinbar nicht logisch erklärbare Wirksamkeit des Präparats nie losgelassen hatte.

Sarah Biner-Trost kommt be­ruflich aus einer anderen Richtung: Sie hat in Chemie und Molekularen Wissenschaften doktoriert und in der ­Medizinalchemie geforscht. Die 43-Jährige ist eine, die der Sache auf den Grund gehen will; sie brennt für die Wissenschaft, das zeigt sich im Gespräch deutlich. «Alles ist Energie, das ist die zentrale Erkenntnis meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung», sagt die Walliserin, die ihre Masterarbeit unter anderem am Paul-Scherrer-Institut (PSI) absolvierte. «Die Homöopathie ist das konsequente Weiterdenken dieses Prinzips.» Und weil sie es sehr genau ­wissen wollte, studierte sie diese Heil­methode gleich an zwei verschiedenen Schulen.

Links Sarah Biner-Trost (oben), Empfangsfrau Barbara Widauer. Rechts Nicole Zaugg und Thomas Lorek. (Bild: zVg)

Nicht das eine Mittel
Nun führen Lorek und Biner-Trost gemeinsam mit der Tierärztin und Homöopathin Nicole Zaugg die Praxis «Homöopathie im Fokus» in Brugg, wo sie Menschen, Tiere und Pflanzen behandeln. Zudem halten sie Vorträge über Anwendungsmöglichkeiten, kürzlich etwa zum Thema Erkältungen. Was die Vorbereitung auf den Winter angeht, sagt Biner-Trost: «Es gibt nicht das eine Erkältungsmittel. Jeder Mensch bringt seine spezifische ­Energie und seine eigenen Anfälligkeiten mit.» In Apotheken und Dro­gerien gebe es zwar homöopathische ­Taschenapotheken zur Selbstbehandlung, aber dafür brauche man Vorwissen. Einerseits gelte es die Art der Symptome und Schmerzen während einer Erkältung zu differenzieren, andererseits müsse man wissen, welche Mittel zu einem passten.

Biner-Trost erklärt das an einem Patientenbeispiel: «Ein Kind mit Ohrenweh kommt mit seiner Mutter zu uns. Das Kind versteckt sich hinter der Mutter, getraut sich kaum zu sprechen und leidet still. Ein anderes Kind, ebenfalls mit Ohrenweh, kommt in den Behandlungsraum, setzt sich selbstbewusst an den Tisch, erklärt im Detail seine Beschwerden und sagt am Ende des Gesprächs: ‹Mama, jetzt müssen wir aber los, gell.›»

Die beiden Kinder hätten eine unterschiedliche Energie oder Konstitution und bräuchten bei den gleichen Symptomen eine individuelle Behandlung, sagt Biner-Trost. «Das Gesamtbild zeigt uns, warum jemand eine bestimmte Empfindsamkeit oder Anfälligkeit hat.» Dann könne das System des Menschen gestärkt werden. «Homöopathie ist immer lebensbejahend», sagt die Naturheilpraktikerin. Anders gesagt: Die Präparate bekämpfen nicht den Krankheitserreger, sondern unterstützen den Organismus der Patientin.

In der Praxis wird in einem ausführlichen Gespräch der Mensch erfasst. (Bild: zVg)

Belastungen aller Art
In der Homöopathie wird zwischen konstitutioneller und akuter Behandlung unterschieden. Erstere ist eine langfristig angelegte, präventive Therapie. «Damit kann man sich wappnen für Belastungen aller Art, sei es für den Winter oder die Heuschnupfensaison», sagt Lorek. Die Behandlung im Akutfall helfe dagegen im Moment, beseitige aber nicht die Grundanfälligkeit. Und auch sie sei wirksamer, wenn sie auf einer konstitutionellen Behandlung aufbaue. Je besser der Therapeut den Hilfesuchenden also schon kennt, desto gezielter kann er auf diesen einwirken. So hatte auch Loreks Vermieterin ihn als Menschen so gut erfasst, dass sie den «Schlüssel» fand, um seine Heilung von der Grippe anzustossen.

Und was sagen die beiden zur verbreiteten Kritik an der Homöopathie? Sie gilt als pseudowissenschaftlich und unwirksam bis hin zu gefährlich in Fällen, in denen nötige schulmedizinische Behandlungen abgelehnt werden. «Das von den Medien gezeigte Bild entspricht nicht dem aktuellen Stand der Forschung», sagt Biner-Trost. «Studien der Uni Bern haben gezeigt, dass die Ergebnisse der meisten Untersuchungen nicht mit der Placebo-Hypothese vereinbar sind.» Der Link dazu findet sich auf der Praxiswebsite. Beide betonen zudem, dass sie mit der Schulmedizin zusammenarbeiten und Patienten bei Bedarf an andere Fachpersonen verweisen, sei es eine Spezialärztin oder einen Psychologen.

Lorek hofft, dass sich mehr Männer auf diese Heilpraxis einlassen, da sie aufgrund ihres Lebenswandels oft besondere Krankheitsrisiken trügen. «Häufig halten Männer die Homöopathie für Humbug und wollen zuerst Belege sehen», stellt er fest. «Auch skeptische Patienten sind willkommen», sagt Biner-Trost dazu. Sie seien gerne da, um Fragen zu beantworten.

Im Gesundheitszentrum Brugg findet ein Vortrag von Sarah Biner-Trost, Thomas Lorek und Nicole Zaugg zum Thema «Winterblues und Festtagskater» statt. Eintritt: 20 Franken.

Freitag, 3. November, 19.30 Uhr
Fröhlichstrasse 9, Café-Restaurant Gusto