Bundesrat Albert Rösti zu Besuch

Lange Planungsphasen und immer mehr Verkehr in der Region – das Wirtschafts­forum Zurzibiet lud zum Vortrag nach Klingnau.
Wirtschaftsforum widmet sich der Verkehrspolitik im Zurzibiet. Besonderer Gast: Bundesrat Albert Rösti. (Bild: sma)

Region – Um 19.32 Uhr war es so weit, mit Bundesrat Albert Rösti betrat der wichtigste Redner des Abends die Indus­triehalle der Häfeli-Brügger AG in Klingnau. Der Verkehrsminister hatte sich verspätet, und der Grund passte gleich zum Thema: Stau.

«Was brauchen wir in Sachen (öffentlicher) Verkehr?» war das Thema des Politapéros am 6. Oktober, und mehr als 200­ Mitglieder folgten der Einladung des Wirtschaftsforums Zurzibiet (WFZ). Dieser Abend sei ein Event für die Geschichtsbücher des Vereins, hiess es in der Begrüssung. Der Verkehr sei kein technisches Detail, sondern eine Lebensader, die gerade zu verstopfen drohe. Verkehrspolitik sei ebenfalls Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, weil sie die Grundlage für Wachstum darstelle. Man wolle im Zurzibiet nur eine Basisinfrastruktur, die im Grossteil der Schweiz die Norm sei. Zudem wurde noch einmal an die Petition von 2011 erinnert, bei der man 11 000 Unterschriften sammelte, um die Verkehrssituation in der Region zu verbessern – passiert ist seitdem sehr wenig.

Mehr und mehr Verkehr
Als erster Redner des Abends trat Kuno Schumacher, Vizeammann von Klingnau, an das Pult. Er betonte mit der Aare die direkte Verbindung nach Bern und erinnerte an die zahlreichen motorisierten «Zugvögel», die das Zurzibiet täglich durchqueren. Als Region leiste man einen wichtigen Beitrag an die Energieversorgung der Schweiz und habe in der Vergangenheit immer wieder Pioniergeist bewiesen.

Das grosse Thema Stau beschäftigte auch Gastgeber Walter Häfeli und Matthias Schifferli, Geschäftsführer WFZ, in ihrem folgenden Beitrag. «Verkehrsachsen sind Wirtschaftsachsen», betonte Schifferli noch einmal und verwies auf die Anbindung zur A3 im Fricktal als Beispiel. Das Verkehrsnetz im Zurzibiet sei zwischen 30 und 50 Jahre alt und damit schlicht veraltet – bei einem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen.

Das Interesse an der Rede des Bundesrats war gross. (Bild: sma)

Stadt, Land, Agglo
Richtig in die Materie ging es im Vortrag von Carlo Degolo, Leiter der Abteilung Verkehr im Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau. Man wurde in den letzten Jahren von den Prognosen überholt und rechnet bis zum Jahr 2055 mit 1 Million Einwohnerinnen und Einwohner im Aargau. Der Kanton plant dabei langfristig und denkt nur noch in Gesamtverkehrskonzepten (GVK), um das Mobilitätsangebot und die Verkehrsinfrastruktur in den Städten, der Agglomeration und den ländlichen Regionen differenziert sicherzustellen.

Die Zuverlässigkeit hat dabei Vorrang vor der Geschwindigkeit. «Wenn Nationalstrassen nicht funktionieren, geht gar nichts mehr», sagte Degolo und verwies auf die 130 000 Fahrzeuge, die heute täglich pro Tag Baden/Neuenhof durchqueren. Das Zurzibiet wurde dabei auch im GVK Baden bedacht. «Nur wer das Richtige am richtigen Ort zur richtigen Zeit tut, gestaltet Zukunft aktiv und wirkungsvoll», lautete das Fazit des Vortrags. Bei der Erarbeitung des neuen GVK Zurzibiet wurde gerade erst die zweite Phase begonnen, bei der es um die Planung konkreter Massnahmen geht.

Energielücken
Als letzter Redner übernahm der Bundesrat das Wort. Rösti wurde seinem Job als Vorsteher des eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) gerecht, indem er sich der Energiepolitik widmete. Es brauche mehr Winterstrom in der Schweiz, und die letzten Jahre hätten gezeigt, dass man sich nicht auf einen Import von Strom aus den Nachbarländern verlassen könne. Man müsse sich fragen, ob Gaskraftwerke wirklich eine sinnvolle Lösung für die Zukunft seien – schliesslich müsse die Schweiz mittelfristig die Kapazitäten von drei Atomkraftwerken (AKW) ersetzen.

Rösti sprach sich für eine Technologieoffenheit aus und kündigte an, dass es im politischen Prozess um eine mögliche Rücknahme des AKW-Bauverbots eng werden könnte – sowohl im Nationalrat als auch beim Stimmvolk. Beim Atomausstieg 2017 sei man zudem schlicht von falschen Annahmen ausgegangen: Den Ukrainekrieg, die erhöhte Zuwanderung und den Vormarsch der energiehungrigen künstlichen Intelligenz hätte vor acht Jahren niemand einkalkulieren können. Danach lenkte der Bundesrat in Richtung Verkehr. Rösti gab einen kleinen Ausblick auf die ETH-Studie, die er am 9. Oktober in Bern präsentierte. Die Studie empfiehlt, welche Infrastrukturprojekte in der Schweiz in den nächsten 20 Jahren umgesetzt werden sollten – unter
anderem mit Blick auf die Finanzierbarkeit.

Insgesamt will Rösti die drei Bereiche öffentlicher Verkehr, Nationalstrassen und Agglomeration enger zusammen planen. Auch damit sich eine Abstimmungsniederlage wie im November 2024 für die Nationalstrassen nicht wiederholt. Zum Schluss dankte Albert Rösti den Betrieben aus der Region, sie seien es letztlich, welche die Milliarden für den Verkehrsausbau bezahlten.

Während der Fragerunde gab es doch die ein oder andere unzufriedene Wortmeldung, weil nichts Konkretes zu den Problemen des Zurzibiets gesagt wurde, während das Thema Kernkraftwerk natürlich wohlwollend aufgenommen wurde. «Als Bundesrat kann er natürlich nicht zu einer einzelnen Region Stellung nehmen», zeigte Matthias Schifferli Verständnis für den Bundesrat und freute sich über einen gelungenen Abend für das Wirtschaftsforum.